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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Das englische Rechtswesen

über die ja die Meinungen immer geteilt sind, in Zusammenhang gebracht zu
werden brauchte. Bald würden dann Straßburg, Kolmar und Mülhausen mit
Lübeck, Hamburg und Bremen um die Palme ringen, wer am treusten zu
Kaiser und Reich hielte; allen Deutschen im Reich würde bewiesen, das; man
sehr Wohl im Einzelstaat ein reges inneres Leben zur höchsten Blüte bringen
kann, ohne dem Reich in Militär-, Post-, Eisenbahn- und Handelswesen sowie
in aller äußern Vertretung die dafür nötige Einheitlichkeit vorzuenthalten, und
alleu Deutschen, ja allen Germanen außerhalb des Reichs würde es klar werden,
daß im Deutschen Reich allen mir irgend berechtigten Stammcscigcntnmlichkeiten
Rechnung getragen wird, und dabei doch das Wesen des Germanentums zur
kräftigste" Förderung der Kulturentwicklung der Menschheit zusammengefaßt
werden kann. Es würde damit für die gesamte germanische Welt der stolze
Grundsatz aufgestellt: Volle Unabhängigkeit des Einzelnen, der einzelnen Ge¬
meinde, des einzelnen Gaues im innern Staatsleben, soweit es irgend möglich
ist; aber, wo es notwendig ist, nach außen unerschütterliche Einigkeit.


Richard Geest, Generalleutnant z, I>.


Das englische Rechtswesen
Hugo Barrels von (Schluß)

lie Richter nehmen bei ihrer geringen Zahl eine sehr geachtete
Stellung ein, die sich äußerlich schon durch die Ritterwürde
kundgibt. Einige sind durch noch hohem Rang als Peers aus¬
gezeichnet, wie der Lordoberrichtcr und der Lordkanzler, der
! schon von Amts wegen dem Oberhause angehört. Das Unter¬
haus dagegen ist den Richtern verschlossen, obwohl manche sich das Recht auf
Berücksichtigung bei der Verleihung der Nichterstellen durch parlamentarische
Tätigkeit erworben haben. Die Ernennung geschieht dnrch den König; aber
der Lordkanzler sorgt schon dafür, daß dabei die Verdienste von Mitgliedern
seiner Partei nicht unberücksichtigt bleiben. Doch muß anerkannt werden, daß
juristische Befühignng nicht durch Parteiverdienst ersetzt werden kann, und daß
in der Rechtsprechung die Parteivorliebe keinen Einfluß hat. Politische Richter,
wie sie unter Jakob dem Zweiten vorkamen, gibt es nicht mehr. Unterstützt
wird die Achtung, deren sich die englischen Gerichte erfreuen, durch eine Regel,
die der Presse untersagt, sich in einem noch schwebenden Streitfalle zum Richter
aufzuwerfen. Die Grenze, bis zu der eine Zeitung in ihren Auslassungen gehn
darf, ist freilich sehr unbestimmt. Doch wehe dem armen Zcitungsmauue, der
sie überschreitet! Er kann von Glück sagen, wenn er mit demütiger Abbitte
davonkömmt; denn der Richter kaun ihn wegen Mißachtung des Gerichtshofes
ohne weiteres einstecken und ihm hinter Schloß und Riegel Zeit geben, darüber
nachzudenken, wo die Grenze liegt.


Das englische Rechtswesen

über die ja die Meinungen immer geteilt sind, in Zusammenhang gebracht zu
werden brauchte. Bald würden dann Straßburg, Kolmar und Mülhausen mit
Lübeck, Hamburg und Bremen um die Palme ringen, wer am treusten zu
Kaiser und Reich hielte; allen Deutschen im Reich würde bewiesen, das; man
sehr Wohl im Einzelstaat ein reges inneres Leben zur höchsten Blüte bringen
kann, ohne dem Reich in Militär-, Post-, Eisenbahn- und Handelswesen sowie
in aller äußern Vertretung die dafür nötige Einheitlichkeit vorzuenthalten, und
alleu Deutschen, ja allen Germanen außerhalb des Reichs würde es klar werden,
daß im Deutschen Reich allen mir irgend berechtigten Stammcscigcntnmlichkeiten
Rechnung getragen wird, und dabei doch das Wesen des Germanentums zur
kräftigste» Förderung der Kulturentwicklung der Menschheit zusammengefaßt
werden kann. Es würde damit für die gesamte germanische Welt der stolze
Grundsatz aufgestellt: Volle Unabhängigkeit des Einzelnen, der einzelnen Ge¬
meinde, des einzelnen Gaues im innern Staatsleben, soweit es irgend möglich
ist; aber, wo es notwendig ist, nach außen unerschütterliche Einigkeit.


Richard Geest, Generalleutnant z, I>.


Das englische Rechtswesen
Hugo Barrels von (Schluß)

lie Richter nehmen bei ihrer geringen Zahl eine sehr geachtete
Stellung ein, die sich äußerlich schon durch die Ritterwürde
kundgibt. Einige sind durch noch hohem Rang als Peers aus¬
gezeichnet, wie der Lordoberrichtcr und der Lordkanzler, der
! schon von Amts wegen dem Oberhause angehört. Das Unter¬
haus dagegen ist den Richtern verschlossen, obwohl manche sich das Recht auf
Berücksichtigung bei der Verleihung der Nichterstellen durch parlamentarische
Tätigkeit erworben haben. Die Ernennung geschieht dnrch den König; aber
der Lordkanzler sorgt schon dafür, daß dabei die Verdienste von Mitgliedern
seiner Partei nicht unberücksichtigt bleiben. Doch muß anerkannt werden, daß
juristische Befühignng nicht durch Parteiverdienst ersetzt werden kann, und daß
in der Rechtsprechung die Parteivorliebe keinen Einfluß hat. Politische Richter,
wie sie unter Jakob dem Zweiten vorkamen, gibt es nicht mehr. Unterstützt
wird die Achtung, deren sich die englischen Gerichte erfreuen, durch eine Regel,
die der Presse untersagt, sich in einem noch schwebenden Streitfalle zum Richter
aufzuwerfen. Die Grenze, bis zu der eine Zeitung in ihren Auslassungen gehn
darf, ist freilich sehr unbestimmt. Doch wehe dem armen Zcitungsmauue, der
sie überschreitet! Er kann von Glück sagen, wenn er mit demütiger Abbitte
davonkömmt; denn der Richter kaun ihn wegen Mißachtung des Gerichtshofes
ohne weiteres einstecken und ihm hinter Schloß und Riegel Zeit geben, darüber
nachzudenken, wo die Grenze liegt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/200>, abgerufen am 25.08.2024.