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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Feuer I

immer wiederholenden Witze und Redensarten, das beständige Lachen ohne Grund
und Ursache -- ich hatte es wahrlich satt zum Überdruß und beneidete den Leutnant,
der alles ertrug, ohne eine Miene zu verziehn, und dasaß, als ob er aus Stein
gehauen wäre. Und doch wußte ich, daß ihm die Wirtschaft ebenso unangenehm
war wie mir. Er hatte es noch schlechter als ich, denn mich entschädigte Mahada
manchmal durch einen zärtlichen Blick, durch einen gelegentlichen Händedruck, durch
ein freundliches Wort. Er dagegen durfte den Mund nicht öffnen, ohne sofort mit
ihr in Streit zu geraten und Grobheiten von ihr einstecken zu müsse". Freilich
lachte er dazu und nannte sie seineu gelockten Kampfhahn, was ihm jedesmal die
boshafteste und verächtlichste Miene eintrug, die Mahada zustande bringen konnte. Er
machte sich aber nichts daraus, denn er war eben eine glücklich angelegte Natur.

Während ich noch schwankte, hatte ich mich schon umgekleidet und war auf
dem Wege zum ersten Stadtteil. Als ich den Hos betrat, horchte ich, denn ich
erwartete lachende Stimmen aus den geöffneten Fenstern schallen zu hören. Aber
es war still. Wahrscheinlich hatte die Gesellschaft eine" Spaziergang unternommen.
Zu meiner Überraschung und Freude war das nicht der Fall. Mahada war zu-
hause, und nur der Leutnant leistete ihr Gesellschaft.

Denken Sie sich, Alexander Andrejewitsch, sagte die Mutter freudestrahlend,
der Leutnant hat eben seine Bestätigung als Kompagniechef erhalten. Nun kann
ihm die Kompagnie nicht mehr genommen werden.

Die gute Frau schien so entzückt darüber zu sein, als ob dieses im Militärdienst für
den Betreffenden allerdings bedeutsame Ereignis ihrem Maun oder Sohn passiert wäre.

Ich wünschte dem Leutnant aufrichtig Glück, denn wie ich ihn kannte, war er
zu dem Amte geeignet wie schwerlich ein andrer.

Er dankte und griff nach der Mütze. Er wolle ausschlafen, sagte er, denn
zur Feier seiner Bestätigung hätten die vergnüguugslustigen Kameraden um Mitter¬
nacht eine Picknickfahrt stromauf angesetzt, wo der freie Johannistag morgen auf
einer Ferne lustig verbracht werden solle. Natürlich mit vielem Geschrei und
maßloser Betrunkenheit, setzte er verächtlich hinzu, reichte uns die Hand und ging.

Als er fort war, kam Leben in Mahada. Sie sei unmenschlich froh, erklärte
sie, daß sie endlich einen Tag ohne die lärmende Gesellschaft haben werde. Sie
beklagte sich schmollend über die Mutter, bei der es geradezu eine Krankheit sei,
das Hans mit Offizieren zu überfüllen. Sie gab zu verstehn, wie es sie schmerze,
daß unser trauliches Zusammensein durch die Menge der Gäste einen solchen Stoß
erhalten habe. Kurz, sie war so zutraulich, so lieb wie fast noch nie, und ich --
nun, ich schmolz, wie ich in der ersten Zeit fast täglich geschmolzen war. Sie habe
eine große Bitte um mich, sagte sie zuletzt. Sie möchte gern den ganzen Tag mit
mir verbringen wie manchen halben im verfloßnen Winter. Sie möchte auch für
ihr Leben gern das Grün genießen. Ich solle mich für morgen freimachen, beur-
lauben, oder wie es sonst heiße. Wir würden dann hinauswandern, schon früh am
Morgen, zu ihrem Milchbaueru, deu sie alljährlich besuche, und bei dem es sich
im Obstgarten so gemütlich sitze wie sonst nirgendwo. Sie hatte sich dabei neben
mich gesetzt und die Hand auf meinen Arm gelegt. Sie sah mich bittend an. Ich
fühlte, sie hätte nichts dagegen gehabt, wenn ich sie an mich gezogen hätte. Ich
streckte aber den Arm nicht aus. Ich tat es wahrscheinlich nicht, weil ich mir die
bittere Pille des Benrlaubens überlegte. Ich wußte voraus, wie schief Jemcljan
Afanasjewitsch darauf sehen werde. Doch einerlei. Durchgesetzt sollte es auf jeden
Fall werden, und ich versprach es ihr. Ich hätte ihr in diesem Augenblick viel schwerere
Dinge ohne Zaudern versprochen.

Ich durfte nicht zögern, wenn ich Jemeljan Afaimsjewitsch heute noch zeitig
genug finden wollte, daß es ihm möglich sei, die für den folgenden Tag nötigen
Anordnungen zu treffen. Mahada begleitete mich über deu Hof, ermahnte mich, ja
uicht später als um sieben Uhr am Morgen da zu sein, und schärfte mir ein, für
nichts zu sorgen, da der mitzunehmende Proviant im Hause vorrätig sei.


Feuer I

immer wiederholenden Witze und Redensarten, das beständige Lachen ohne Grund
und Ursache — ich hatte es wahrlich satt zum Überdruß und beneidete den Leutnant,
der alles ertrug, ohne eine Miene zu verziehn, und dasaß, als ob er aus Stein
gehauen wäre. Und doch wußte ich, daß ihm die Wirtschaft ebenso unangenehm
war wie mir. Er hatte es noch schlechter als ich, denn mich entschädigte Mahada
manchmal durch einen zärtlichen Blick, durch einen gelegentlichen Händedruck, durch
ein freundliches Wort. Er dagegen durfte den Mund nicht öffnen, ohne sofort mit
ihr in Streit zu geraten und Grobheiten von ihr einstecken zu müsse». Freilich
lachte er dazu und nannte sie seineu gelockten Kampfhahn, was ihm jedesmal die
boshafteste und verächtlichste Miene eintrug, die Mahada zustande bringen konnte. Er
machte sich aber nichts daraus, denn er war eben eine glücklich angelegte Natur.

Während ich noch schwankte, hatte ich mich schon umgekleidet und war auf
dem Wege zum ersten Stadtteil. Als ich den Hos betrat, horchte ich, denn ich
erwartete lachende Stimmen aus den geöffneten Fenstern schallen zu hören. Aber
es war still. Wahrscheinlich hatte die Gesellschaft eine» Spaziergang unternommen.
Zu meiner Überraschung und Freude war das nicht der Fall. Mahada war zu-
hause, und nur der Leutnant leistete ihr Gesellschaft.

Denken Sie sich, Alexander Andrejewitsch, sagte die Mutter freudestrahlend,
der Leutnant hat eben seine Bestätigung als Kompagniechef erhalten. Nun kann
ihm die Kompagnie nicht mehr genommen werden.

Die gute Frau schien so entzückt darüber zu sein, als ob dieses im Militärdienst für
den Betreffenden allerdings bedeutsame Ereignis ihrem Maun oder Sohn passiert wäre.

Ich wünschte dem Leutnant aufrichtig Glück, denn wie ich ihn kannte, war er
zu dem Amte geeignet wie schwerlich ein andrer.

Er dankte und griff nach der Mütze. Er wolle ausschlafen, sagte er, denn
zur Feier seiner Bestätigung hätten die vergnüguugslustigen Kameraden um Mitter¬
nacht eine Picknickfahrt stromauf angesetzt, wo der freie Johannistag morgen auf
einer Ferne lustig verbracht werden solle. Natürlich mit vielem Geschrei und
maßloser Betrunkenheit, setzte er verächtlich hinzu, reichte uns die Hand und ging.

Als er fort war, kam Leben in Mahada. Sie sei unmenschlich froh, erklärte
sie, daß sie endlich einen Tag ohne die lärmende Gesellschaft haben werde. Sie
beklagte sich schmollend über die Mutter, bei der es geradezu eine Krankheit sei,
das Hans mit Offizieren zu überfüllen. Sie gab zu verstehn, wie es sie schmerze,
daß unser trauliches Zusammensein durch die Menge der Gäste einen solchen Stoß
erhalten habe. Kurz, sie war so zutraulich, so lieb wie fast noch nie, und ich —
nun, ich schmolz, wie ich in der ersten Zeit fast täglich geschmolzen war. Sie habe
eine große Bitte um mich, sagte sie zuletzt. Sie möchte gern den ganzen Tag mit
mir verbringen wie manchen halben im verfloßnen Winter. Sie möchte auch für
ihr Leben gern das Grün genießen. Ich solle mich für morgen freimachen, beur-
lauben, oder wie es sonst heiße. Wir würden dann hinauswandern, schon früh am
Morgen, zu ihrem Milchbaueru, deu sie alljährlich besuche, und bei dem es sich
im Obstgarten so gemütlich sitze wie sonst nirgendwo. Sie hatte sich dabei neben
mich gesetzt und die Hand auf meinen Arm gelegt. Sie sah mich bittend an. Ich
fühlte, sie hätte nichts dagegen gehabt, wenn ich sie an mich gezogen hätte. Ich
streckte aber den Arm nicht aus. Ich tat es wahrscheinlich nicht, weil ich mir die
bittere Pille des Benrlaubens überlegte. Ich wußte voraus, wie schief Jemcljan
Afanasjewitsch darauf sehen werde. Doch einerlei. Durchgesetzt sollte es auf jeden
Fall werden, und ich versprach es ihr. Ich hätte ihr in diesem Augenblick viel schwerere
Dinge ohne Zaudern versprochen.

Ich durfte nicht zögern, wenn ich Jemeljan Afaimsjewitsch heute noch zeitig
genug finden wollte, daß es ihm möglich sei, die für den folgenden Tag nötigen
Anordnungen zu treffen. Mahada begleitete mich über deu Hof, ermahnte mich, ja
uicht später als um sieben Uhr am Morgen da zu sein, und schärfte mir ein, für
nichts zu sorgen, da der mitzunehmende Proviant im Hause vorrätig sei.


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[0231] Feuer I immer wiederholenden Witze und Redensarten, das beständige Lachen ohne Grund und Ursache — ich hatte es wahrlich satt zum Überdruß und beneidete den Leutnant, der alles ertrug, ohne eine Miene zu verziehn, und dasaß, als ob er aus Stein gehauen wäre. Und doch wußte ich, daß ihm die Wirtschaft ebenso unangenehm war wie mir. Er hatte es noch schlechter als ich, denn mich entschädigte Mahada manchmal durch einen zärtlichen Blick, durch einen gelegentlichen Händedruck, durch ein freundliches Wort. Er dagegen durfte den Mund nicht öffnen, ohne sofort mit ihr in Streit zu geraten und Grobheiten von ihr einstecken zu müsse». Freilich lachte er dazu und nannte sie seineu gelockten Kampfhahn, was ihm jedesmal die boshafteste und verächtlichste Miene eintrug, die Mahada zustande bringen konnte. Er machte sich aber nichts daraus, denn er war eben eine glücklich angelegte Natur. Während ich noch schwankte, hatte ich mich schon umgekleidet und war auf dem Wege zum ersten Stadtteil. Als ich den Hos betrat, horchte ich, denn ich erwartete lachende Stimmen aus den geöffneten Fenstern schallen zu hören. Aber es war still. Wahrscheinlich hatte die Gesellschaft eine» Spaziergang unternommen. Zu meiner Überraschung und Freude war das nicht der Fall. Mahada war zu- hause, und nur der Leutnant leistete ihr Gesellschaft. Denken Sie sich, Alexander Andrejewitsch, sagte die Mutter freudestrahlend, der Leutnant hat eben seine Bestätigung als Kompagniechef erhalten. Nun kann ihm die Kompagnie nicht mehr genommen werden. Die gute Frau schien so entzückt darüber zu sein, als ob dieses im Militärdienst für den Betreffenden allerdings bedeutsame Ereignis ihrem Maun oder Sohn passiert wäre. Ich wünschte dem Leutnant aufrichtig Glück, denn wie ich ihn kannte, war er zu dem Amte geeignet wie schwerlich ein andrer. Er dankte und griff nach der Mütze. Er wolle ausschlafen, sagte er, denn zur Feier seiner Bestätigung hätten die vergnüguugslustigen Kameraden um Mitter¬ nacht eine Picknickfahrt stromauf angesetzt, wo der freie Johannistag morgen auf einer Ferne lustig verbracht werden solle. Natürlich mit vielem Geschrei und maßloser Betrunkenheit, setzte er verächtlich hinzu, reichte uns die Hand und ging. Als er fort war, kam Leben in Mahada. Sie sei unmenschlich froh, erklärte sie, daß sie endlich einen Tag ohne die lärmende Gesellschaft haben werde. Sie beklagte sich schmollend über die Mutter, bei der es geradezu eine Krankheit sei, das Hans mit Offizieren zu überfüllen. Sie gab zu verstehn, wie es sie schmerze, daß unser trauliches Zusammensein durch die Menge der Gäste einen solchen Stoß erhalten habe. Kurz, sie war so zutraulich, so lieb wie fast noch nie, und ich — nun, ich schmolz, wie ich in der ersten Zeit fast täglich geschmolzen war. Sie habe eine große Bitte um mich, sagte sie zuletzt. Sie möchte gern den ganzen Tag mit mir verbringen wie manchen halben im verfloßnen Winter. Sie möchte auch für ihr Leben gern das Grün genießen. Ich solle mich für morgen freimachen, beur- lauben, oder wie es sonst heiße. Wir würden dann hinauswandern, schon früh am Morgen, zu ihrem Milchbaueru, deu sie alljährlich besuche, und bei dem es sich im Obstgarten so gemütlich sitze wie sonst nirgendwo. Sie hatte sich dabei neben mich gesetzt und die Hand auf meinen Arm gelegt. Sie sah mich bittend an. Ich fühlte, sie hätte nichts dagegen gehabt, wenn ich sie an mich gezogen hätte. Ich streckte aber den Arm nicht aus. Ich tat es wahrscheinlich nicht, weil ich mir die bittere Pille des Benrlaubens überlegte. Ich wußte voraus, wie schief Jemcljan Afanasjewitsch darauf sehen werde. Doch einerlei. Durchgesetzt sollte es auf jeden Fall werden, und ich versprach es ihr. Ich hätte ihr in diesem Augenblick viel schwerere Dinge ohne Zaudern versprochen. Ich durfte nicht zögern, wenn ich Jemeljan Afaimsjewitsch heute noch zeitig genug finden wollte, daß es ihm möglich sei, die für den folgenden Tag nötigen Anordnungen zu treffen. Mahada begleitete mich über deu Hof, ermahnte mich, ja uicht später als um sieben Uhr am Morgen da zu sein, und schärfte mir ein, für nichts zu sorgen, da der mitzunehmende Proviant im Hause vorrätig sei.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/231>, abgerufen am 24.07.2024.