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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Feuer!

uügeude Pension von Weimar einnehme". Ans meine Entschuldigung, das; eZ mir
unrecht schiene, den Arbeitenden ihr Brot zu mindern, antwortete er rasch was
ich Ihnen, meinem Vertrauten, ohne Schein der Eitelkeit wiederholen kann -- mein
bloßes Hiersein wirke mehr, als die Arbeit von so manchem; und ich hätte genug
für Deutschland, u. dadurch mit für Jena, gearbeitet, man sei mir meine Existenz
zu erhalten schuldig. Seitdem hat Gfoethe) gekränkelt, u. ich habe vermieden,
sowohl zu schreiben, als nach Weimar zu gehn. Jetzt, höre ich, ist die Rede von
einer festeren Versorgung, damit ich nicht (was man glaubt) mich von Jcieobi in
die Münchner Akademie der Wissenschaft ziehn lasse. Eine Anfrage unter der
Hand, ob es meine Delicatesse beleidigen würde, wenn man meiner Frau ein
Witweugehalt zusicherte, habe ich verzögert; und die schmeichelhaften Wünsche, mich
bald in W(cimar) zu sehn, die neulich durch einen Gruß des Erbprinzen, den ich noch
nicht kenne, verstärkt wurden, zu erfülle", habe ich bisher mit dem bösen Wetter und
meinem Rheumatismus mich entschuldigt. Alles, weil ich, seitdem Sie mir eine Ein¬
ladung nach Heidelberg ankündigten, von nichts als von Heidelberg träumen mochte!

Man kann wohl versteh", daß Voß, nachdem er darüber geschlafen hatte,
diesen Entwurf beiseite legte; für uns ist er wertvoller als das höflich ge¬
messene Schreiben, das an seine Stelle trat. Einen unmittelbaren Einblick
gewährt er in das Leben der kleinen Universitätstadt, in die Sorgen und
Freuden eines Professors vor hundert Jahren; und zugleich gibt er einen
frischen Beitrag zur Charakteristik des Mannes, den der praktische Sinn des
norddeutschen Banernsohnes auch im Verkehr mit der Welt der Geheimräte
nicht verließ. Übrigens brachte auch die abgeänderte Form den Erfolg, aus
den der Schreiber doch wohl im stillen gehofft hatte: Kurfürst Karl Friedrich
ließ durch den Kurator Hofer die gebotene Pension verdoppeln und freien
^mzug bewilligen. So konnte Voß im Juli 1805 in Heidelberg einziehn.

Beide hier mitgeteilten Schriftstücke sind jetzt im Besitze des Königlichen
Hofbuchdruckers und Verlagsbuchhündlers Johannes Voß in Düsseldorf, eines
Enkels von Abraham Voß,' also Urenkels des Dichters. Es war sein Wunsch,
daß sie veröffentlicht würden; und ich habe mich gern der freundlichen Aufgabe
unterzogen, soviel an Erläuterung beizugeben, als zum Verständnis der Situation
nötig erschien.


Paul Lauer


Feuer!
Erinnerung aus den: russischen polizeileben
Alexander Andreas von(Fortsetzung)
15

l uter solchen Gedanken erreichte ich das Haus und den Hof und sah
das Hinterhäuscheu vor mir. Ich hatte die Absicht gehabt, am
Vormittag vorzusprechen, und jetzt war die Abenddämmerung nicht
mehr fern. Ich hatte noch nichts gegessen. Doch das hielt mich
nicht ab. Ich öffnete und geriet in ein Vorhaus. Geradeaus war
_Idie Küche, wie ich durch die Glasscheiben in der Tür erkennen
konnte. In der Küche brannte Feuer, und jemand war daran beschäftigt. Die
größere Tür rechts, hinter der Hammerschläge schallten, führte also zur Stube.


Feuer!

uügeude Pension von Weimar einnehme». Ans meine Entschuldigung, das; eZ mir
unrecht schiene, den Arbeitenden ihr Brot zu mindern, antwortete er rasch was
ich Ihnen, meinem Vertrauten, ohne Schein der Eitelkeit wiederholen kann — mein
bloßes Hiersein wirke mehr, als die Arbeit von so manchem; und ich hätte genug
für Deutschland, u. dadurch mit für Jena, gearbeitet, man sei mir meine Existenz
zu erhalten schuldig. Seitdem hat Gfoethe) gekränkelt, u. ich habe vermieden,
sowohl zu schreiben, als nach Weimar zu gehn. Jetzt, höre ich, ist die Rede von
einer festeren Versorgung, damit ich nicht (was man glaubt) mich von Jcieobi in
die Münchner Akademie der Wissenschaft ziehn lasse. Eine Anfrage unter der
Hand, ob es meine Delicatesse beleidigen würde, wenn man meiner Frau ein
Witweugehalt zusicherte, habe ich verzögert; und die schmeichelhaften Wünsche, mich
bald in W(cimar) zu sehn, die neulich durch einen Gruß des Erbprinzen, den ich noch
nicht kenne, verstärkt wurden, zu erfülle», habe ich bisher mit dem bösen Wetter und
meinem Rheumatismus mich entschuldigt. Alles, weil ich, seitdem Sie mir eine Ein¬
ladung nach Heidelberg ankündigten, von nichts als von Heidelberg träumen mochte!

Man kann wohl versteh», daß Voß, nachdem er darüber geschlafen hatte,
diesen Entwurf beiseite legte; für uns ist er wertvoller als das höflich ge¬
messene Schreiben, das an seine Stelle trat. Einen unmittelbaren Einblick
gewährt er in das Leben der kleinen Universitätstadt, in die Sorgen und
Freuden eines Professors vor hundert Jahren; und zugleich gibt er einen
frischen Beitrag zur Charakteristik des Mannes, den der praktische Sinn des
norddeutschen Banernsohnes auch im Verkehr mit der Welt der Geheimräte
nicht verließ. Übrigens brachte auch die abgeänderte Form den Erfolg, aus
den der Schreiber doch wohl im stillen gehofft hatte: Kurfürst Karl Friedrich
ließ durch den Kurator Hofer die gebotene Pension verdoppeln und freien
^mzug bewilligen. So konnte Voß im Juli 1805 in Heidelberg einziehn.

Beide hier mitgeteilten Schriftstücke sind jetzt im Besitze des Königlichen
Hofbuchdruckers und Verlagsbuchhündlers Johannes Voß in Düsseldorf, eines
Enkels von Abraham Voß,' also Urenkels des Dichters. Es war sein Wunsch,
daß sie veröffentlicht würden; und ich habe mich gern der freundlichen Aufgabe
unterzogen, soviel an Erläuterung beizugeben, als zum Verständnis der Situation
nötig erschien.


Paul Lauer


Feuer!
Erinnerung aus den: russischen polizeileben
Alexander Andreas von(Fortsetzung)
15

l uter solchen Gedanken erreichte ich das Haus und den Hof und sah
das Hinterhäuscheu vor mir. Ich hatte die Absicht gehabt, am
Vormittag vorzusprechen, und jetzt war die Abenddämmerung nicht
mehr fern. Ich hatte noch nichts gegessen. Doch das hielt mich
nicht ab. Ich öffnete und geriet in ein Vorhaus. Geradeaus war
_Idie Küche, wie ich durch die Glasscheiben in der Tür erkennen
konnte. In der Küche brannte Feuer, und jemand war daran beschäftigt. Die
größere Tür rechts, hinter der Hammerschläge schallten, führte also zur Stube.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/805>, abgerufen am 24.11.2024.