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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Im Lazarett

nur zögernd, unsicher folgt. Man hört Schüsse auf allen Seiten, ihre Patrouillen
scheinen um uns zu wimmeln, wir erwarten im ersten Morgenlicht ein Heer von
Helmspitzen auftauchen zu sehen. Halt! ruft mein Nachbar, hält mich am Arm
zurück und deutet bloß auf ein stangenartiges gerades Birkenstämmchen, das ihm
eine Ulanenlanze vorgetäuscht hatte. Der Lärm legt sich, man sagt, es seien feind¬
liche Patrouillen aus Versehen in unsre Linie geraten. Das müssen Waghälse sein,
die sich so versehen!

Eine wellige Ebne, wenig Wald, ziemlich viel Dörfer, so war das Land östlich
von nus. Es schien uns gefährlich zu sein, denn es konnte Tausende von Feinden
in seinen flachen Mulden, hinter den Hecken und niedrigen Mauern der Äcker
bergen; Armeen konnten hier verschwinden und wieder auftauchen, und niemand
wußte wohin? woher? So waren wir denn in der größten Ungewißheit, ob wir
nicht mitten ins Verderben hineimnarschierten, und konnten trotz des anfeuernden
Tagesbefehls Chanzys, der uns gestern verlesen worden war, nicht die Überzeugung
gewinnen, daß wir siegen würden oder müßten. Junge Offiziere, die ausgesandt
waren, den nahen Feind auszukundschaften, kamen herangesprengt, als sei ihnen
eine Armee auf den Fersen. Große Massen marschieren gegen uns, riefen sie.
Was? O, das konnte ich nicht genau sehen, ich glaube, es sind Feinde! Zum
Glück waren es zu der Stunde noch welche von den Unsern. Damals sah im Schnee
jeder Truppenkörper schwarzgrau aus. Diese jungen Leute riskierten nicht, den
Schuß auf sich zu ziehn, der ihre Zweifel zerstreut hätte. Wir arbeiteten uns in
derselben Unsicherheit weiter. Nun halt! Das bedeutete zunächst Niederwerfen, wo
eben gerade einer stand. Ich saß neben dem Sergeanten auf dem Rande des
Straßengrabens, seiue Hand berührte mich, und als ich ihn zufällig ansah, winkte
er mir zu, und ich sah die Spitze seines Schnurrbarts auf ein Dorf rechts um
äußersten Horizont hinweisen, über dem ganz tief eine lange weiße Wolke lag.
Manchmal sah man kleine Wölkchen darüber aufsteigen, sich auflösen und in der
langen Bank verschwinden: Dort wird geschossen, es sind Granaten, der Wind
trägt den Schall von uns weg; gib acht, wir werden gleich einschwenken und
Pulver riechen.

Wir rückten bald weiter vor, glücklicherweise nicht geradeswegs auf das Schlacht¬
feld, sondern halbrechts. Aha, sagte man, die Taktik der Preußen, wir werden sie
überflügeln. Diese Taktik imponierte uns sehr; die, die bei Loigny gewesen waren,
behaupteten, es sei ein wahrer Unsinn, den Stier bei den Hörnern fassen zu wollen.
Ich hatte auch sagen hören: Wenn man Truppen hat wie das fünfzehnte Korps,
das die Befestigungen von Orleans fast ohne Verteidigung verlassen hat, muß man
froh sein, wenn man den Feind an seiner schwächsten Stelle umgehn kann.

Wir kamen jetzt auf eine andre Landstraße, an der wir uus neuerdings auf¬
stellten. Nicht lange dauerte es, so sahen wir eine lange Wagenreihe, träge Ochsen¬
wagen herankommen, auf denen Verwundete lagen, die hinter uus abgeladen wurden,
damit sie im Freien verbunden würden. Später sollten sie weitergeschafft werden,
doch haben wir sie in der kalten Nacht dieses Tages noch daliegen sehen, und ohne
das Hilferufen Einzelner wären unsre Batterien über sie weggefahren. Der An¬
blick dieser blutigen Leute, wie sie da auf die Erde gebettet wurden, war nicht er¬
mutigend. Wir marschierten über das Feld, die Erde war feucht, die Füße waren
bald zu schwere" Klumpen geworden. Nun hörte man schon die Gewehre trällern,
die Hellem sagte man, sind unsre RcnnngtonS, die bum! bum! sind die, die deutsch
sprechen. Zeitweise rollte das Gewehrfeuer minutenlang ununterbrochen fort.
Wir durchschreiten einen trocknen Graben und ersteigen dessen jenseitigen Rand, da
sehen wir schon ans dem Abhang, der sich langsam gegen das Dorf senkt, Haufen
von den Unsern hinter Hecken, in Gräben knieend und liegend schießen, Unter¬
offiziere und Offiziere stehn hinter ihnen oder huschen gebückt von einer Gruppe
zur andern. In diese Reihe rückten wir ein, sie machte ans beiden Seiten Platz,
man wies uns an, wie wir uns verteilen sollten und zeigte die Richtung, in der


Im Lazarett

nur zögernd, unsicher folgt. Man hört Schüsse auf allen Seiten, ihre Patrouillen
scheinen um uns zu wimmeln, wir erwarten im ersten Morgenlicht ein Heer von
Helmspitzen auftauchen zu sehen. Halt! ruft mein Nachbar, hält mich am Arm
zurück und deutet bloß auf ein stangenartiges gerades Birkenstämmchen, das ihm
eine Ulanenlanze vorgetäuscht hatte. Der Lärm legt sich, man sagt, es seien feind¬
liche Patrouillen aus Versehen in unsre Linie geraten. Das müssen Waghälse sein,
die sich so versehen!

Eine wellige Ebne, wenig Wald, ziemlich viel Dörfer, so war das Land östlich
von nus. Es schien uns gefährlich zu sein, denn es konnte Tausende von Feinden
in seinen flachen Mulden, hinter den Hecken und niedrigen Mauern der Äcker
bergen; Armeen konnten hier verschwinden und wieder auftauchen, und niemand
wußte wohin? woher? So waren wir denn in der größten Ungewißheit, ob wir
nicht mitten ins Verderben hineimnarschierten, und konnten trotz des anfeuernden
Tagesbefehls Chanzys, der uns gestern verlesen worden war, nicht die Überzeugung
gewinnen, daß wir siegen würden oder müßten. Junge Offiziere, die ausgesandt
waren, den nahen Feind auszukundschaften, kamen herangesprengt, als sei ihnen
eine Armee auf den Fersen. Große Massen marschieren gegen uns, riefen sie.
Was? O, das konnte ich nicht genau sehen, ich glaube, es sind Feinde! Zum
Glück waren es zu der Stunde noch welche von den Unsern. Damals sah im Schnee
jeder Truppenkörper schwarzgrau aus. Diese jungen Leute riskierten nicht, den
Schuß auf sich zu ziehn, der ihre Zweifel zerstreut hätte. Wir arbeiteten uns in
derselben Unsicherheit weiter. Nun halt! Das bedeutete zunächst Niederwerfen, wo
eben gerade einer stand. Ich saß neben dem Sergeanten auf dem Rande des
Straßengrabens, seiue Hand berührte mich, und als ich ihn zufällig ansah, winkte
er mir zu, und ich sah die Spitze seines Schnurrbarts auf ein Dorf rechts um
äußersten Horizont hinweisen, über dem ganz tief eine lange weiße Wolke lag.
Manchmal sah man kleine Wölkchen darüber aufsteigen, sich auflösen und in der
langen Bank verschwinden: Dort wird geschossen, es sind Granaten, der Wind
trägt den Schall von uns weg; gib acht, wir werden gleich einschwenken und
Pulver riechen.

Wir rückten bald weiter vor, glücklicherweise nicht geradeswegs auf das Schlacht¬
feld, sondern halbrechts. Aha, sagte man, die Taktik der Preußen, wir werden sie
überflügeln. Diese Taktik imponierte uns sehr; die, die bei Loigny gewesen waren,
behaupteten, es sei ein wahrer Unsinn, den Stier bei den Hörnern fassen zu wollen.
Ich hatte auch sagen hören: Wenn man Truppen hat wie das fünfzehnte Korps,
das die Befestigungen von Orleans fast ohne Verteidigung verlassen hat, muß man
froh sein, wenn man den Feind an seiner schwächsten Stelle umgehn kann.

Wir kamen jetzt auf eine andre Landstraße, an der wir uus neuerdings auf¬
stellten. Nicht lange dauerte es, so sahen wir eine lange Wagenreihe, träge Ochsen¬
wagen herankommen, auf denen Verwundete lagen, die hinter uus abgeladen wurden,
damit sie im Freien verbunden würden. Später sollten sie weitergeschafft werden,
doch haben wir sie in der kalten Nacht dieses Tages noch daliegen sehen, und ohne
das Hilferufen Einzelner wären unsre Batterien über sie weggefahren. Der An¬
blick dieser blutigen Leute, wie sie da auf die Erde gebettet wurden, war nicht er¬
mutigend. Wir marschierten über das Feld, die Erde war feucht, die Füße waren
bald zu schwere» Klumpen geworden. Nun hörte man schon die Gewehre trällern,
die Hellem sagte man, sind unsre RcnnngtonS, die bum! bum! sind die, die deutsch
sprechen. Zeitweise rollte das Gewehrfeuer minutenlang ununterbrochen fort.
Wir durchschreiten einen trocknen Graben und ersteigen dessen jenseitigen Rand, da
sehen wir schon ans dem Abhang, der sich langsam gegen das Dorf senkt, Haufen
von den Unsern hinter Hecken, in Gräben knieend und liegend schießen, Unter¬
offiziere und Offiziere stehn hinter ihnen oder huschen gebückt von einer Gruppe
zur andern. In diese Reihe rückten wir ein, sie machte ans beiden Seiten Platz,
man wies uns an, wie wir uns verteilen sollten und zeigte die Richtung, in der


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[0290] Im Lazarett nur zögernd, unsicher folgt. Man hört Schüsse auf allen Seiten, ihre Patrouillen scheinen um uns zu wimmeln, wir erwarten im ersten Morgenlicht ein Heer von Helmspitzen auftauchen zu sehen. Halt! ruft mein Nachbar, hält mich am Arm zurück und deutet bloß auf ein stangenartiges gerades Birkenstämmchen, das ihm eine Ulanenlanze vorgetäuscht hatte. Der Lärm legt sich, man sagt, es seien feind¬ liche Patrouillen aus Versehen in unsre Linie geraten. Das müssen Waghälse sein, die sich so versehen! Eine wellige Ebne, wenig Wald, ziemlich viel Dörfer, so war das Land östlich von nus. Es schien uns gefährlich zu sein, denn es konnte Tausende von Feinden in seinen flachen Mulden, hinter den Hecken und niedrigen Mauern der Äcker bergen; Armeen konnten hier verschwinden und wieder auftauchen, und niemand wußte wohin? woher? So waren wir denn in der größten Ungewißheit, ob wir nicht mitten ins Verderben hineimnarschierten, und konnten trotz des anfeuernden Tagesbefehls Chanzys, der uns gestern verlesen worden war, nicht die Überzeugung gewinnen, daß wir siegen würden oder müßten. Junge Offiziere, die ausgesandt waren, den nahen Feind auszukundschaften, kamen herangesprengt, als sei ihnen eine Armee auf den Fersen. Große Massen marschieren gegen uns, riefen sie. Was? O, das konnte ich nicht genau sehen, ich glaube, es sind Feinde! Zum Glück waren es zu der Stunde noch welche von den Unsern. Damals sah im Schnee jeder Truppenkörper schwarzgrau aus. Diese jungen Leute riskierten nicht, den Schuß auf sich zu ziehn, der ihre Zweifel zerstreut hätte. Wir arbeiteten uns in derselben Unsicherheit weiter. Nun halt! Das bedeutete zunächst Niederwerfen, wo eben gerade einer stand. Ich saß neben dem Sergeanten auf dem Rande des Straßengrabens, seiue Hand berührte mich, und als ich ihn zufällig ansah, winkte er mir zu, und ich sah die Spitze seines Schnurrbarts auf ein Dorf rechts um äußersten Horizont hinweisen, über dem ganz tief eine lange weiße Wolke lag. Manchmal sah man kleine Wölkchen darüber aufsteigen, sich auflösen und in der langen Bank verschwinden: Dort wird geschossen, es sind Granaten, der Wind trägt den Schall von uns weg; gib acht, wir werden gleich einschwenken und Pulver riechen. Wir rückten bald weiter vor, glücklicherweise nicht geradeswegs auf das Schlacht¬ feld, sondern halbrechts. Aha, sagte man, die Taktik der Preußen, wir werden sie überflügeln. Diese Taktik imponierte uns sehr; die, die bei Loigny gewesen waren, behaupteten, es sei ein wahrer Unsinn, den Stier bei den Hörnern fassen zu wollen. Ich hatte auch sagen hören: Wenn man Truppen hat wie das fünfzehnte Korps, das die Befestigungen von Orleans fast ohne Verteidigung verlassen hat, muß man froh sein, wenn man den Feind an seiner schwächsten Stelle umgehn kann. Wir kamen jetzt auf eine andre Landstraße, an der wir uus neuerdings auf¬ stellten. Nicht lange dauerte es, so sahen wir eine lange Wagenreihe, träge Ochsen¬ wagen herankommen, auf denen Verwundete lagen, die hinter uus abgeladen wurden, damit sie im Freien verbunden würden. Später sollten sie weitergeschafft werden, doch haben wir sie in der kalten Nacht dieses Tages noch daliegen sehen, und ohne das Hilferufen Einzelner wären unsre Batterien über sie weggefahren. Der An¬ blick dieser blutigen Leute, wie sie da auf die Erde gebettet wurden, war nicht er¬ mutigend. Wir marschierten über das Feld, die Erde war feucht, die Füße waren bald zu schwere» Klumpen geworden. Nun hörte man schon die Gewehre trällern, die Hellem sagte man, sind unsre RcnnngtonS, die bum! bum! sind die, die deutsch sprechen. Zeitweise rollte das Gewehrfeuer minutenlang ununterbrochen fort. Wir durchschreiten einen trocknen Graben und ersteigen dessen jenseitigen Rand, da sehen wir schon ans dem Abhang, der sich langsam gegen das Dorf senkt, Haufen von den Unsern hinter Hecken, in Gräben knieend und liegend schießen, Unter¬ offiziere und Offiziere stehn hinter ihnen oder huschen gebückt von einer Gruppe zur andern. In diese Reihe rückten wir ein, sie machte ans beiden Seiten Platz, man wies uns an, wie wir uns verteilen sollten und zeigte die Richtung, in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/290>, abgerufen am 28.08.2024.