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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Im Lazarett

öffnnng serais, liebten wir sie nicht. Später erhielten wir Nemingtous, die aber
nicht mehr losgingen, mis wir sie vierzehn Tage im Neger umhergetragen hüllen.
Wir waren immerhin besser daran als die armen Mobilen von der Ille-et-Villaine,
die Zündhütchengewehre hatten, mit denen sie gar nichts anzufangen wußten. Ist
es zu verwundern, wenn ein armer Kerl eine solche Flinte wegwirft, wenn sie ihm
auf dem Rückzug zu schwer wird? Mau läuft schlecht mit dem Gewehr auf der
Schulter, am besten wenn man die Hände frei hat. Bajonette empfingen viele,
als sie schon im Feuer gestanden hüllen. Man predigte uns den Elan beim
Bajonettangriff als die große Tugend der französischen Soldaten, und wie oft übten
wir diesen Angriff, aber ohne Bajonette! Ich dachte auf den Märschen nach, ob
man nicht in einer Zeit, wo soviel erfunden wurde, eine Erfindung macheu könne,
ein gehöriges Brodmesser auf die Flinte zu stecken.

Trotz der traurigen Figur, die wir machten, wurden wir in den Städten,
durch die wir marschierten, immer von zahlreichen Zuschauern mit den Rufen:
Vivo 1a roxubIia.Ul! und Vivv In, ssuorrv! empfangen. Die Damen winkten uns aus
den Fenstern. Ach, hätte ich doch einige von ihren feinen Tüchern gehabt, um sie
um meine wunden Füße zu binden, die in ihren groben Fußlappen gerade dann
oft furchtbar schmerzten, wenn wir über das schlechte Pflaster marschierten. Der
Hauptmann rief uns zu, recht stolz aufzutreten, um deu Bürgern zu zeigen, was
für Feldsoldnten wir seien. Jedoch wie soll man auftreten, wenn die Sohlen bluten?
Ich war nicht der einzige in der Sektion, der tagelang nur noch auf den äußern
Rändern der Füße gehn konnte. Das macht allerdings keinen kriegerischen Ein¬
druck. Wir wunderten uns im Anfang, als wir es noch nicht gewohnt waren, wie
unser Erscheinen soviel Begeisterung erregen konnte. Später sahen wir ein, daß
ihr Rufen und ihr Winken nicht uns armen Leuten galt, sondern der Fahne, die
man uns vvrnntrug. Ich dachte mir: Sie rufen so laut, um ihre Freude zu ver¬
bergen, daß sie nicht mit uns ins Feld müssen!

Abends im Quartier hörten wir ganz andre Stimmen, als die uns beim Einzug
aus den Fenstern gerufen hatten; zum Beispiel sagte eine Fran: Ihr armen Leute
seid gar keine Soldaten, und eure Befehlshaber sind gar keine Offiziere, sondern
Advokaten und Politiker. Wie feig müssen die Franzosen sein, sich so in den Krieg
führen zu lassen! Das war nicht tröstlich, und man mußte ihr Recht geben.

Der Krieg rüttelt auch die Neugier und den Vorwitz auf, daß die Menschen
ihre eignen Angelegenheiten vergessen und sich mit denen leidenschaftlich beschäftigen,
die sie nichts angehn. Statt froh zu sein, daß sie zuhause bleiben konnten, liefen
und sichren sie uns nach und gafften unsre Übungen an. Das war uns sehr un¬
bequem, denn wir wußten Wohl, daß wir nichts konnten.

Das Fett der Begeisterung und auch der ersten Neugier war denn auch bald
abgeschöpft, wir erregte" kein Interesse mehr, und da wir schwach waren, und
unsre Vorgesetzten sich reserviert hielten, behandelten uns die Leute schlechter. Was
wollt ihr? Der Schwache ist nicht beliebt. Das Mehr, was die Deutschen ihnen
abgenommen hatten, zogen sie an dem ab, was sie uns hätten geben müssen. Be¬
sonders die Städte behandelten die Kinder Frankreichs schlechter als den Feind.
Wir standen hungernd und frierend auf den Plätzen, während sich unsre Offiziere
mit den Bürgern herumflritten, und man hörte Stimmen: Wahrlich ein Bauernkrieg
gegen diese aufgeblasenen Bourgeois wäre schöner, als gegen die Deutschen zu Felde
zu zieh"! Aber auch unsre Bauern hoben Brot und Hafer für ihre Feinde auf.
Sie jammerten, wenn wir etwas wollten: Was tun wir, wenn nach euch die
Deutschen kommen? Landsleute, laßt uus soviel, daß sie uns nicht schlagen. Die
armen Leute bekamen nun Schläge von ihren Landsleuten. Schlagt nicht so zu,
rief einmal unser Hauptmann, als einige hungrige Mohne einen Bauern prügelten,
es ist kein Preuße, bewahrt eure Schläge für den Feind. Einer antwortete ihm:
Wenn diese ihr Brot für den Feind aufbewahren, dann wird der Feind uus mit
doppelter Kraft schlagen!

Das ist ein eutschiedncr Maugel, daß man uus Franzosen gelehrt hat, wenig


Im Lazarett

öffnnng serais, liebten wir sie nicht. Später erhielten wir Nemingtous, die aber
nicht mehr losgingen, mis wir sie vierzehn Tage im Neger umhergetragen hüllen.
Wir waren immerhin besser daran als die armen Mobilen von der Ille-et-Villaine,
die Zündhütchengewehre hatten, mit denen sie gar nichts anzufangen wußten. Ist
es zu verwundern, wenn ein armer Kerl eine solche Flinte wegwirft, wenn sie ihm
auf dem Rückzug zu schwer wird? Mau läuft schlecht mit dem Gewehr auf der
Schulter, am besten wenn man die Hände frei hat. Bajonette empfingen viele,
als sie schon im Feuer gestanden hüllen. Man predigte uns den Elan beim
Bajonettangriff als die große Tugend der französischen Soldaten, und wie oft übten
wir diesen Angriff, aber ohne Bajonette! Ich dachte auf den Märschen nach, ob
man nicht in einer Zeit, wo soviel erfunden wurde, eine Erfindung macheu könne,
ein gehöriges Brodmesser auf die Flinte zu stecken.

Trotz der traurigen Figur, die wir machten, wurden wir in den Städten,
durch die wir marschierten, immer von zahlreichen Zuschauern mit den Rufen:
Vivo 1a roxubIia.Ul! und Vivv In, ssuorrv! empfangen. Die Damen winkten uns aus
den Fenstern. Ach, hätte ich doch einige von ihren feinen Tüchern gehabt, um sie
um meine wunden Füße zu binden, die in ihren groben Fußlappen gerade dann
oft furchtbar schmerzten, wenn wir über das schlechte Pflaster marschierten. Der
Hauptmann rief uns zu, recht stolz aufzutreten, um deu Bürgern zu zeigen, was
für Feldsoldnten wir seien. Jedoch wie soll man auftreten, wenn die Sohlen bluten?
Ich war nicht der einzige in der Sektion, der tagelang nur noch auf den äußern
Rändern der Füße gehn konnte. Das macht allerdings keinen kriegerischen Ein¬
druck. Wir wunderten uns im Anfang, als wir es noch nicht gewohnt waren, wie
unser Erscheinen soviel Begeisterung erregen konnte. Später sahen wir ein, daß
ihr Rufen und ihr Winken nicht uns armen Leuten galt, sondern der Fahne, die
man uns vvrnntrug. Ich dachte mir: Sie rufen so laut, um ihre Freude zu ver¬
bergen, daß sie nicht mit uns ins Feld müssen!

Abends im Quartier hörten wir ganz andre Stimmen, als die uns beim Einzug
aus den Fenstern gerufen hatten; zum Beispiel sagte eine Fran: Ihr armen Leute
seid gar keine Soldaten, und eure Befehlshaber sind gar keine Offiziere, sondern
Advokaten und Politiker. Wie feig müssen die Franzosen sein, sich so in den Krieg
führen zu lassen! Das war nicht tröstlich, und man mußte ihr Recht geben.

Der Krieg rüttelt auch die Neugier und den Vorwitz auf, daß die Menschen
ihre eignen Angelegenheiten vergessen und sich mit denen leidenschaftlich beschäftigen,
die sie nichts angehn. Statt froh zu sein, daß sie zuhause bleiben konnten, liefen
und sichren sie uns nach und gafften unsre Übungen an. Das war uns sehr un¬
bequem, denn wir wußten Wohl, daß wir nichts konnten.

Das Fett der Begeisterung und auch der ersten Neugier war denn auch bald
abgeschöpft, wir erregte» kein Interesse mehr, und da wir schwach waren, und
unsre Vorgesetzten sich reserviert hielten, behandelten uns die Leute schlechter. Was
wollt ihr? Der Schwache ist nicht beliebt. Das Mehr, was die Deutschen ihnen
abgenommen hatten, zogen sie an dem ab, was sie uns hätten geben müssen. Be¬
sonders die Städte behandelten die Kinder Frankreichs schlechter als den Feind.
Wir standen hungernd und frierend auf den Plätzen, während sich unsre Offiziere
mit den Bürgern herumflritten, und man hörte Stimmen: Wahrlich ein Bauernkrieg
gegen diese aufgeblasenen Bourgeois wäre schöner, als gegen die Deutschen zu Felde
zu zieh»! Aber auch unsre Bauern hoben Brot und Hafer für ihre Feinde auf.
Sie jammerten, wenn wir etwas wollten: Was tun wir, wenn nach euch die
Deutschen kommen? Landsleute, laßt uus soviel, daß sie uns nicht schlagen. Die
armen Leute bekamen nun Schläge von ihren Landsleuten. Schlagt nicht so zu,
rief einmal unser Hauptmann, als einige hungrige Mohne einen Bauern prügelten,
es ist kein Preuße, bewahrt eure Schläge für den Feind. Einer antwortete ihm:
Wenn diese ihr Brot für den Feind aufbewahren, dann wird der Feind uus mit
doppelter Kraft schlagen!

Das ist ein eutschiedncr Maugel, daß man uus Franzosen gelehrt hat, wenig


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[0287] Im Lazarett öffnnng serais, liebten wir sie nicht. Später erhielten wir Nemingtous, die aber nicht mehr losgingen, mis wir sie vierzehn Tage im Neger umhergetragen hüllen. Wir waren immerhin besser daran als die armen Mobilen von der Ille-et-Villaine, die Zündhütchengewehre hatten, mit denen sie gar nichts anzufangen wußten. Ist es zu verwundern, wenn ein armer Kerl eine solche Flinte wegwirft, wenn sie ihm auf dem Rückzug zu schwer wird? Mau läuft schlecht mit dem Gewehr auf der Schulter, am besten wenn man die Hände frei hat. Bajonette empfingen viele, als sie schon im Feuer gestanden hüllen. Man predigte uns den Elan beim Bajonettangriff als die große Tugend der französischen Soldaten, und wie oft übten wir diesen Angriff, aber ohne Bajonette! Ich dachte auf den Märschen nach, ob man nicht in einer Zeit, wo soviel erfunden wurde, eine Erfindung macheu könne, ein gehöriges Brodmesser auf die Flinte zu stecken. Trotz der traurigen Figur, die wir machten, wurden wir in den Städten, durch die wir marschierten, immer von zahlreichen Zuschauern mit den Rufen: Vivo 1a roxubIia.Ul! und Vivv In, ssuorrv! empfangen. Die Damen winkten uns aus den Fenstern. Ach, hätte ich doch einige von ihren feinen Tüchern gehabt, um sie um meine wunden Füße zu binden, die in ihren groben Fußlappen gerade dann oft furchtbar schmerzten, wenn wir über das schlechte Pflaster marschierten. Der Hauptmann rief uns zu, recht stolz aufzutreten, um deu Bürgern zu zeigen, was für Feldsoldnten wir seien. Jedoch wie soll man auftreten, wenn die Sohlen bluten? Ich war nicht der einzige in der Sektion, der tagelang nur noch auf den äußern Rändern der Füße gehn konnte. Das macht allerdings keinen kriegerischen Ein¬ druck. Wir wunderten uns im Anfang, als wir es noch nicht gewohnt waren, wie unser Erscheinen soviel Begeisterung erregen konnte. Später sahen wir ein, daß ihr Rufen und ihr Winken nicht uns armen Leuten galt, sondern der Fahne, die man uns vvrnntrug. Ich dachte mir: Sie rufen so laut, um ihre Freude zu ver¬ bergen, daß sie nicht mit uns ins Feld müssen! Abends im Quartier hörten wir ganz andre Stimmen, als die uns beim Einzug aus den Fenstern gerufen hatten; zum Beispiel sagte eine Fran: Ihr armen Leute seid gar keine Soldaten, und eure Befehlshaber sind gar keine Offiziere, sondern Advokaten und Politiker. Wie feig müssen die Franzosen sein, sich so in den Krieg führen zu lassen! Das war nicht tröstlich, und man mußte ihr Recht geben. Der Krieg rüttelt auch die Neugier und den Vorwitz auf, daß die Menschen ihre eignen Angelegenheiten vergessen und sich mit denen leidenschaftlich beschäftigen, die sie nichts angehn. Statt froh zu sein, daß sie zuhause bleiben konnten, liefen und sichren sie uns nach und gafften unsre Übungen an. Das war uns sehr un¬ bequem, denn wir wußten Wohl, daß wir nichts konnten. Das Fett der Begeisterung und auch der ersten Neugier war denn auch bald abgeschöpft, wir erregte» kein Interesse mehr, und da wir schwach waren, und unsre Vorgesetzten sich reserviert hielten, behandelten uns die Leute schlechter. Was wollt ihr? Der Schwache ist nicht beliebt. Das Mehr, was die Deutschen ihnen abgenommen hatten, zogen sie an dem ab, was sie uns hätten geben müssen. Be¬ sonders die Städte behandelten die Kinder Frankreichs schlechter als den Feind. Wir standen hungernd und frierend auf den Plätzen, während sich unsre Offiziere mit den Bürgern herumflritten, und man hörte Stimmen: Wahrlich ein Bauernkrieg gegen diese aufgeblasenen Bourgeois wäre schöner, als gegen die Deutschen zu Felde zu zieh»! Aber auch unsre Bauern hoben Brot und Hafer für ihre Feinde auf. Sie jammerten, wenn wir etwas wollten: Was tun wir, wenn nach euch die Deutschen kommen? Landsleute, laßt uus soviel, daß sie uns nicht schlagen. Die armen Leute bekamen nun Schläge von ihren Landsleuten. Schlagt nicht so zu, rief einmal unser Hauptmann, als einige hungrige Mohne einen Bauern prügelten, es ist kein Preuße, bewahrt eure Schläge für den Feind. Einer antwortete ihm: Wenn diese ihr Brot für den Feind aufbewahren, dann wird der Feind uus mit doppelter Kraft schlagen! Das ist ein eutschiedncr Maugel, daß man uus Franzosen gelehrt hat, wenig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/287>, abgerufen am 28.08.2024.