Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.vom Hohenstaufen zum hohenzollern Bemerkung machen, daß die Leute in Hohenzollern meist etwas entgegen¬ Im Jahre 1859 und sogar 1866, wo doch die Lcmdcssöhne gegen Oster¬ vom Hohenstaufen zum hohenzollern Bemerkung machen, daß die Leute in Hohenzollern meist etwas entgegen¬ Im Jahre 1859 und sogar 1866, wo doch die Lcmdcssöhne gegen Oster¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240484"/> <fw type="header" place="top"> vom Hohenstaufen zum hohenzollern</fw><lb/> <p xml:id="ID_519" prev="#ID_518"> Bemerkung machen, daß die Leute in Hohenzollern meist etwas entgegen¬<lb/> kommender und lebensfreudiger, in Württemberg etwas nüchterner, aber auch<lb/> praktischer sind und deshalb zum Teil besser vorwärts kommen. Als Hohen-<lb/> zollern 1850 in preußische Verwaltung überging, glaubte man vielfach, es<lb/> würde, gewissermaßen als eine Mainbrücke, zwischen Nord- und Süddeutschland<lb/> wirken. Diese Erwartung, auf der einen Seite könnte man es Hoffnung, auf<lb/> der andern Furcht nennen, hat sich nicht verwirklicht; und zwar deshalb, weil<lb/> dafür Hohenzollern zu klein war, es hat im ganzen nur 66 000 Einwohner.<lb/> Vor allem fehlte eine größere Stadt, in der sich ein regeres, geistiges Leben<lb/> und eine Presse hätten entfalten können, die dann eine Wirkung auf weitere<lb/> Kreise auszuüben vermocht hätten; es sind überhaupt nur zwei Städte vor¬<lb/> handen, die beiden ehemaligen Residenzen Hechingen und Sigmaringen, die<lb/> nur je 4000 Einwohner haben. Die Bewohner von Hohenzollern haben damals<lb/> den Übergang an Preußen ohne Begeisterung aber auch ohne Widerspruch<lb/> hingenommen; sie hatten im Jahre 1848 auch ihr Revolutiönle gehabt, das<lb/> sich in Hechingen mehr als in dein besser verwaltete,? Sigmaringen geltend<lb/> machte, und das deu Gedanken des Zusammenschlusses zum großen Ganzen<lb/> wachgerufen, andrerseits das Verhältnis zu den eignen Herrschern etwas ge¬<lb/> trübt hatte. Für die Stimmung damals ist die Antwort bezeichnend — sie<lb/> wird einem noch jetzt erzählt —, die der Vogt, das ist der Bürgermeister,<lb/> einer Landgemeinde dem ersten preußischen Regierungspräsidenten bei dessen<lb/> Rundreise ans die Frage gab, ob sie auch gern preußisch geworden seien:<lb/> Jo freili, aber denne Württemberger, denne verflixte, hätte mers an gönnt<lb/> (hätten wirs auch gegönnt).</p><lb/> <p xml:id="ID_520" next="#ID_521"> Im Jahre 1859 und sogar 1866, wo doch die Lcmdcssöhne gegen Oster¬<lb/> reich zu Felde zogen, war die Stimmung in Hohenzollern meist großdentsch<lb/> und deshalb für Österreich. Dies änderte sich aber, als Württemberg Hohen¬<lb/> zollern militärisch besetzte und es zu annektieren Lust zeigte; das ging den<lb/> Hohenzollern denn doch über den Spaß, und so bewirkte nach dem Kriege<lb/> das Bewußtsein, gerade Württemberg gegenüber auf der siegreichen Seite zu<lb/> stehn, einen entschiednen Umschwung, der dann auch deutlich bei der Einweihung<lb/> der Zollernburg im Jahre 1867 zum Ausdruck kam, wo dem König Wilhelm<lb/> eine wirkliche und aufrichtige Begeisterung entgegengebracht wurde. Noch großer<lb/> waren die Folgen der Jahre 1870 und 1871, besonders auch in dem Ver¬<lb/> hältnis zu Württemberg. Bis dahin hatte an manchen Orten der Grenze<lb/> eine solche Gegnerschaft bestanden, daß z. B. Heiraten zwischen beiden Ländern<lb/> sehr selten waren — ein Mädchen, das mit einem Burschen jenseits der Grenze<lb/> ging, wurde in ihrem Dorfe unmöglich —; auch die Handelsbeziehungen<lb/> wurden möglichst eingeschränkt, obgleich das bei der unregelmäßigen Form der<lb/> Grenze, wobei mehrfach schmale Landzungen des einen Gebiets in das andre<lb/> hineinragen, mit manchen Unbequemlichkeiten verknüpft war. Der Umschwung<lb/> vollzog sich aus dem innersten Vvlksempfinden heraus; in die Wege geleitet<lb/> wurde er besonders durch die Kriegervereine, die hier wie überall, wo sie sich<lb/> vom eigentlichen Parteitreiben fern halten und nur national wirken wollen,<lb/> einen sehr günstigen Einfluß ausgeübt haben. Die jungen Männer, die im</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0102]
vom Hohenstaufen zum hohenzollern
Bemerkung machen, daß die Leute in Hohenzollern meist etwas entgegen¬
kommender und lebensfreudiger, in Württemberg etwas nüchterner, aber auch
praktischer sind und deshalb zum Teil besser vorwärts kommen. Als Hohen-
zollern 1850 in preußische Verwaltung überging, glaubte man vielfach, es
würde, gewissermaßen als eine Mainbrücke, zwischen Nord- und Süddeutschland
wirken. Diese Erwartung, auf der einen Seite könnte man es Hoffnung, auf
der andern Furcht nennen, hat sich nicht verwirklicht; und zwar deshalb, weil
dafür Hohenzollern zu klein war, es hat im ganzen nur 66 000 Einwohner.
Vor allem fehlte eine größere Stadt, in der sich ein regeres, geistiges Leben
und eine Presse hätten entfalten können, die dann eine Wirkung auf weitere
Kreise auszuüben vermocht hätten; es sind überhaupt nur zwei Städte vor¬
handen, die beiden ehemaligen Residenzen Hechingen und Sigmaringen, die
nur je 4000 Einwohner haben. Die Bewohner von Hohenzollern haben damals
den Übergang an Preußen ohne Begeisterung aber auch ohne Widerspruch
hingenommen; sie hatten im Jahre 1848 auch ihr Revolutiönle gehabt, das
sich in Hechingen mehr als in dein besser verwaltete,? Sigmaringen geltend
machte, und das deu Gedanken des Zusammenschlusses zum großen Ganzen
wachgerufen, andrerseits das Verhältnis zu den eignen Herrschern etwas ge¬
trübt hatte. Für die Stimmung damals ist die Antwort bezeichnend — sie
wird einem noch jetzt erzählt —, die der Vogt, das ist der Bürgermeister,
einer Landgemeinde dem ersten preußischen Regierungspräsidenten bei dessen
Rundreise ans die Frage gab, ob sie auch gern preußisch geworden seien:
Jo freili, aber denne Württemberger, denne verflixte, hätte mers an gönnt
(hätten wirs auch gegönnt).
Im Jahre 1859 und sogar 1866, wo doch die Lcmdcssöhne gegen Oster¬
reich zu Felde zogen, war die Stimmung in Hohenzollern meist großdentsch
und deshalb für Österreich. Dies änderte sich aber, als Württemberg Hohen¬
zollern militärisch besetzte und es zu annektieren Lust zeigte; das ging den
Hohenzollern denn doch über den Spaß, und so bewirkte nach dem Kriege
das Bewußtsein, gerade Württemberg gegenüber auf der siegreichen Seite zu
stehn, einen entschiednen Umschwung, der dann auch deutlich bei der Einweihung
der Zollernburg im Jahre 1867 zum Ausdruck kam, wo dem König Wilhelm
eine wirkliche und aufrichtige Begeisterung entgegengebracht wurde. Noch großer
waren die Folgen der Jahre 1870 und 1871, besonders auch in dem Ver¬
hältnis zu Württemberg. Bis dahin hatte an manchen Orten der Grenze
eine solche Gegnerschaft bestanden, daß z. B. Heiraten zwischen beiden Ländern
sehr selten waren — ein Mädchen, das mit einem Burschen jenseits der Grenze
ging, wurde in ihrem Dorfe unmöglich —; auch die Handelsbeziehungen
wurden möglichst eingeschränkt, obgleich das bei der unregelmäßigen Form der
Grenze, wobei mehrfach schmale Landzungen des einen Gebiets in das andre
hineinragen, mit manchen Unbequemlichkeiten verknüpft war. Der Umschwung
vollzog sich aus dem innersten Vvlksempfinden heraus; in die Wege geleitet
wurde er besonders durch die Kriegervereine, die hier wie überall, wo sie sich
vom eigentlichen Parteitreiben fern halten und nur national wirken wollen,
einen sehr günstigen Einfluß ausgeübt haben. Die jungen Männer, die im
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