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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

teilung zu seine" Gesetzen und im Nachwort das Menschenmögliche an Selbstlob
geleistet sein Charakterzug, von dem die Frommen der Bibel das Gegenteil zeigenj
und jeden, der seine Gesetze abschaffen oder sein Denkmal zerstören würde, mit den
furchtbarsten Flüchen bedroht und alle seine Götter und Göttinnen mit Namen auf¬
gefordert, über einen solchen die grausamsten Strafen zu verhängen. Das hat aber
einen Elamiterkönig nicht abgehalten, Babylon zu plündern, unter anderm auch die
Stele Hammurabis nach Susa zu schleppen, wo sie gefunden worden ist, einige
Zeilen der Gesetze ausmeißeln zu lassen und seine eigne Inschrift darauf zu setzen.)
Kann mau blinder sein als der Trimnphator? Daß Babylon untergegangen, daß
die Weissagung im 13. und 14. Kapitel des Jesaja gegen die hochmütigen Könige
dieses Reichs buchstäblich in Erfüllung gegangen ist, während das Wesentliche des
Gesetzes des Moses bei Juden und Christen hente noch gilt und durch diese seine
beiden Organe die Welt beherrscht, das ist ja gerade der handgreifliche Beweis für
den übernatürlichen Ursprung der Bibel! Diese Seite der Sache beleuchtet Lasson
in seiner Predigt.

Hummel kommt in seiner Kritik der Vorträge von Delitzsch zu dem Er¬
gebnis: "Die altvrthodoxe Jnspirationslehre öder Glaube an die Buchstabeuinspira-
tion und das Widerstreben gegen die Anerkennung der Tatsache, daß die mosaischen
Schriften durch spätere Einschiebungen verändert worden sindj muß gerade den ersten
elf Kapiteln der Bibel gegenüber aufgegeben werden. Aber von der Auffassung
der Wellhausenschnle und von Delitzsch trennt uns trotzdem eine Welt." Die ge¬
nannte Schule folgert bekanntlich: Die Jsraeliten sind zur Zeit Mosis rohe Nomaden
gewesen, und solchen konnten keine Gesetze gegeben werdeu, die nur für ein se߬
haftes Kulturvolk passen. Da ferner in der Richterzeit und in der Zeit der ersten
Könige das Gesetz uicht gegolten hat, so ist offenbar die angebliche Wiederherstellung
des Gesetzes unter einigen spätern Königen und nach der Rückkehr aus der Ge¬
fangenschaft in Wirklichkeit die Gesetzgebung selbst gewesen, und deren Znrückver-
legnng in die Zeit des Moses eine Erdichtung der Priester. Nun haben die Aus¬
grabungen bewiesen, daß die Jsraeliten rings von Kulturvölkern eingeschlossen gelebt
haben, von deren Kultur sie, wenn sie auch eine Zeit lang nomadisierten, uicht un¬
berührt bleiben konnten, daß auch Arabien nicht wie heute eine Wüste, sondern ein
zivilisiertes Land gewesen ist, besonders Midian, und daß dieses Land, dessen
Priester Jethro des Moses Schwiegervater war, gottesdienstliche Gebräuche gehabt
hat, die den von Moses angeordneten ähnlich waren. (Die arabischen Ausgrabungen
hat Delitzsch gar uicht berücksichtigt.) Dadurch wird, schreibt Hommel, die minutiöse
Nitualgesetzgebung im 2. bis 4. Buche Mosis, der vo" den Wellhansenianern so¬
genannte Priesterkodex, dessen frühen Ursprung sie für unmöglich erklären, auf ein-
'"al historisch begreiflich. "Man sollte denken, die bloße Aufdeckung dieser Tat¬
sache müßte sofort die größte Umwälzung in den Anschauungen der Gelehrten von
den kultischen und Kulturzuständen der Israeliten zur Zeit des Moses herbeiführen ;
"ber unsre Alttestamentler sind nnn einmal verbohrt in die leider bereits traditionell
gewordne Meinung vom rohen Knlturstnnd der Hebräer, und rin Scheuklappen an
beiden Augen scheu sie nicht, was rechts und links vorgeht." Wellhausens religious-
philosophische Konstruktionen scheitern nach Hommel an den Tatsachen, die man
brutal nennen könne, weil sie auf die Empfindlichkeit der in ihrer Eitelkeit ge¬
kränkten Gelehrten keine Rücksicht nehmen. "Daher erklärt sich auch die fanatische
-Wut der sogenaunten modernen Kritik, die vor den gehässigsten Mitteln nicht zurnct-
Icheut. wenn es gilt, die unbequemen Gegner in den Bann zu tun, sie als rnck-
W'idig und unwissenschaftlich zu brandmarken. Mögen die Alttestamentler vor allem
"und die halben, die auf beideu Seiten hinken, sich endlich einmal ganz vom evo-
lutionl'sei'schen Banne losmachen!" . _

^. Butte wendet sich mit seiner Kritik weniger gegen Delitzsch als gegen Hugo
Mutter. Dieser hat mit Heinrich Zimmern zusammen eine gründlich umgearbeitete
dritte Ausgabe des 1872 erschienenen Werkes des Altmeisters der deutschen Assy-
rwlogie, Eberhard Schrader: Die Keilinschriften und das Alte Testament, heraus-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

teilung zu seine» Gesetzen und im Nachwort das Menschenmögliche an Selbstlob
geleistet sein Charakterzug, von dem die Frommen der Bibel das Gegenteil zeigenj
und jeden, der seine Gesetze abschaffen oder sein Denkmal zerstören würde, mit den
furchtbarsten Flüchen bedroht und alle seine Götter und Göttinnen mit Namen auf¬
gefordert, über einen solchen die grausamsten Strafen zu verhängen. Das hat aber
einen Elamiterkönig nicht abgehalten, Babylon zu plündern, unter anderm auch die
Stele Hammurabis nach Susa zu schleppen, wo sie gefunden worden ist, einige
Zeilen der Gesetze ausmeißeln zu lassen und seine eigne Inschrift darauf zu setzen.)
Kann mau blinder sein als der Trimnphator? Daß Babylon untergegangen, daß
die Weissagung im 13. und 14. Kapitel des Jesaja gegen die hochmütigen Könige
dieses Reichs buchstäblich in Erfüllung gegangen ist, während das Wesentliche des
Gesetzes des Moses bei Juden und Christen hente noch gilt und durch diese seine
beiden Organe die Welt beherrscht, das ist ja gerade der handgreifliche Beweis für
den übernatürlichen Ursprung der Bibel! Diese Seite der Sache beleuchtet Lasson
in seiner Predigt.

Hummel kommt in seiner Kritik der Vorträge von Delitzsch zu dem Er¬
gebnis: „Die altvrthodoxe Jnspirationslehre öder Glaube an die Buchstabeuinspira-
tion und das Widerstreben gegen die Anerkennung der Tatsache, daß die mosaischen
Schriften durch spätere Einschiebungen verändert worden sindj muß gerade den ersten
elf Kapiteln der Bibel gegenüber aufgegeben werden. Aber von der Auffassung
der Wellhausenschnle und von Delitzsch trennt uns trotzdem eine Welt." Die ge¬
nannte Schule folgert bekanntlich: Die Jsraeliten sind zur Zeit Mosis rohe Nomaden
gewesen, und solchen konnten keine Gesetze gegeben werdeu, die nur für ein se߬
haftes Kulturvolk passen. Da ferner in der Richterzeit und in der Zeit der ersten
Könige das Gesetz uicht gegolten hat, so ist offenbar die angebliche Wiederherstellung
des Gesetzes unter einigen spätern Königen und nach der Rückkehr aus der Ge¬
fangenschaft in Wirklichkeit die Gesetzgebung selbst gewesen, und deren Znrückver-
legnng in die Zeit des Moses eine Erdichtung der Priester. Nun haben die Aus¬
grabungen bewiesen, daß die Jsraeliten rings von Kulturvölkern eingeschlossen gelebt
haben, von deren Kultur sie, wenn sie auch eine Zeit lang nomadisierten, uicht un¬
berührt bleiben konnten, daß auch Arabien nicht wie heute eine Wüste, sondern ein
zivilisiertes Land gewesen ist, besonders Midian, und daß dieses Land, dessen
Priester Jethro des Moses Schwiegervater war, gottesdienstliche Gebräuche gehabt
hat, die den von Moses angeordneten ähnlich waren. (Die arabischen Ausgrabungen
hat Delitzsch gar uicht berücksichtigt.) Dadurch wird, schreibt Hommel, die minutiöse
Nitualgesetzgebung im 2. bis 4. Buche Mosis, der vo» den Wellhansenianern so¬
genannte Priesterkodex, dessen frühen Ursprung sie für unmöglich erklären, auf ein-
'"al historisch begreiflich. „Man sollte denken, die bloße Aufdeckung dieser Tat¬
sache müßte sofort die größte Umwälzung in den Anschauungen der Gelehrten von
den kultischen und Kulturzuständen der Israeliten zur Zeit des Moses herbeiführen ;
"ber unsre Alttestamentler sind nnn einmal verbohrt in die leider bereits traditionell
gewordne Meinung vom rohen Knlturstnnd der Hebräer, und rin Scheuklappen an
beiden Augen scheu sie nicht, was rechts und links vorgeht." Wellhausens religious-
philosophische Konstruktionen scheitern nach Hommel an den Tatsachen, die man
brutal nennen könne, weil sie auf die Empfindlichkeit der in ihrer Eitelkeit ge¬
kränkten Gelehrten keine Rücksicht nehmen. „Daher erklärt sich auch die fanatische
-Wut der sogenaunten modernen Kritik, die vor den gehässigsten Mitteln nicht zurnct-
Icheut. wenn es gilt, die unbequemen Gegner in den Bann zu tun, sie als rnck-
W'idig und unwissenschaftlich zu brandmarken. Mögen die Alttestamentler vor allem
"und die halben, die auf beideu Seiten hinken, sich endlich einmal ganz vom evo-
lutionl'sei'schen Banne losmachen!" . _

^. Butte wendet sich mit seiner Kritik weniger gegen Delitzsch als gegen Hugo
Mutter. Dieser hat mit Heinrich Zimmern zusammen eine gründlich umgearbeitete
dritte Ausgabe des 1872 erschienenen Werkes des Altmeisters der deutschen Assy-
rwlogie, Eberhard Schrader: Die Keilinschriften und das Alte Testament, heraus-


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[0179] Maßgebliches und Unmaßgebliches teilung zu seine» Gesetzen und im Nachwort das Menschenmögliche an Selbstlob geleistet sein Charakterzug, von dem die Frommen der Bibel das Gegenteil zeigenj und jeden, der seine Gesetze abschaffen oder sein Denkmal zerstören würde, mit den furchtbarsten Flüchen bedroht und alle seine Götter und Göttinnen mit Namen auf¬ gefordert, über einen solchen die grausamsten Strafen zu verhängen. Das hat aber einen Elamiterkönig nicht abgehalten, Babylon zu plündern, unter anderm auch die Stele Hammurabis nach Susa zu schleppen, wo sie gefunden worden ist, einige Zeilen der Gesetze ausmeißeln zu lassen und seine eigne Inschrift darauf zu setzen.) Kann mau blinder sein als der Trimnphator? Daß Babylon untergegangen, daß die Weissagung im 13. und 14. Kapitel des Jesaja gegen die hochmütigen Könige dieses Reichs buchstäblich in Erfüllung gegangen ist, während das Wesentliche des Gesetzes des Moses bei Juden und Christen hente noch gilt und durch diese seine beiden Organe die Welt beherrscht, das ist ja gerade der handgreifliche Beweis für den übernatürlichen Ursprung der Bibel! Diese Seite der Sache beleuchtet Lasson in seiner Predigt. Hummel kommt in seiner Kritik der Vorträge von Delitzsch zu dem Er¬ gebnis: „Die altvrthodoxe Jnspirationslehre öder Glaube an die Buchstabeuinspira- tion und das Widerstreben gegen die Anerkennung der Tatsache, daß die mosaischen Schriften durch spätere Einschiebungen verändert worden sindj muß gerade den ersten elf Kapiteln der Bibel gegenüber aufgegeben werden. Aber von der Auffassung der Wellhausenschnle und von Delitzsch trennt uns trotzdem eine Welt." Die ge¬ nannte Schule folgert bekanntlich: Die Jsraeliten sind zur Zeit Mosis rohe Nomaden gewesen, und solchen konnten keine Gesetze gegeben werdeu, die nur für ein se߬ haftes Kulturvolk passen. Da ferner in der Richterzeit und in der Zeit der ersten Könige das Gesetz uicht gegolten hat, so ist offenbar die angebliche Wiederherstellung des Gesetzes unter einigen spätern Königen und nach der Rückkehr aus der Ge¬ fangenschaft in Wirklichkeit die Gesetzgebung selbst gewesen, und deren Znrückver- legnng in die Zeit des Moses eine Erdichtung der Priester. Nun haben die Aus¬ grabungen bewiesen, daß die Jsraeliten rings von Kulturvölkern eingeschlossen gelebt haben, von deren Kultur sie, wenn sie auch eine Zeit lang nomadisierten, uicht un¬ berührt bleiben konnten, daß auch Arabien nicht wie heute eine Wüste, sondern ein zivilisiertes Land gewesen ist, besonders Midian, und daß dieses Land, dessen Priester Jethro des Moses Schwiegervater war, gottesdienstliche Gebräuche gehabt hat, die den von Moses angeordneten ähnlich waren. (Die arabischen Ausgrabungen hat Delitzsch gar uicht berücksichtigt.) Dadurch wird, schreibt Hommel, die minutiöse Nitualgesetzgebung im 2. bis 4. Buche Mosis, der vo» den Wellhansenianern so¬ genannte Priesterkodex, dessen frühen Ursprung sie für unmöglich erklären, auf ein- '"al historisch begreiflich. „Man sollte denken, die bloße Aufdeckung dieser Tat¬ sache müßte sofort die größte Umwälzung in den Anschauungen der Gelehrten von den kultischen und Kulturzuständen der Israeliten zur Zeit des Moses herbeiführen ; "ber unsre Alttestamentler sind nnn einmal verbohrt in die leider bereits traditionell gewordne Meinung vom rohen Knlturstnnd der Hebräer, und rin Scheuklappen an beiden Augen scheu sie nicht, was rechts und links vorgeht." Wellhausens religious- philosophische Konstruktionen scheitern nach Hommel an den Tatsachen, die man brutal nennen könne, weil sie auf die Empfindlichkeit der in ihrer Eitelkeit ge¬ kränkten Gelehrten keine Rücksicht nehmen. „Daher erklärt sich auch die fanatische -Wut der sogenaunten modernen Kritik, die vor den gehässigsten Mitteln nicht zurnct- Icheut. wenn es gilt, die unbequemen Gegner in den Bann zu tun, sie als rnck- W'idig und unwissenschaftlich zu brandmarken. Mögen die Alttestamentler vor allem "und die halben, die auf beideu Seiten hinken, sich endlich einmal ganz vom evo- lutionl'sei'schen Banne losmachen!" . _ ^. Butte wendet sich mit seiner Kritik weniger gegen Delitzsch als gegen Hugo Mutter. Dieser hat mit Heinrich Zimmern zusammen eine gründlich umgearbeitete dritte Ausgabe des 1872 erschienenen Werkes des Altmeisters der deutschen Assy- rwlogie, Eberhard Schrader: Die Keilinschriften und das Alte Testament, heraus-

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/179>, abgerufen am 22.07.2024.