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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Diesen Abend durften wir uns in Raumes zerstreuen; ich schlief bei einem
Wirte, den ich kannte, auf dem Stroh. Am ander" Morgen empfingen wir alte
Gewehre und begannen zu exerzieren, empfingen mich Tornister, die wir mit Ziegel¬
steinen beschwert der Übung halber trugen, Uniformen erhielten wir leider nicht,
die gab man uus erst viel später, als wir schon über Tours hinaus waren. So
marschierte ich denn in der blauen Bluse und im Strohhut, wie ich an jenem Abend
vom Acker weggegangen war; meine Kleider zerrissen, mein Strohhut war lächer¬
lich im Regen und an den kalten Tagen, die dann folgten. Ich dachte: Das ist
der Krieg; im Kriege darf uns so etwas nicht kümmern. In allen andern Augen-
blicken dachte ich aber nicht an den Krieg, sondern an mein Haus, meine Leute,
mein Land, meine Hämmel. Hätte man mir früher eine Uniform angezogen, so
würde ich mir vielleicht ein militärisches Gefühl angeeignet haben; so aber wurde
ich den Gedanken nicht los, daß das nur eine vorübergehende Sache sei. Deshalb
lief ich auch nicht, als Uniformen angekommen waren, wie andre, ungeduldig danach,
sondern wartete ruhig, bis mau mich aufforderte, endlich Bluse und Strohhut ab¬
zulegen. Das kam daher, daß ich in meinem Innern immer noch nicht glaubte,
daß es Ernst sei; ich Tor meinte, solange ich meine Zivilkleider am Leibe hätte,
sei ich immer noch nicht ganz dem Kriegsleben überantwortet. Und besonders der
Strohhut erinnerte mich so an den Sommer, die Sonne schien durch einen Riß
in der Krempe, ich trug ihn, bis man mich zwang, ihn wegzuwerfen; da meinte
ich den schönen Sommer, der dem Kriege vorangegangen war, und alle seine Freuden
und Hoffnungen damit weggeworfen zu haben. Und richtig war auch gleich darauf
der Winter dn. Am 12. Oktober fiel der erste Reif, und nach diesem kamen die
Nebel und die kalten Regen. Da machten wir unsre Übungsmärsche, den Nebel
in den Knochen und das Wasser in deu Muskeln, es ging verdammt schlecht. Nebel
und Wasser innen und außen sind wir nicht losgeworden bis der Frost kam, und
das ganze Anjou und Orleauais unter einem Schnee lagen, so tief wie er hier
seit Jahren nicht gesehen worden war. Bei diesen Märschen stellte sich heraus,
wie schlecht unsre Schuhe waren, nach wenig Regentagen fielen sie in Stücke. Später
haben wir Stiefel nach dein Muster der eurigen bekommen. Viele von uns konnten
sich aber durchaus nicht an die Lederstiefel gewöhnen. Denkt euch Leute, die ihr
ganzes Leben nur Holzschuhe getragen haben, für solche sind die niedern Schuhe
mit Gamaschen. Aber wochenlang marschiert man damit nicht in Wasser und
Schlamm! Alle diese griffen zu den Holzschuhen, wenn die andern ihnen buch¬
stäblich von den Füßen gefallen waren.

Die Uniformen, die wir bekamen, gefielen uns auch nicht. Manche sagten:
Wenn wir die roten Hosen der Infanterie hätten, wären wir auch ganz andre
Kerle, mit diesen grauen sind wir wie die Müllerknechte. Es wurde geantwortet:
Ist dir der rote Streifen nicht breit genug? Die Meerschweine (Marinesoldaten>, die
sich besser halten als die hochmütigen Lignards, sind blau von oben bis unten.
Einigen waren die Waffeurvcke zu eng, andre schwammen darin. Alle aber klagten
darüber, daß beim Marsch mit dem Tornister der Zwischenraum zwischen dem
steifen Uniforinkragen und dem Hals immer größer wurde; der Regen tropfte, der
Schnee fiel hinein, floß schmelzend über den Rücken und kühlte den Schweiß ab.
In den grobfadigen Stoff zog das Wasser wie in einen Schwamm hinein und
sickerte an den Ärmeln herab und im Saum zusammen, aus denen sich dann kleine
andauernde Quellen über Hände und Schenkel ergossen. Ihr glaubt nicht, wie an
solchen äußern Übeln eine Armee leidet, die das große Unglück hat, nichts zu leisten.
Das schlimmste war aber doch, daß gerade als wir besser bekleidet und bewaffnet
waren als je und um Schuhwerk und warme Mäntel die Deutschen fast nicht mehr
zu beneiden brauchten, es uns militärisch am schlechtesten ging; und nun halfen
Bekleidung und Bewaffnung wenig, die Unzufriedenheit zu heben, die Tausende
veranlaßte, sich ohne Gegenwehr gefangen nehmen zu lasse".

Vou Gewehren empfinge" wir zuerst die großen Tabatiereflinten. Da man
uns aber gleich mitteilte, sie ließen manchmal den Schuß durch die weite Ruck-


Diesen Abend durften wir uns in Raumes zerstreuen; ich schlief bei einem
Wirte, den ich kannte, auf dem Stroh. Am ander» Morgen empfingen wir alte
Gewehre und begannen zu exerzieren, empfingen mich Tornister, die wir mit Ziegel¬
steinen beschwert der Übung halber trugen, Uniformen erhielten wir leider nicht,
die gab man uus erst viel später, als wir schon über Tours hinaus waren. So
marschierte ich denn in der blauen Bluse und im Strohhut, wie ich an jenem Abend
vom Acker weggegangen war; meine Kleider zerrissen, mein Strohhut war lächer¬
lich im Regen und an den kalten Tagen, die dann folgten. Ich dachte: Das ist
der Krieg; im Kriege darf uns so etwas nicht kümmern. In allen andern Augen-
blicken dachte ich aber nicht an den Krieg, sondern an mein Haus, meine Leute,
mein Land, meine Hämmel. Hätte man mir früher eine Uniform angezogen, so
würde ich mir vielleicht ein militärisches Gefühl angeeignet haben; so aber wurde
ich den Gedanken nicht los, daß das nur eine vorübergehende Sache sei. Deshalb
lief ich auch nicht, als Uniformen angekommen waren, wie andre, ungeduldig danach,
sondern wartete ruhig, bis mau mich aufforderte, endlich Bluse und Strohhut ab¬
zulegen. Das kam daher, daß ich in meinem Innern immer noch nicht glaubte,
daß es Ernst sei; ich Tor meinte, solange ich meine Zivilkleider am Leibe hätte,
sei ich immer noch nicht ganz dem Kriegsleben überantwortet. Und besonders der
Strohhut erinnerte mich so an den Sommer, die Sonne schien durch einen Riß
in der Krempe, ich trug ihn, bis man mich zwang, ihn wegzuwerfen; da meinte
ich den schönen Sommer, der dem Kriege vorangegangen war, und alle seine Freuden
und Hoffnungen damit weggeworfen zu haben. Und richtig war auch gleich darauf
der Winter dn. Am 12. Oktober fiel der erste Reif, und nach diesem kamen die
Nebel und die kalten Regen. Da machten wir unsre Übungsmärsche, den Nebel
in den Knochen und das Wasser in deu Muskeln, es ging verdammt schlecht. Nebel
und Wasser innen und außen sind wir nicht losgeworden bis der Frost kam, und
das ganze Anjou und Orleauais unter einem Schnee lagen, so tief wie er hier
seit Jahren nicht gesehen worden war. Bei diesen Märschen stellte sich heraus,
wie schlecht unsre Schuhe waren, nach wenig Regentagen fielen sie in Stücke. Später
haben wir Stiefel nach dein Muster der eurigen bekommen. Viele von uns konnten
sich aber durchaus nicht an die Lederstiefel gewöhnen. Denkt euch Leute, die ihr
ganzes Leben nur Holzschuhe getragen haben, für solche sind die niedern Schuhe
mit Gamaschen. Aber wochenlang marschiert man damit nicht in Wasser und
Schlamm! Alle diese griffen zu den Holzschuhen, wenn die andern ihnen buch¬
stäblich von den Füßen gefallen waren.

Die Uniformen, die wir bekamen, gefielen uns auch nicht. Manche sagten:
Wenn wir die roten Hosen der Infanterie hätten, wären wir auch ganz andre
Kerle, mit diesen grauen sind wir wie die Müllerknechte. Es wurde geantwortet:
Ist dir der rote Streifen nicht breit genug? Die Meerschweine (Marinesoldaten>, die
sich besser halten als die hochmütigen Lignards, sind blau von oben bis unten.
Einigen waren die Waffeurvcke zu eng, andre schwammen darin. Alle aber klagten
darüber, daß beim Marsch mit dem Tornister der Zwischenraum zwischen dem
steifen Uniforinkragen und dem Hals immer größer wurde; der Regen tropfte, der
Schnee fiel hinein, floß schmelzend über den Rücken und kühlte den Schweiß ab.
In den grobfadigen Stoff zog das Wasser wie in einen Schwamm hinein und
sickerte an den Ärmeln herab und im Saum zusammen, aus denen sich dann kleine
andauernde Quellen über Hände und Schenkel ergossen. Ihr glaubt nicht, wie an
solchen äußern Übeln eine Armee leidet, die das große Unglück hat, nichts zu leisten.
Das schlimmste war aber doch, daß gerade als wir besser bekleidet und bewaffnet
waren als je und um Schuhwerk und warme Mäntel die Deutschen fast nicht mehr
zu beneiden brauchten, es uns militärisch am schlechtesten ging; und nun halfen
Bekleidung und Bewaffnung wenig, die Unzufriedenheit zu heben, die Tausende
veranlaßte, sich ohne Gegenwehr gefangen nehmen zu lasse».

Vou Gewehren empfinge» wir zuerst die großen Tabatiereflinten. Da man
uns aber gleich mitteilte, sie ließen manchmal den Schuß durch die weite Ruck-


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[0286] Diesen Abend durften wir uns in Raumes zerstreuen; ich schlief bei einem Wirte, den ich kannte, auf dem Stroh. Am ander» Morgen empfingen wir alte Gewehre und begannen zu exerzieren, empfingen mich Tornister, die wir mit Ziegel¬ steinen beschwert der Übung halber trugen, Uniformen erhielten wir leider nicht, die gab man uus erst viel später, als wir schon über Tours hinaus waren. So marschierte ich denn in der blauen Bluse und im Strohhut, wie ich an jenem Abend vom Acker weggegangen war; meine Kleider zerrissen, mein Strohhut war lächer¬ lich im Regen und an den kalten Tagen, die dann folgten. Ich dachte: Das ist der Krieg; im Kriege darf uns so etwas nicht kümmern. In allen andern Augen- blicken dachte ich aber nicht an den Krieg, sondern an mein Haus, meine Leute, mein Land, meine Hämmel. Hätte man mir früher eine Uniform angezogen, so würde ich mir vielleicht ein militärisches Gefühl angeeignet haben; so aber wurde ich den Gedanken nicht los, daß das nur eine vorübergehende Sache sei. Deshalb lief ich auch nicht, als Uniformen angekommen waren, wie andre, ungeduldig danach, sondern wartete ruhig, bis mau mich aufforderte, endlich Bluse und Strohhut ab¬ zulegen. Das kam daher, daß ich in meinem Innern immer noch nicht glaubte, daß es Ernst sei; ich Tor meinte, solange ich meine Zivilkleider am Leibe hätte, sei ich immer noch nicht ganz dem Kriegsleben überantwortet. Und besonders der Strohhut erinnerte mich so an den Sommer, die Sonne schien durch einen Riß in der Krempe, ich trug ihn, bis man mich zwang, ihn wegzuwerfen; da meinte ich den schönen Sommer, der dem Kriege vorangegangen war, und alle seine Freuden und Hoffnungen damit weggeworfen zu haben. Und richtig war auch gleich darauf der Winter dn. Am 12. Oktober fiel der erste Reif, und nach diesem kamen die Nebel und die kalten Regen. Da machten wir unsre Übungsmärsche, den Nebel in den Knochen und das Wasser in deu Muskeln, es ging verdammt schlecht. Nebel und Wasser innen und außen sind wir nicht losgeworden bis der Frost kam, und das ganze Anjou und Orleauais unter einem Schnee lagen, so tief wie er hier seit Jahren nicht gesehen worden war. Bei diesen Märschen stellte sich heraus, wie schlecht unsre Schuhe waren, nach wenig Regentagen fielen sie in Stücke. Später haben wir Stiefel nach dein Muster der eurigen bekommen. Viele von uns konnten sich aber durchaus nicht an die Lederstiefel gewöhnen. Denkt euch Leute, die ihr ganzes Leben nur Holzschuhe getragen haben, für solche sind die niedern Schuhe mit Gamaschen. Aber wochenlang marschiert man damit nicht in Wasser und Schlamm! Alle diese griffen zu den Holzschuhen, wenn die andern ihnen buch¬ stäblich von den Füßen gefallen waren. Die Uniformen, die wir bekamen, gefielen uns auch nicht. Manche sagten: Wenn wir die roten Hosen der Infanterie hätten, wären wir auch ganz andre Kerle, mit diesen grauen sind wir wie die Müllerknechte. Es wurde geantwortet: Ist dir der rote Streifen nicht breit genug? Die Meerschweine (Marinesoldaten>, die sich besser halten als die hochmütigen Lignards, sind blau von oben bis unten. Einigen waren die Waffeurvcke zu eng, andre schwammen darin. Alle aber klagten darüber, daß beim Marsch mit dem Tornister der Zwischenraum zwischen dem steifen Uniforinkragen und dem Hals immer größer wurde; der Regen tropfte, der Schnee fiel hinein, floß schmelzend über den Rücken und kühlte den Schweiß ab. In den grobfadigen Stoff zog das Wasser wie in einen Schwamm hinein und sickerte an den Ärmeln herab und im Saum zusammen, aus denen sich dann kleine andauernde Quellen über Hände und Schenkel ergossen. Ihr glaubt nicht, wie an solchen äußern Übeln eine Armee leidet, die das große Unglück hat, nichts zu leisten. Das schlimmste war aber doch, daß gerade als wir besser bekleidet und bewaffnet waren als je und um Schuhwerk und warme Mäntel die Deutschen fast nicht mehr zu beneiden brauchten, es uns militärisch am schlechtesten ging; und nun halfen Bekleidung und Bewaffnung wenig, die Unzufriedenheit zu heben, die Tausende veranlaßte, sich ohne Gegenwehr gefangen nehmen zu lasse». Vou Gewehren empfinge» wir zuerst die großen Tabatiereflinten. Da man uns aber gleich mitteilte, sie ließen manchmal den Schuß durch die weite Ruck-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/286>, abgerufen am 28.08.2024.