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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Allerhand Hprachdummheiten

i ugleich mit diesem Grenzbotenheft geht eine neue Ausgabe von
Wustmanns nun schon in weiten Kreisen bekannt und berühmt
gewordnen Buch in die Welt. WMommuer als irgend eine andre
Anzeige wird es gerade an dieser Stelle sein, wenn sein Ver-
I leger ihn selbst sprechen läßt, das heißt das Vorwort abdrückt,
das er dieser neuen Auflage zum Geleit gibt.

Wustmann sagt über sein Buch:

Die Aufforderung des Verlegers, diese dritte Auflage zu besorgen, hat
mich ganz unvorbereitet getroffen. Ich hatte über andern, namentlich stadt¬
geschichtlichen Arbeiten die "Sprnchdummheiten" so vollständig aus deu Augen
verloren, daß es in den letzten Jahren el" paarmal vorgekommen ist, daß ich
mir ans einer bekannten Sprachzeitschrift Belehrungen notiert habe, die mir
durch ihre überzeugende .Klarheit und Sicherheit angenehm auffielen, und die,
wie ich nun nachträglich bei dem Druck dieser dritten Auflage gesehen habe,
einfach aus meinen "Sprachdummhciten" abgeschrieben waren!

Dennoch habe ich die Weiterentwicklung unsrer Sprache immer aufmerksam
verfolgt. Kommen mir doch täglich so viel neue Bücher und Zeitschriften unter
die Hände, daß ich das gar nicht vermeiden kaun. Freilich ist, was ich dabei
gesehen habe, nicht sehr erquicklich gewesen. Mein Buch hat zwar großen
äußern Erfolg gehabt, aber doch eigentlich wenig genützt. Viele von denen,
in deren Hände es gekommen ist, haben es als Nachschlagebuch angesehen, als
eine Art von "Duden" für Grammatik und Stilistik. Ein solches Buch läßt
sich aber überhaupt nicht schreiben. Die "Sprachdummheiteu" sind kein Sprach¬
knecht, der auf jede grammatische oder stilistische Frage die gewünschte Antwort
bereit hat, sondern ein Buch für denkende Leser, das im Zusammenhange
studiert und gehörig verarbeitet sein will. Wer Nutzen davon haben will,
muß sich den Geist des Buches zu eigen machen. Gewiß soll es auch der
herrschenden Fehlerhaftigkeit und Unsicherheit unsers Sprachgebrauchs steuern,
und zu diesem Zweck hat der Verleger die vorliegende dritte Auflage mit einem
ausgezeichneten, bis ins Einzclste gehenden alphabetischen Register versehen;
aber vor allem soll es doch das Sprachgefühl schärfen und dadurch das Auf¬
kommen neuer Fehler verhüten, und seine Hauptaufgabe ist eine ästhetische:
es soll der immer ärger werdenden Steifheit, Schwerfälligkeit und Schwülstigkeit
unsrer Sprache entgegenarbeiten und ihr wieder zu einer gewissen Einfachheit




Allerhand Hprachdummheiten

i ugleich mit diesem Grenzbotenheft geht eine neue Ausgabe von
Wustmanns nun schon in weiten Kreisen bekannt und berühmt
gewordnen Buch in die Welt. WMommuer als irgend eine andre
Anzeige wird es gerade an dieser Stelle sein, wenn sein Ver-
I leger ihn selbst sprechen läßt, das heißt das Vorwort abdrückt,
das er dieser neuen Auflage zum Geleit gibt.

Wustmann sagt über sein Buch:

Die Aufforderung des Verlegers, diese dritte Auflage zu besorgen, hat
mich ganz unvorbereitet getroffen. Ich hatte über andern, namentlich stadt¬
geschichtlichen Arbeiten die „Sprnchdummheiten" so vollständig aus deu Augen
verloren, daß es in den letzten Jahren el» paarmal vorgekommen ist, daß ich
mir ans einer bekannten Sprachzeitschrift Belehrungen notiert habe, die mir
durch ihre überzeugende .Klarheit und Sicherheit angenehm auffielen, und die,
wie ich nun nachträglich bei dem Druck dieser dritten Auflage gesehen habe,
einfach aus meinen „Sprachdummhciten" abgeschrieben waren!

Dennoch habe ich die Weiterentwicklung unsrer Sprache immer aufmerksam
verfolgt. Kommen mir doch täglich so viel neue Bücher und Zeitschriften unter
die Hände, daß ich das gar nicht vermeiden kaun. Freilich ist, was ich dabei
gesehen habe, nicht sehr erquicklich gewesen. Mein Buch hat zwar großen
äußern Erfolg gehabt, aber doch eigentlich wenig genützt. Viele von denen,
in deren Hände es gekommen ist, haben es als Nachschlagebuch angesehen, als
eine Art von „Duden" für Grammatik und Stilistik. Ein solches Buch läßt
sich aber überhaupt nicht schreiben. Die „Sprachdummheiteu" sind kein Sprach¬
knecht, der auf jede grammatische oder stilistische Frage die gewünschte Antwort
bereit hat, sondern ein Buch für denkende Leser, das im Zusammenhange
studiert und gehörig verarbeitet sein will. Wer Nutzen davon haben will,
muß sich den Geist des Buches zu eigen machen. Gewiß soll es auch der
herrschenden Fehlerhaftigkeit und Unsicherheit unsers Sprachgebrauchs steuern,
und zu diesem Zweck hat der Verleger die vorliegende dritte Auflage mit einem
ausgezeichneten, bis ins Einzclste gehenden alphabetischen Register versehen;
aber vor allem soll es doch das Sprachgefühl schärfen und dadurch das Auf¬
kommen neuer Fehler verhüten, und seine Hauptaufgabe ist eine ästhetische:
es soll der immer ärger werdenden Steifheit, Schwerfälligkeit und Schwülstigkeit
unsrer Sprache entgegenarbeiten und ihr wieder zu einer gewissen Einfachheit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/222>, abgerufen am 23.07.2024.