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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Das englische Rechtswcsen

Das zum vierten Teile noch französisch sprechende Deutschlvthriugeu würde,
allein gelassen, freilich einen schwer überbrückbaren Gegensatz in sich bergen.
Aber der fränkische Stammcscharakter neigt auch nicht, wie der alemannische,
zum Kantönligeist, sondern mehr zu einer straffen Gesamtstaatsverfassung. Es
ist deshalb vorteilhafter, daß es mit Preußen in eine engere Vereinigung ge¬
bracht wird. Der stärkere Blutumlauf im Großstaat wird dann um so schneller
das welsche Blut aufsaugen und umbilden. Daß dies möglich ist, beweist die
Tatsache, daß schon jetzt viel mehr norddeutsche Art in Lothringen eingeströmt
ist als ins Elsaß, und daß es den Norddeutschen in dem früher ganz franzö¬
sischen Metz heute heimatlicher anmutet als in Straßburg. Wenn der Bezirk
Metz mit den ihm seit ältester Zeit stammverwandten Regierungsbezirken Trier
und Koblenz zu einer preußischen Moselprovinz vereinigt würde, so würden
die Lothringer im Provinziallandtag in Trier ebenso ihre Interessen wahr¬
nehmen tonnen wie in Straßburg, und ihre Abgeordneten würden im preußischen
Herren- und Abgeordnetenhaus ein gewichtiges Wort im Großstaat mitzureden
haben. Ein Kredit für die Tätigkeit einer Ansiedlungskommission würde ebenso
wie für Pose" und Westpreußen bewilligt werden, und sie würde, wie ich dies
schon im vergangnen Jahre in diesen Blättern nachgewiesen habe, bald die
besten Erfolge zeigen, wo es sich dumm handelt, die Landwirtschaft zu heben,
den Rückgang der Landbevölkernngszahl aufzuhalten und das Deutschtum aus¬
zubreiten.

(Schlich folgt)




Das englische Rechtsu?eher
Hugo Bartels von

me der belebtesten Gassen Londons ist Chaucers Laue, der die
bei ihrer Enge etwas schwierige Anfgnbe zukommt, den Verkehr
zwischen den beiden in gleicher Richtung nebeneinander laufenden
Hauptstraßeuzügen, zwischen Fleck Street und Holborn zu ver¬
mitteln- Etwa in der Mitte steht ein altersgraues Tor. Mau
braucht bloß durch dieses Tor zu gehn, und man ist wie in einer andern Welt. Ruhe
und Stille ringsum; nur gedämpft wie ein fernes Brausen dringt das Wagen-
gerassel und das Stimmengewirr der Straße herein. Die Häuser, die vor- dem
Besucher stehn, sind nicht wie sonst so viele Häuser Londons nur auf neun-
undneunzig Jahre gebaut, sondern ans längere Zeit berechnet. Manche der
Gebäude haben gar schon eine Reihe von Jahrhunderten hinter sich, und die
grauen Steine könnten von manchem weltberühmten Manne erzählen.

Erzählen könnten die, Steine von soso auch, und vielleicht viel besser.
Die könnten berichten von glüuzeuden Zeiten, wo der Liebling der Frauen,
der Herzog von Monmouth, und Edelleute vom blaucstcn Blute dort Hof
hielten, und könnte" schildern, wie allmählich das Lieblingsviertel der großen
Welt von der Höhe der Vornehmheit herabsank, bis es zu einer übelberüchtigten
Gegend wurde.


Das englische Rechtswcsen

Das zum vierten Teile noch französisch sprechende Deutschlvthriugeu würde,
allein gelassen, freilich einen schwer überbrückbaren Gegensatz in sich bergen.
Aber der fränkische Stammcscharakter neigt auch nicht, wie der alemannische,
zum Kantönligeist, sondern mehr zu einer straffen Gesamtstaatsverfassung. Es
ist deshalb vorteilhafter, daß es mit Preußen in eine engere Vereinigung ge¬
bracht wird. Der stärkere Blutumlauf im Großstaat wird dann um so schneller
das welsche Blut aufsaugen und umbilden. Daß dies möglich ist, beweist die
Tatsache, daß schon jetzt viel mehr norddeutsche Art in Lothringen eingeströmt
ist als ins Elsaß, und daß es den Norddeutschen in dem früher ganz franzö¬
sischen Metz heute heimatlicher anmutet als in Straßburg. Wenn der Bezirk
Metz mit den ihm seit ältester Zeit stammverwandten Regierungsbezirken Trier
und Koblenz zu einer preußischen Moselprovinz vereinigt würde, so würden
die Lothringer im Provinziallandtag in Trier ebenso ihre Interessen wahr¬
nehmen tonnen wie in Straßburg, und ihre Abgeordneten würden im preußischen
Herren- und Abgeordnetenhaus ein gewichtiges Wort im Großstaat mitzureden
haben. Ein Kredit für die Tätigkeit einer Ansiedlungskommission würde ebenso
wie für Pose» und Westpreußen bewilligt werden, und sie würde, wie ich dies
schon im vergangnen Jahre in diesen Blättern nachgewiesen habe, bald die
besten Erfolge zeigen, wo es sich dumm handelt, die Landwirtschaft zu heben,
den Rückgang der Landbevölkernngszahl aufzuhalten und das Deutschtum aus¬
zubreiten.

(Schlich folgt)




Das englische Rechtsu?eher
Hugo Bartels von

me der belebtesten Gassen Londons ist Chaucers Laue, der die
bei ihrer Enge etwas schwierige Anfgnbe zukommt, den Verkehr
zwischen den beiden in gleicher Richtung nebeneinander laufenden
Hauptstraßeuzügen, zwischen Fleck Street und Holborn zu ver¬
mitteln- Etwa in der Mitte steht ein altersgraues Tor. Mau
braucht bloß durch dieses Tor zu gehn, und man ist wie in einer andern Welt. Ruhe
und Stille ringsum; nur gedämpft wie ein fernes Brausen dringt das Wagen-
gerassel und das Stimmengewirr der Straße herein. Die Häuser, die vor- dem
Besucher stehn, sind nicht wie sonst so viele Häuser Londons nur auf neun-
undneunzig Jahre gebaut, sondern ans längere Zeit berechnet. Manche der
Gebäude haben gar schon eine Reihe von Jahrhunderten hinter sich, und die
grauen Steine könnten von manchem weltberühmten Manne erzählen.

Erzählen könnten die, Steine von soso auch, und vielleicht viel besser.
Die könnten berichten von glüuzeuden Zeiten, wo der Liebling der Frauen,
der Herzog von Monmouth, und Edelleute vom blaucstcn Blute dort Hof
hielten, und könnte» schildern, wie allmählich das Lieblingsviertel der großen
Welt von der Höhe der Vornehmheit herabsank, bis es zu einer übelberüchtigten
Gegend wurde.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/140>, abgerufen am 28.08.2024.