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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Bnueruzustäude im s^es^sulen und siebzehnte" Jahrhundert

machuugsanfvrdernngen entspräche. Im Kriegs- und Übungsfalle sei dann die
entsprechende Zahl von Beurlaubten einzuberufen, aus deu geraden Kom¬
pagnien ein zweites Bataillon zu formiere", sodaß jedes Regiment dann eine
Brigade bilde. Eine entsprechende Stärke des Offizierkorps wird vorgesehen,
ferner will Roon den Namen "Landwehr" beibehalten wissen, sowohl um des
historischen Gewissens der Nation willen, als weil der Name "Wehrmann"
offenbar eine sinnvollere Bedeutung und einen cmgemessenern Klang habe als
der Name "Soldat." Schluß folgt)




Vauernzustände im sechzehnten und siebzehnten
Jahrhundert

age und Verfassung des deutschen Bauernstandes im Mittel-
alter haben viele Forscher, die ungünstige Veränderung vom
fünfzehnten Jahrhundert an in Ostelbien haben Professor Georg
Friedrich Knapp und seine Schüler dargestellt. Weniger be¬
kannt sind die westdeutschen Zustände in der Zeit zwischen dem
Mittelalter und der Bauernbefreiung. Für Südwestdeutschland, namentlich für
Württemberg, hat jetzt ein Namensvetter des eben genannten Historikers,
Dr. Theodor Knapp, Gymnasialdirektor in Tübingen, die Lücke ausgefüllt
durch sein Buch: Gesammelte Beiträge zur Rechts- und Wirtschafts¬
geschichte vornehmlich des deutschen Bauernstandes. (Tübingen,
H. Laupp, 1902.) Er hat außer den einschlagenden größern Werken, den
Monographien und Urkundensaminluugen viele ungedruckte Urkunden, besonders
des Heilbronner Archivs benutzt. Von den vier Dörfern der Reichsstadt Heil¬
bronn geht er aus, behandelt dann die Landorte des jetzigen Oberamts Heil¬
bronn insgesamt und einige außerhalb liegende schwäbische Gemeinden, zieht
die bayrischen Verhältnisse zum Vergleich heran und macht den Unterschied
zwischen der südwestdeutschen und der ostelbischen Leibeigenschaft klar. Ange¬
hängt ist eine den Hauptgegenstand des Buchs nicht berührende Abhandlung
über das Reformationsrecht in Deutschland seit dem Westfälischen Frieden.

In den vier der Reichsstadt Heilbronn gehörenden Dörfern Böckingen, Flein,
Frankenbach und Neckargartach waren beim Ausgang des Mittelalters alle Ein¬
wohner leibeigen; wie die Luft in der Stadt Heilbronn frei machte, so machte
sie in ihren Dörfern unfrei. Ausgenommen war gewöhnlich, aber nicht immer,
der Pfarrer. Von den Schulmeistern sind im siebzehnten Jahrhundert zwei
freie Männer gewesen; sie waren beide Heilbronner Bürger und kaiserliche
Notarii, die sich herabgelassen hatten, in Böckingen die Gerichtsschreiberei zu
besorgen und nebenbei Schule zu halten. Die Leibeigenschaft dieser Leute
darf man sich aber nicht als etwas schreckliches vorstellen. Sie legte den Leuten
nur drei leichte Verpflichtungen auf: die Weisung, das Leibhuhn und den
Sterbfall. Die Weisung war eine Art Kontrollversammlnng, bei der es jedoch


Bnueruzustäude im s^es^sulen und siebzehnte» Jahrhundert

machuugsanfvrdernngen entspräche. Im Kriegs- und Übungsfalle sei dann die
entsprechende Zahl von Beurlaubten einzuberufen, aus deu geraden Kom¬
pagnien ein zweites Bataillon zu formiere», sodaß jedes Regiment dann eine
Brigade bilde. Eine entsprechende Stärke des Offizierkorps wird vorgesehen,
ferner will Roon den Namen „Landwehr" beibehalten wissen, sowohl um des
historischen Gewissens der Nation willen, als weil der Name „Wehrmann"
offenbar eine sinnvollere Bedeutung und einen cmgemessenern Klang habe als
der Name „Soldat." Schluß folgt)




Vauernzustände im sechzehnten und siebzehnten
Jahrhundert

age und Verfassung des deutschen Bauernstandes im Mittel-
alter haben viele Forscher, die ungünstige Veränderung vom
fünfzehnten Jahrhundert an in Ostelbien haben Professor Georg
Friedrich Knapp und seine Schüler dargestellt. Weniger be¬
kannt sind die westdeutschen Zustände in der Zeit zwischen dem
Mittelalter und der Bauernbefreiung. Für Südwestdeutschland, namentlich für
Württemberg, hat jetzt ein Namensvetter des eben genannten Historikers,
Dr. Theodor Knapp, Gymnasialdirektor in Tübingen, die Lücke ausgefüllt
durch sein Buch: Gesammelte Beiträge zur Rechts- und Wirtschafts¬
geschichte vornehmlich des deutschen Bauernstandes. (Tübingen,
H. Laupp, 1902.) Er hat außer den einschlagenden größern Werken, den
Monographien und Urkundensaminluugen viele ungedruckte Urkunden, besonders
des Heilbronner Archivs benutzt. Von den vier Dörfern der Reichsstadt Heil¬
bronn geht er aus, behandelt dann die Landorte des jetzigen Oberamts Heil¬
bronn insgesamt und einige außerhalb liegende schwäbische Gemeinden, zieht
die bayrischen Verhältnisse zum Vergleich heran und macht den Unterschied
zwischen der südwestdeutschen und der ostelbischen Leibeigenschaft klar. Ange¬
hängt ist eine den Hauptgegenstand des Buchs nicht berührende Abhandlung
über das Reformationsrecht in Deutschland seit dem Westfälischen Frieden.

In den vier der Reichsstadt Heilbronn gehörenden Dörfern Böckingen, Flein,
Frankenbach und Neckargartach waren beim Ausgang des Mittelalters alle Ein¬
wohner leibeigen; wie die Luft in der Stadt Heilbronn frei machte, so machte
sie in ihren Dörfern unfrei. Ausgenommen war gewöhnlich, aber nicht immer,
der Pfarrer. Von den Schulmeistern sind im siebzehnten Jahrhundert zwei
freie Männer gewesen; sie waren beide Heilbronner Bürger und kaiserliche
Notarii, die sich herabgelassen hatten, in Böckingen die Gerichtsschreiberei zu
besorgen und nebenbei Schule zu halten. Die Leibeigenschaft dieser Leute
darf man sich aber nicht als etwas schreckliches vorstellen. Sie legte den Leuten
nur drei leichte Verpflichtungen auf: die Weisung, das Leibhuhn und den
Sterbfall. Die Weisung war eine Art Kontrollversammlnng, bei der es jedoch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/264>, abgerufen am 26.08.2024.