Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.Feuer! hatten fast einen irrsinnigen Ausdruck. Der Sturm peitschte die unzähligen Löckchen Ich werde gleich anspannen lassen, Marja Jwanowna. Beruhigen Sie sich Eilen Sie, eilen Sie! schrie sie. Mama! Mama! Der Bauer kam in diesem Augenblick ans einem ""gesattelten Pferde an. Ein Sie werden doch schnell hin müsse", Euer Wohlgebore", sagte er. In der Not Ich hatte schon die Zügel gefaßt. Marja Jwanowna, ich bitte Sie, ruhig zu sein. Ihrer Mama geschieht Eilen Sie, eilen Sie! kreischte sie, und sie stampfte mit dem Fuße. Ich warf mich auf deu Rücken des Pferdes. Wir jagten davon. Schneller Gott sei Dank! es brennen nur wenig Häuser, rief ich dem Bauern zu. Das Sagen Sie das nicht, Euer Wohlgebvrc", gab er zur Antwort. Der Wind 21 Da waren wir bei de" ersten Häusern, und wie die Hufe unsrer Pferde nur Zu Pferde ging es zuletzt nicht mehr. Ich warf dem Bauer" die Zügel zu Hier also hatte die Feuersbrunst begonnen. Von hier hatte sie sich weiter Rechts, woher ich am Morgen gekommen war, und wo die Schenke lag^ in Feuer! hatten fast einen irrsinnigen Ausdruck. Der Sturm peitschte die unzähligen Löckchen Ich werde gleich anspannen lassen, Marja Jwanowna. Beruhigen Sie sich Eilen Sie, eilen Sie! schrie sie. Mama! Mama! Der Bauer kam in diesem Augenblick ans einem »»gesattelten Pferde an. Ein Sie werden doch schnell hin müsse», Euer Wohlgebore», sagte er. In der Not Ich hatte schon die Zügel gefaßt. Marja Jwanowna, ich bitte Sie, ruhig zu sein. Ihrer Mama geschieht Eilen Sie, eilen Sie! kreischte sie, und sie stampfte mit dem Fuße. Ich warf mich auf deu Rücken des Pferdes. Wir jagten davon. Schneller Gott sei Dank! es brennen nur wenig Häuser, rief ich dem Bauern zu. Das Sagen Sie das nicht, Euer Wohlgebvrc», gab er zur Antwort. Der Wind 21 Da waren wir bei de» ersten Häusern, und wie die Hufe unsrer Pferde nur Zu Pferde ging es zuletzt nicht mehr. Ich warf dem Bauer» die Zügel zu Hier also hatte die Feuersbrunst begonnen. Von hier hatte sie sich weiter Rechts, woher ich am Morgen gekommen war, und wo die Schenke lag^ in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0294" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240676"/> <fw type="header" place="top"> Feuer!</fw><lb/> <p xml:id="ID_1436" prev="#ID_1435"> hatten fast einen irrsinnigen Ausdruck. Der Sturm peitschte die unzähligen Löckchen<lb/> um die Stirn und die Schläfen, wodurch das unnatürlich bleiche Gesicht einen ein¬<lb/> fältigen Ausdruck erhielt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1437"> Ich werde gleich anspannen lassen, Marja Jwanowna. Beruhigen Sie sich<lb/> mir. Ich werde nach Mama sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1438"> Eilen Sie, eilen Sie! schrie sie. Mama! Mama!</p><lb/> <p xml:id="ID_1439"> Der Bauer kam in diesem Augenblick ans einem »»gesattelten Pferde an. Ein<lb/> andres ebenfalls ungcsatteltes Pferd führte er am Zügel.</p><lb/> <p xml:id="ID_1440"> Sie werden doch schnell hin müsse», Euer Wohlgebore», sagte er. In der Not<lb/> können Sie wohl auch ohne Sattel . . .</p><lb/> <p xml:id="ID_1441"> Ich hatte schon die Zügel gefaßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1442"> Marja Jwanowna, ich bitte Sie, ruhig zu sein. Ihrer Mama geschieht<lb/> doch nichts!</p><lb/> <p xml:id="ID_1443"> Eilen Sie, eilen Sie! kreischte sie, und sie stampfte mit dem Fuße.</p><lb/> <p xml:id="ID_1444"> Ich warf mich auf deu Rücken des Pferdes. Wir jagten davon. Schneller<lb/> und schneller flogen wir dahin, als wollten wir den Sturm überhole». Bald<lb/> sahen wir die Gebäude. Wir erkannten den Rauch deutlicher. Er schaute sich<lb/> immer schwärzer an. Der Brand nahm also an Stärke z». Auszudehnen schien er<lb/> sich jedoch nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1445"> Gott sei Dank! es brennen nur wenig Häuser, rief ich dem Bauern zu. Das<lb/> Feuer ist nicht breit.</p><lb/> <p xml:id="ID_1446"> Sagen Sie das nicht, Euer Wohlgebvrc», gab er zur Antwort. Der Wind<lb/> läßt das Feuer uicht in die Breite gehn, aber Gott weiß, wie weit es sich in die<lb/> Länge fortgefressen hat!</p><lb/> <div n="2"> <head> 21</head><lb/> <p xml:id="ID_1447"> Da waren wir bei de» ersten Häusern, und wie die Hufe unsrer Pferde nur<lb/> auf dem Pflaster zu klappern begannen, sahe» wir uns gezwungen, Trab und gleich<lb/> darauf Schritt zu reiten. Die Straße erwies sich gefüllt und bald gesperrt durch<lb/> alle mögliche Gegenstände, die aus brennenden oder in Gesahr stehenden Häusern<lb/> hierher gegen den Wind in Sicherheit gebracht worde» waren. Da gab es Haufen und<lb/> ganze Berge von Möbeln und Hansgerät, von Bette», Kissen, Bündel» »»d Packen.<lb/> Bei und zwischen den Sachen hockten und standen Menschen aller Klassen, meist<lb/> Frauen und Kinder, weinten und klagten, sahen düster vor sich hin oder starrten<lb/> ans den Rauch, der über oder hinter dem Markt sichtbar war u»d in schwarzen<lb/> oder gelblichen Ballen aufstieg, die, von der Gewalt des Windes sofort zerrissen,<lb/> in eine graue Masse verschmolzen oder zu streife» vo» hellerer und dunklerer<lb/> Farbe umgeformt wurden. Durch die Zwischenräume der die Aussicht hemmenden<lb/> Gebäude erglühte dann und wann der Rauch im Feuerschein oder wurde von so¬<lb/> gleich wieder verschwindenden Feuerstrahlen durchbrochen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1448"> Zu Pferde ging es zuletzt nicht mehr. Ich warf dem Bauer» die Zügel zu<lb/> und drang zu Fuß vorwärts. Auch so wurde es mir schwer, mir durch die sich<lb/> verdichtende Menge der Menschen und ihres Eigentums den Weg zu bahnen. Ich<lb/> kletterte über barrikadcnnrtige Anhäufungen. Ich wand mich rechts und links, und<lb/> wie ich fast schon die Hoffnung verlor, durchzukommen, wurde es in der Straße<lb/> plötzlich leer und frei. Zugleich schlug mir scharfer Brandgeruch in die Nase.<lb/> Leichter, weißlicher Rauch trübte wie Nebel die Luft. Rechts und links zeigten<lb/> sich dampfende Überbleibsel eingestürzter hölzerner Hütten und ausgebrannte Mauern<lb/> kleiner steinerner Häuser, in deren Jnnern die letzten Reste der Sparren und Decken<lb/> noch glimmten oder trallernd u»d knallend zu Ende brannte».</p><lb/> <p xml:id="ID_1449"> Hier also hatte die Feuersbrunst begonnen. Von hier hatte sie sich weiter<lb/> fortgepflanzt. Ich suchte mich zurechtzufinden. Ich rückte noch einige Schritte vor<lb/> und stand auf dem Markt, den ich vor Rauch u»d wegen des veränderte» Aus¬<lb/> sehens der zu ihm führenden Straße nicht erkannt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1450" next="#ID_1451"> Rechts, woher ich am Morgen gekommen war, und wo die Schenke lag^ in</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0294]
Feuer!
hatten fast einen irrsinnigen Ausdruck. Der Sturm peitschte die unzähligen Löckchen
um die Stirn und die Schläfen, wodurch das unnatürlich bleiche Gesicht einen ein¬
fältigen Ausdruck erhielt.
Ich werde gleich anspannen lassen, Marja Jwanowna. Beruhigen Sie sich
mir. Ich werde nach Mama sehen.
Eilen Sie, eilen Sie! schrie sie. Mama! Mama!
Der Bauer kam in diesem Augenblick ans einem »»gesattelten Pferde an. Ein
andres ebenfalls ungcsatteltes Pferd führte er am Zügel.
Sie werden doch schnell hin müsse», Euer Wohlgebore», sagte er. In der Not
können Sie wohl auch ohne Sattel . . .
Ich hatte schon die Zügel gefaßt.
Marja Jwanowna, ich bitte Sie, ruhig zu sein. Ihrer Mama geschieht
doch nichts!
Eilen Sie, eilen Sie! kreischte sie, und sie stampfte mit dem Fuße.
Ich warf mich auf deu Rücken des Pferdes. Wir jagten davon. Schneller
und schneller flogen wir dahin, als wollten wir den Sturm überhole». Bald
sahen wir die Gebäude. Wir erkannten den Rauch deutlicher. Er schaute sich
immer schwärzer an. Der Brand nahm also an Stärke z». Auszudehnen schien er
sich jedoch nicht.
Gott sei Dank! es brennen nur wenig Häuser, rief ich dem Bauern zu. Das
Feuer ist nicht breit.
Sagen Sie das nicht, Euer Wohlgebvrc», gab er zur Antwort. Der Wind
läßt das Feuer uicht in die Breite gehn, aber Gott weiß, wie weit es sich in die
Länge fortgefressen hat!
21
Da waren wir bei de» ersten Häusern, und wie die Hufe unsrer Pferde nur
auf dem Pflaster zu klappern begannen, sahe» wir uns gezwungen, Trab und gleich
darauf Schritt zu reiten. Die Straße erwies sich gefüllt und bald gesperrt durch
alle mögliche Gegenstände, die aus brennenden oder in Gesahr stehenden Häusern
hierher gegen den Wind in Sicherheit gebracht worde» waren. Da gab es Haufen und
ganze Berge von Möbeln und Hansgerät, von Bette», Kissen, Bündel» »»d Packen.
Bei und zwischen den Sachen hockten und standen Menschen aller Klassen, meist
Frauen und Kinder, weinten und klagten, sahen düster vor sich hin oder starrten
ans den Rauch, der über oder hinter dem Markt sichtbar war u»d in schwarzen
oder gelblichen Ballen aufstieg, die, von der Gewalt des Windes sofort zerrissen,
in eine graue Masse verschmolzen oder zu streife» vo» hellerer und dunklerer
Farbe umgeformt wurden. Durch die Zwischenräume der die Aussicht hemmenden
Gebäude erglühte dann und wann der Rauch im Feuerschein oder wurde von so¬
gleich wieder verschwindenden Feuerstrahlen durchbrochen.
Zu Pferde ging es zuletzt nicht mehr. Ich warf dem Bauer» die Zügel zu
und drang zu Fuß vorwärts. Auch so wurde es mir schwer, mir durch die sich
verdichtende Menge der Menschen und ihres Eigentums den Weg zu bahnen. Ich
kletterte über barrikadcnnrtige Anhäufungen. Ich wand mich rechts und links, und
wie ich fast schon die Hoffnung verlor, durchzukommen, wurde es in der Straße
plötzlich leer und frei. Zugleich schlug mir scharfer Brandgeruch in die Nase.
Leichter, weißlicher Rauch trübte wie Nebel die Luft. Rechts und links zeigten
sich dampfende Überbleibsel eingestürzter hölzerner Hütten und ausgebrannte Mauern
kleiner steinerner Häuser, in deren Jnnern die letzten Reste der Sparren und Decken
noch glimmten oder trallernd u»d knallend zu Ende brannte».
Hier also hatte die Feuersbrunst begonnen. Von hier hatte sie sich weiter
fortgepflanzt. Ich suchte mich zurechtzufinden. Ich rückte noch einige Schritte vor
und stand auf dem Markt, den ich vor Rauch u»d wegen des veränderte» Aus¬
sehens der zu ihm führenden Straße nicht erkannt hatte.
Rechts, woher ich am Morgen gekommen war, und wo die Schenke lag^ in
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |