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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

kein Zufall sein. Da, wo die Aussicht auf den weiten Himmelsraum nicht durch
Höhen und Berge versperrt wird, hat das spähende Auge natürlich die beste Ge¬
legenheit die Gestalt, den Wechsel, den beständigen Zug der Wolken zu beobachten;
.aber nicht darum allein spiegeln sich die Wolken reiner und schärfer in diesen Dichter¬
seelen, sondern weil dieser Spiegel gerade dazu recht geeignet ist." Das ist gewiß
richtig; die angeführte kosmologische Tatsache und die subjektive Fähigkeit zu beob¬
achten, lebhaft zu empfinden und das Geschaute auf sich wirken zu lassen, müssen
zusammenkommen, um das Ergebnis zu liefern. Aber die weiten Ebnen machen
es nicht aNein, es kommt doch wohl dazu, daß der nordische Hummel durchgehends
eine stärkere und mannigfaltigere Bewölkung zeigt als der südliche, jedenfalls
spiegelt sich Ratzels Beobachtung auch in der Sprache wieder, deren vielfach ver¬
witterte Zeichen freilich nur der Kundige zu deuten versteht. Weshalb secht bei
den slavische" Völkerschaften der Himmel medo oder niodo, d. i. v^/xi? und "ubos
Offenbar deswegen, weil dem slavischen Bewohner des Ostlandcs. wenn er zum
Himmel emporschaute. das Gewölk als das am meisten charakteristische Merkmal am
Himmelsgewölbe ins Auge fiel. Und das muß noch viel wirksamer gewesen sein
zu einer Zeit, wo endlose Waldungen, ungeregelte Flußläufe und weites Sumpf¬
land die Wolkenbildung noch in weit stärkeren Maße begünstigten, als das heute
der Fall ist. Aber anch die Engländer, die Stammverwandten und Nachbarn der
Niederländer, haben den Himmel nach den Wolken benannt, ohne freilich das ihnen
von anders her überlieferte Erbwort booton, jetzt Iisavcm, aufzugeben; sie haben das
offenbar getan, weil die hier in Frage kommenden klimatischen Bedingungen ungefähr
ebenso sind wie im fernen Osten. Freilich das Wort vvvIKiu -- wolicon -- denn so
mit dem n am Ende lautete auch das deutsche Wort ursprünglich -- ist heute
veraltet und gehörte von je vorzugsweise der Poesie um. Aber das Wort si^,
das ebenfalls die Wolke bezeichnet, ist noch heute lebendig und wird gewiß ebenso
oft gebraucht wie das gleichbedeutende beaver, wenn es auch nicht denselben Be¬
griffsumfang hat. Geht man freilich noch weiter zurück, so findet man, daß sie>,
verwandt mit dem gotischen skuxgv-i und dem althochdeutscher skuvvo, eigentlich
den Schatten bedeutet -- eine treffende Metapher, da wirklich der Himmel vou
dem darüber hinziehenden Gewölk beschattet wird. Interessant und bezeichnend für
Sinn und Verwendung der beiden Wörter ist folgender Satz, der sich bei Chaucer
findet: eine it "e, Isles not a, sino in "I tho welken, daß keine Wolke am ganzen
Himmel blieb. Hier ist skio --öl? noch in der ältern, auch jetzt noch nicht er-
loschnen Bedeutung zu nehmen, während weitem schon das ganze Himmelsgewölbe
bezeichnet. Übrigens stammt das englische Wort in dieser Lautform vermutlich aus
Skandinavien -- dies aus Gründen, die hier anzuführen zu weitläufig wäre. Den
gedachten Bedeutungswandel aber haben die nordischen Sprachen nicht mitgemacht,
wiewohl in der stehende" Redensart "px tü si^^roh, d. h. zum Himmel empor,
ein Anlauf dazu genommen ist. Im allgemeinen bezeichnet sit? in allen skandi¬
navischen Sprachen noch jetzt nur die Wolke, nicht den Gesamthimmel. Um aber
noch einmal ans England zurückzukommen: daß die großen Wolkenkündiger Howard
und Shelley Engländer waren, steht mit dem, was uns die englische Sprache lehrt,
w schönstem Einklang.

Die erwähnten Bezeichnungen hängen also sicherlich mit der Beschaffenheit des
nordischen Himmels zusammen. Auch in Deutschland hätte man zu denselben oder
ZU ähnlichen Ausdrücken gelangen können. Wenn das nicht geschehn ist, so wird
das reiner Zufall sein, an den klimatischen Voraussetzungen hat es namentlich in der
Urzeit nicht gefehlt. Aber der südliche Himmel strahlt in hellerm Glänze als der
nordische, daher der Name des italische" Himmelsgottes ^uxxitsr (d. i. viovis
Mehl), des griechischen ^-og, des indischen v^ans; denn alle diese Namen und noch
andre verwandte bezeichnen den Himmel als die Quelle des Lichts. Daß die Ur¬
heimat der Arier uicht in Asien, sondern weiter im Norden, in Osteuropa oder
gar in Skandinavien zu suchen sei, ist heute ein Lieblingsgedauke vieler Ethnologe"


Maßgebliches und Unmaßgebliches

kein Zufall sein. Da, wo die Aussicht auf den weiten Himmelsraum nicht durch
Höhen und Berge versperrt wird, hat das spähende Auge natürlich die beste Ge¬
legenheit die Gestalt, den Wechsel, den beständigen Zug der Wolken zu beobachten;
.aber nicht darum allein spiegeln sich die Wolken reiner und schärfer in diesen Dichter¬
seelen, sondern weil dieser Spiegel gerade dazu recht geeignet ist." Das ist gewiß
richtig; die angeführte kosmologische Tatsache und die subjektive Fähigkeit zu beob¬
achten, lebhaft zu empfinden und das Geschaute auf sich wirken zu lassen, müssen
zusammenkommen, um das Ergebnis zu liefern. Aber die weiten Ebnen machen
es nicht aNein, es kommt doch wohl dazu, daß der nordische Hummel durchgehends
eine stärkere und mannigfaltigere Bewölkung zeigt als der südliche, jedenfalls
spiegelt sich Ratzels Beobachtung auch in der Sprache wieder, deren vielfach ver¬
witterte Zeichen freilich nur der Kundige zu deuten versteht. Weshalb secht bei
den slavische» Völkerschaften der Himmel medo oder niodo, d. i. v^/xi? und »ubos
Offenbar deswegen, weil dem slavischen Bewohner des Ostlandcs. wenn er zum
Himmel emporschaute. das Gewölk als das am meisten charakteristische Merkmal am
Himmelsgewölbe ins Auge fiel. Und das muß noch viel wirksamer gewesen sein
zu einer Zeit, wo endlose Waldungen, ungeregelte Flußläufe und weites Sumpf¬
land die Wolkenbildung noch in weit stärkeren Maße begünstigten, als das heute
der Fall ist. Aber anch die Engländer, die Stammverwandten und Nachbarn der
Niederländer, haben den Himmel nach den Wolken benannt, ohne freilich das ihnen
von anders her überlieferte Erbwort booton, jetzt Iisavcm, aufzugeben; sie haben das
offenbar getan, weil die hier in Frage kommenden klimatischen Bedingungen ungefähr
ebenso sind wie im fernen Osten. Freilich das Wort vvvIKiu — wolicon — denn so
mit dem n am Ende lautete auch das deutsche Wort ursprünglich — ist heute
veraltet und gehörte von je vorzugsweise der Poesie um. Aber das Wort si^,
das ebenfalls die Wolke bezeichnet, ist noch heute lebendig und wird gewiß ebenso
oft gebraucht wie das gleichbedeutende beaver, wenn es auch nicht denselben Be¬
griffsumfang hat. Geht man freilich noch weiter zurück, so findet man, daß sie>,
verwandt mit dem gotischen skuxgv-i und dem althochdeutscher skuvvo, eigentlich
den Schatten bedeutet — eine treffende Metapher, da wirklich der Himmel vou
dem darüber hinziehenden Gewölk beschattet wird. Interessant und bezeichnend für
Sinn und Verwendung der beiden Wörter ist folgender Satz, der sich bei Chaucer
findet: eine it »e, Isles not a, sino in »I tho welken, daß keine Wolke am ganzen
Himmel blieb. Hier ist skio —öl? noch in der ältern, auch jetzt noch nicht er-
loschnen Bedeutung zu nehmen, während weitem schon das ganze Himmelsgewölbe
bezeichnet. Übrigens stammt das englische Wort in dieser Lautform vermutlich aus
Skandinavien — dies aus Gründen, die hier anzuführen zu weitläufig wäre. Den
gedachten Bedeutungswandel aber haben die nordischen Sprachen nicht mitgemacht,
wiewohl in der stehende» Redensart »px tü si^^roh, d. h. zum Himmel empor,
ein Anlauf dazu genommen ist. Im allgemeinen bezeichnet sit? in allen skandi¬
navischen Sprachen noch jetzt nur die Wolke, nicht den Gesamthimmel. Um aber
noch einmal ans England zurückzukommen: daß die großen Wolkenkündiger Howard
und Shelley Engländer waren, steht mit dem, was uns die englische Sprache lehrt,
w schönstem Einklang.

Die erwähnten Bezeichnungen hängen also sicherlich mit der Beschaffenheit des
nordischen Himmels zusammen. Auch in Deutschland hätte man zu denselben oder
ZU ähnlichen Ausdrücken gelangen können. Wenn das nicht geschehn ist, so wird
das reiner Zufall sein, an den klimatischen Voraussetzungen hat es namentlich in der
Urzeit nicht gefehlt. Aber der südliche Himmel strahlt in hellerm Glänze als der
nordische, daher der Name des italische» Himmelsgottes ^uxxitsr (d. i. viovis
Mehl), des griechischen ^-og, des indischen v^ans; denn alle diese Namen und noch
andre verwandte bezeichnen den Himmel als die Quelle des Lichts. Daß die Ur¬
heimat der Arier uicht in Asien, sondern weiter im Norden, in Osteuropa oder
gar in Skandinavien zu suchen sei, ist heute ein Lieblingsgedauke vieler Ethnologe»


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[0759] Maßgebliches und Unmaßgebliches kein Zufall sein. Da, wo die Aussicht auf den weiten Himmelsraum nicht durch Höhen und Berge versperrt wird, hat das spähende Auge natürlich die beste Ge¬ legenheit die Gestalt, den Wechsel, den beständigen Zug der Wolken zu beobachten; .aber nicht darum allein spiegeln sich die Wolken reiner und schärfer in diesen Dichter¬ seelen, sondern weil dieser Spiegel gerade dazu recht geeignet ist." Das ist gewiß richtig; die angeführte kosmologische Tatsache und die subjektive Fähigkeit zu beob¬ achten, lebhaft zu empfinden und das Geschaute auf sich wirken zu lassen, müssen zusammenkommen, um das Ergebnis zu liefern. Aber die weiten Ebnen machen es nicht aNein, es kommt doch wohl dazu, daß der nordische Hummel durchgehends eine stärkere und mannigfaltigere Bewölkung zeigt als der südliche, jedenfalls spiegelt sich Ratzels Beobachtung auch in der Sprache wieder, deren vielfach ver¬ witterte Zeichen freilich nur der Kundige zu deuten versteht. Weshalb secht bei den slavische» Völkerschaften der Himmel medo oder niodo, d. i. v^/xi? und »ubos Offenbar deswegen, weil dem slavischen Bewohner des Ostlandcs. wenn er zum Himmel emporschaute. das Gewölk als das am meisten charakteristische Merkmal am Himmelsgewölbe ins Auge fiel. Und das muß noch viel wirksamer gewesen sein zu einer Zeit, wo endlose Waldungen, ungeregelte Flußläufe und weites Sumpf¬ land die Wolkenbildung noch in weit stärkeren Maße begünstigten, als das heute der Fall ist. Aber anch die Engländer, die Stammverwandten und Nachbarn der Niederländer, haben den Himmel nach den Wolken benannt, ohne freilich das ihnen von anders her überlieferte Erbwort booton, jetzt Iisavcm, aufzugeben; sie haben das offenbar getan, weil die hier in Frage kommenden klimatischen Bedingungen ungefähr ebenso sind wie im fernen Osten. Freilich das Wort vvvIKiu — wolicon — denn so mit dem n am Ende lautete auch das deutsche Wort ursprünglich — ist heute veraltet und gehörte von je vorzugsweise der Poesie um. Aber das Wort si^, das ebenfalls die Wolke bezeichnet, ist noch heute lebendig und wird gewiß ebenso oft gebraucht wie das gleichbedeutende beaver, wenn es auch nicht denselben Be¬ griffsumfang hat. Geht man freilich noch weiter zurück, so findet man, daß sie>, verwandt mit dem gotischen skuxgv-i und dem althochdeutscher skuvvo, eigentlich den Schatten bedeutet — eine treffende Metapher, da wirklich der Himmel vou dem darüber hinziehenden Gewölk beschattet wird. Interessant und bezeichnend für Sinn und Verwendung der beiden Wörter ist folgender Satz, der sich bei Chaucer findet: eine it »e, Isles not a, sino in »I tho welken, daß keine Wolke am ganzen Himmel blieb. Hier ist skio —öl? noch in der ältern, auch jetzt noch nicht er- loschnen Bedeutung zu nehmen, während weitem schon das ganze Himmelsgewölbe bezeichnet. Übrigens stammt das englische Wort in dieser Lautform vermutlich aus Skandinavien — dies aus Gründen, die hier anzuführen zu weitläufig wäre. Den gedachten Bedeutungswandel aber haben die nordischen Sprachen nicht mitgemacht, wiewohl in der stehende» Redensart »px tü si^^roh, d. h. zum Himmel empor, ein Anlauf dazu genommen ist. Im allgemeinen bezeichnet sit? in allen skandi¬ navischen Sprachen noch jetzt nur die Wolke, nicht den Gesamthimmel. Um aber noch einmal ans England zurückzukommen: daß die großen Wolkenkündiger Howard und Shelley Engländer waren, steht mit dem, was uns die englische Sprache lehrt, w schönstem Einklang. Die erwähnten Bezeichnungen hängen also sicherlich mit der Beschaffenheit des nordischen Himmels zusammen. Auch in Deutschland hätte man zu denselben oder ZU ähnlichen Ausdrücken gelangen können. Wenn das nicht geschehn ist, so wird das reiner Zufall sein, an den klimatischen Voraussetzungen hat es namentlich in der Urzeit nicht gefehlt. Aber der südliche Himmel strahlt in hellerm Glänze als der nordische, daher der Name des italische» Himmelsgottes ^uxxitsr (d. i. viovis Mehl), des griechischen ^-og, des indischen v^ans; denn alle diese Namen und noch andre verwandte bezeichnen den Himmel als die Quelle des Lichts. Daß die Ur¬ heimat der Arier uicht in Asien, sondern weiter im Norden, in Osteuropa oder gar in Skandinavien zu suchen sei, ist heute ein Lieblingsgedauke vieler Ethnologe»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/759>, abgerufen am 24.11.2024.