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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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das Auge der weltlichen Gewohnheit entäußert hat, beständig zwischen groß und
klein zu unterscheiden, und nun immer das Große im Kleinen sieht, hat die Welt
keinen Reiz mehr für uns. Heimweh? Welches Heimweh meinen Sie? Das
Heimweh, das zurückschallt, oder das Heimweh nach dem Frieden, der Ruhe vor
uns? Wir schauen vorwärts. Auch darin ist unser inneres Auge anders gewöhnt.
Vielleicht ist kein Vorwurf, den man uns macht, berechtigter als der des geringen
Interesses für Familienangelegenheiten unsrer Kranken. Sie unterhalten uns von
nichts lieber als davon und fordern natürlich unsre Teilnahme dafür; wir aber,
gewohnt nach oben und nach unten zu sehen, verstehn nicht mehr so recht zu
unterscheiden, was draußen jenseits der Mauern unsrer Krankenzimmer vorgeht.
Vielleicht, sagte sie lächelnd, verstehn wir uns eben deshalb so gut mit den
Soldaten, die sich ja auch aus ihren Familienbanden haben lösen müssen, um in
neue Verbindungen einzutreten, die vorübergehend vielleicht fast so fest wie die
unsern sind.




Meine Erinnerungen haben mich weit über die numme des alten Lazaretts
hinausgeführt, wo ich die ersten Erfahrungen im Krankenleben und -sterben sammelte;
ich mochte noch von den letzten Tagen erzählen, die ich darin verlebte.

Bis Ende November hatte uns die rauhe Wirklichkeit des Kriegs in unsern
Krankensälen verschont. Nur Botschaften und Gerüchte drangen zu uns, sie kamen
von ziemlich weit her, denn unsre Truppen waren seit Wochen im Vordringen; auch
brachten die Transporte nnr einzelne Verwundete, und die Gerüchte erzählten auch
nur von einzelnen Gefallnen. Daß es nicht so bleiben werde, war klar. Die ersten
Sturmvögel waren wie gewöhnlich die Franzosen selbst, die Bewohner der Stadt,
die kecker wurden, sich in auffallend großer Zahl auf deu Straßen versmumelteu und
einander wichtige Nachrichten zuzuflüstern hatten. Wir hörten davon durch die
Krankenwärter, die manchmal etwas niedergeschlagen Von ihren Gängen in die
Stadt zurückkehrten, und durch eine" der Unterärzte, der leider gar kein Held war,
sondern in der häßlichen nervösen Feigheit der Gebildeten alles schwarz sah und
Befürchtungen selbst uns gegenüber um den Tag legte.

An einem der früh dunkeln Dezembernachmittage hörte man ein stärkeres
Gewehrfeuer, dichter als sonst und ohne Zweifel rasch näher kommend. Der jüngere
Arzt, der von uns allen am wenigsten zu fürchten hatte, kam in etwas aufgeregter
Stimmung in den Saal, befahl allen denen, die irgend transportfähig seien, sich
bereit zu machen, auf den ersten Befehl mit der hartbedrängten Besatzung abzu¬
marschieren, bezeichnete schon einige Leichtverwundete, die marschfähig seien, und
andre, für die Wagen zu requirieren wären; von der Mehrzahl, die übrig blieb,
sprach er nicht; man wußte zur Genüge, daß sie dein Feind in die Hände fallen
würde. Das tiefe Schweigen unterbrach ein Typhusrckouvaleszent, Schlesier, an¬
geblich Jude, mit der angebrachten Frage, ob die Weiße Flagge mit dem roten
Kreuz bereit sei, unter der man sich etwaiger Übergriffe der siegreich eindringenden
zu erwehren habe. Der Arzt verriet seine Nervosität uns in solchen Dingen
empfindlichen Soldaten dadurch, daß er nicht das in solchen Fällen übliche "Halten
Sie das Maul, bis Sie gefragt werden" fand, sondern etwas Unsicheres brummte.
Außen kam das Gefecht offenbar näher, am offnen Fenster hörte man Trompeten-
signale, Trommeln, die zu einem Sturmangriff einschlugen: Die brummen, es sind
französische, unsre klopfen Heller, sagten unsre Kenner; dann Salven: siebengliedrig,
die war gut, das waren Unsre. Dann wiederholte Salven und zerstreutes Gewehr¬
feuer, das sich entfernte. Unterdessen hatte sich alles fertig gemacht, was nnr gehn
konnte, und es stellte sich im Mittelgang des Saales eine Elitetruppe auf, in der
jeder Einzelne würdig gewesen wäre, einem Karikaturisten als Modell zu dienen.
Verbnndne Köpfe, umwickelte Hälse, Arme in Schlingen, Füße in Bekleidungen
jeder Art und Größe, und auf das alles die Unifvrmstücke gezwängt, der Tor¬
nister uns- und das Seitengewehr unigeschnallt, so stand die mehr als falstaffische


das Auge der weltlichen Gewohnheit entäußert hat, beständig zwischen groß und
klein zu unterscheiden, und nun immer das Große im Kleinen sieht, hat die Welt
keinen Reiz mehr für uns. Heimweh? Welches Heimweh meinen Sie? Das
Heimweh, das zurückschallt, oder das Heimweh nach dem Frieden, der Ruhe vor
uns? Wir schauen vorwärts. Auch darin ist unser inneres Auge anders gewöhnt.
Vielleicht ist kein Vorwurf, den man uns macht, berechtigter als der des geringen
Interesses für Familienangelegenheiten unsrer Kranken. Sie unterhalten uns von
nichts lieber als davon und fordern natürlich unsre Teilnahme dafür; wir aber,
gewohnt nach oben und nach unten zu sehen, verstehn nicht mehr so recht zu
unterscheiden, was draußen jenseits der Mauern unsrer Krankenzimmer vorgeht.
Vielleicht, sagte sie lächelnd, verstehn wir uns eben deshalb so gut mit den
Soldaten, die sich ja auch aus ihren Familienbanden haben lösen müssen, um in
neue Verbindungen einzutreten, die vorübergehend vielleicht fast so fest wie die
unsern sind.




Meine Erinnerungen haben mich weit über die numme des alten Lazaretts
hinausgeführt, wo ich die ersten Erfahrungen im Krankenleben und -sterben sammelte;
ich mochte noch von den letzten Tagen erzählen, die ich darin verlebte.

Bis Ende November hatte uns die rauhe Wirklichkeit des Kriegs in unsern
Krankensälen verschont. Nur Botschaften und Gerüchte drangen zu uns, sie kamen
von ziemlich weit her, denn unsre Truppen waren seit Wochen im Vordringen; auch
brachten die Transporte nnr einzelne Verwundete, und die Gerüchte erzählten auch
nur von einzelnen Gefallnen. Daß es nicht so bleiben werde, war klar. Die ersten
Sturmvögel waren wie gewöhnlich die Franzosen selbst, die Bewohner der Stadt,
die kecker wurden, sich in auffallend großer Zahl auf deu Straßen versmumelteu und
einander wichtige Nachrichten zuzuflüstern hatten. Wir hörten davon durch die
Krankenwärter, die manchmal etwas niedergeschlagen Von ihren Gängen in die
Stadt zurückkehrten, und durch eine» der Unterärzte, der leider gar kein Held war,
sondern in der häßlichen nervösen Feigheit der Gebildeten alles schwarz sah und
Befürchtungen selbst uns gegenüber um den Tag legte.

An einem der früh dunkeln Dezembernachmittage hörte man ein stärkeres
Gewehrfeuer, dichter als sonst und ohne Zweifel rasch näher kommend. Der jüngere
Arzt, der von uns allen am wenigsten zu fürchten hatte, kam in etwas aufgeregter
Stimmung in den Saal, befahl allen denen, die irgend transportfähig seien, sich
bereit zu machen, auf den ersten Befehl mit der hartbedrängten Besatzung abzu¬
marschieren, bezeichnete schon einige Leichtverwundete, die marschfähig seien, und
andre, für die Wagen zu requirieren wären; von der Mehrzahl, die übrig blieb,
sprach er nicht; man wußte zur Genüge, daß sie dein Feind in die Hände fallen
würde. Das tiefe Schweigen unterbrach ein Typhusrckouvaleszent, Schlesier, an¬
geblich Jude, mit der angebrachten Frage, ob die Weiße Flagge mit dem roten
Kreuz bereit sei, unter der man sich etwaiger Übergriffe der siegreich eindringenden
zu erwehren habe. Der Arzt verriet seine Nervosität uns in solchen Dingen
empfindlichen Soldaten dadurch, daß er nicht das in solchen Fällen übliche „Halten
Sie das Maul, bis Sie gefragt werden" fand, sondern etwas Unsicheres brummte.
Außen kam das Gefecht offenbar näher, am offnen Fenster hörte man Trompeten-
signale, Trommeln, die zu einem Sturmangriff einschlugen: Die brummen, es sind
französische, unsre klopfen Heller, sagten unsre Kenner; dann Salven: siebengliedrig,
die war gut, das waren Unsre. Dann wiederholte Salven und zerstreutes Gewehr¬
feuer, das sich entfernte. Unterdessen hatte sich alles fertig gemacht, was nnr gehn
konnte, und es stellte sich im Mittelgang des Saales eine Elitetruppe auf, in der
jeder Einzelne würdig gewesen wäre, einem Karikaturisten als Modell zu dienen.
Verbnndne Köpfe, umwickelte Hälse, Arme in Schlingen, Füße in Bekleidungen
jeder Art und Größe, und auf das alles die Unifvrmstücke gezwängt, der Tor¬
nister uns- und das Seitengewehr unigeschnallt, so stand die mehr als falstaffische


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[0351] das Auge der weltlichen Gewohnheit entäußert hat, beständig zwischen groß und klein zu unterscheiden, und nun immer das Große im Kleinen sieht, hat die Welt keinen Reiz mehr für uns. Heimweh? Welches Heimweh meinen Sie? Das Heimweh, das zurückschallt, oder das Heimweh nach dem Frieden, der Ruhe vor uns? Wir schauen vorwärts. Auch darin ist unser inneres Auge anders gewöhnt. Vielleicht ist kein Vorwurf, den man uns macht, berechtigter als der des geringen Interesses für Familienangelegenheiten unsrer Kranken. Sie unterhalten uns von nichts lieber als davon und fordern natürlich unsre Teilnahme dafür; wir aber, gewohnt nach oben und nach unten zu sehen, verstehn nicht mehr so recht zu unterscheiden, was draußen jenseits der Mauern unsrer Krankenzimmer vorgeht. Vielleicht, sagte sie lächelnd, verstehn wir uns eben deshalb so gut mit den Soldaten, die sich ja auch aus ihren Familienbanden haben lösen müssen, um in neue Verbindungen einzutreten, die vorübergehend vielleicht fast so fest wie die unsern sind. Meine Erinnerungen haben mich weit über die numme des alten Lazaretts hinausgeführt, wo ich die ersten Erfahrungen im Krankenleben und -sterben sammelte; ich mochte noch von den letzten Tagen erzählen, die ich darin verlebte. Bis Ende November hatte uns die rauhe Wirklichkeit des Kriegs in unsern Krankensälen verschont. Nur Botschaften und Gerüchte drangen zu uns, sie kamen von ziemlich weit her, denn unsre Truppen waren seit Wochen im Vordringen; auch brachten die Transporte nnr einzelne Verwundete, und die Gerüchte erzählten auch nur von einzelnen Gefallnen. Daß es nicht so bleiben werde, war klar. Die ersten Sturmvögel waren wie gewöhnlich die Franzosen selbst, die Bewohner der Stadt, die kecker wurden, sich in auffallend großer Zahl auf deu Straßen versmumelteu und einander wichtige Nachrichten zuzuflüstern hatten. Wir hörten davon durch die Krankenwärter, die manchmal etwas niedergeschlagen Von ihren Gängen in die Stadt zurückkehrten, und durch eine» der Unterärzte, der leider gar kein Held war, sondern in der häßlichen nervösen Feigheit der Gebildeten alles schwarz sah und Befürchtungen selbst uns gegenüber um den Tag legte. An einem der früh dunkeln Dezembernachmittage hörte man ein stärkeres Gewehrfeuer, dichter als sonst und ohne Zweifel rasch näher kommend. Der jüngere Arzt, der von uns allen am wenigsten zu fürchten hatte, kam in etwas aufgeregter Stimmung in den Saal, befahl allen denen, die irgend transportfähig seien, sich bereit zu machen, auf den ersten Befehl mit der hartbedrängten Besatzung abzu¬ marschieren, bezeichnete schon einige Leichtverwundete, die marschfähig seien, und andre, für die Wagen zu requirieren wären; von der Mehrzahl, die übrig blieb, sprach er nicht; man wußte zur Genüge, daß sie dein Feind in die Hände fallen würde. Das tiefe Schweigen unterbrach ein Typhusrckouvaleszent, Schlesier, an¬ geblich Jude, mit der angebrachten Frage, ob die Weiße Flagge mit dem roten Kreuz bereit sei, unter der man sich etwaiger Übergriffe der siegreich eindringenden zu erwehren habe. Der Arzt verriet seine Nervosität uns in solchen Dingen empfindlichen Soldaten dadurch, daß er nicht das in solchen Fällen übliche „Halten Sie das Maul, bis Sie gefragt werden" fand, sondern etwas Unsicheres brummte. Außen kam das Gefecht offenbar näher, am offnen Fenster hörte man Trompeten- signale, Trommeln, die zu einem Sturmangriff einschlugen: Die brummen, es sind französische, unsre klopfen Heller, sagten unsre Kenner; dann Salven: siebengliedrig, die war gut, das waren Unsre. Dann wiederholte Salven und zerstreutes Gewehr¬ feuer, das sich entfernte. Unterdessen hatte sich alles fertig gemacht, was nnr gehn konnte, und es stellte sich im Mittelgang des Saales eine Elitetruppe auf, in der jeder Einzelne würdig gewesen wäre, einem Karikaturisten als Modell zu dienen. Verbnndne Köpfe, umwickelte Hälse, Arme in Schlingen, Füße in Bekleidungen jeder Art und Größe, und auf das alles die Unifvrmstücke gezwängt, der Tor¬ nister uns- und das Seitengewehr unigeschnallt, so stand die mehr als falstaffische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/351>, abgerufen am 25.07.2024.