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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

geben, daß nicht leicht Mißgriffe vorkommen können. Die ihrer Zeit ini preußischen
Abgeordnetenhause nusgesprochne Besorgnis, daß durch solche Schutzgesetze der Grund¬
satz der Unverletzlichkeit des Eigentums gefährdet und erschüttert werden könne, kann
bei einem Gesetze wie das hessische nicht aufkommen, wenn man in der Auffassung
des Begriffs eines "öffentlichen Interesses" mit der nötigen Sorgfalt verfährt.
Der Abschnitt des hessischen Schutzgesetzes über die Naturdenkmäler bietet juristisch
etwas ganz neues und verdient die größte Aufmerksamkeit nud Anerkennung. Dieses
Gebiet ist vielleicht das schwierigste in der ganzen Denkmalpflege, da die Be¬
stimmungen am tiefste" in die praktischen Verhältnisse eingreifen können; man denke nur
an die vielen Bergbahnen, die allerorten angelegt werden und den reinen Natur¬
genuß recht empfindlich stören und schädigen können.

Übrigens kann man an das neue hessische Gesetz noch besondre Betrachtungen
anknüpfen. Bisher ist es z. V. oft bitter beklagt worden, wenn ein herrschaftlicher
Park oder eine ähnliche Anlage im Interesse des öffentlichen Wohls von einer
Eisenbahn durchschnitten werden mußte und dadurch ganz bedeutend entwertet wurde.
Das Gesetz gibt dagegen Bestimmungen um die Hand, wonach eben ein solcher
Park aus demselben öffentlichen Interesse vor Entwertung geschützt werden soll.
Dieser Fall kann eintreten, wenn etwa der Besitzer aus irgend einem Grunde darin
stehende uralte Bäume oder seltne Baumarten -- Eiden und dergl. -- beseitigen
will. Da kann unter Umständen das Naturschutzgesetz hindernd eingreifen und die
Bäume unter staatlichen Schutz stellen. Es will die Natur, ihre Schönheit und
Eigentümlichkeit gegen rücksichtslose wirtschaftliche Ausbeutung schützen und damit
die Naturschönheit allen Volksklassen näher bringen und zugänglich machen. Das
ist die soziale Seite des Gesetzes, und wenn erst das Volk sieht, daß nicht mehr
jeder Privateigentümer oder jede Körperschaft nach Willkür und Laune in der
Naturschändung schalten und walten kann, sondern daß auch ans diesem Gebiete der
Staat dem Besitzer uns die Finger sehen und ein Wort mitreden darf, wie es ja
bei der Waldkultur schon überall in ausgedehnter Weise durch Einreichnng von
Betriebsplänen und ähnlichen Maßregeln geschieht, dann wird auch im Volke wieder
mehr Sinn für die Schönheit und Erhabenheit der Natur geweckt werden. Es ist
deshalb an der Zeit, daß auch die andern Staaten, Preußen voran, Gesetze uach
dem Muster des hessischen erlassen.


R. Krieg
Das Krebsbüchlein.

Die Leser der Grenzboten werden sich des inter¬
essanten Aufsatzes "Von einer Weltreise" in Nummer 44 des vorigen Jahrgangs
erinnern, worin Georg Schiele die Beobachtungen mitteilt, die er über "Die Psycho¬
logie des Tropenkollers" angestellt hat. Seine Erfahrungen führten zu dem
Schluß, daß der Tropenkoller nichts zu tun habe mit krankmachenden Wirkungen
des Klimas, sondern daß man ihn aus dem Rausch des Herrentums erklären müsse,
in den der in die Tropen kommende Europäer zu geraten pflegt.

Eine ähnliche Ansicht über das Wesen dieser Erscheinung, um der wohl der
Name "Tropenkoller" das einzig neue ist, finden wir in einem Buch ans dem
Jahre 1781 ausgesprochen. "Es wurde die Frage aufgeworfen, heißt es dort,
woher es doch kommen müsse, daß der Europäer, sobald er auf Ostindiens heißen
Boden käme, seine Natur so verändre und die zärtliche Tcilnehmnng an seiner
Nebenmenschen Leiden, die er insgemein mit aus seinem Vaterlnnde brächte, mit
barbarischer Fühllosigkeit vertausche? Der Grund hiervon ist so schwer nicht zu
finden. Boden und Himmelsstrich sind hieran schuld. In den Ländern, die wir
nur in der Absicht besuchen, um uns mit ihren Schätzen zu bereichern, sind nun
einmal durch ein die Menschheit entehrendes Vorurteil den Landesbewohnern die
Rechte der Menschheit entwunden und den Europäern das unumschränkte Recht, sie
SU mißhnudeln, zugestanden worden. Dieses Vorurteil atmet der Europäer ein, so¬
bald er seinen Fuß vom Schisse ans das Land setzt, und fühlt bald die Wirkungdavon an seinem Herzen."


Maßgebliches und Unmaßgebliches

geben, daß nicht leicht Mißgriffe vorkommen können. Die ihrer Zeit ini preußischen
Abgeordnetenhause nusgesprochne Besorgnis, daß durch solche Schutzgesetze der Grund¬
satz der Unverletzlichkeit des Eigentums gefährdet und erschüttert werden könne, kann
bei einem Gesetze wie das hessische nicht aufkommen, wenn man in der Auffassung
des Begriffs eines „öffentlichen Interesses" mit der nötigen Sorgfalt verfährt.
Der Abschnitt des hessischen Schutzgesetzes über die Naturdenkmäler bietet juristisch
etwas ganz neues und verdient die größte Aufmerksamkeit nud Anerkennung. Dieses
Gebiet ist vielleicht das schwierigste in der ganzen Denkmalpflege, da die Be¬
stimmungen am tiefste» in die praktischen Verhältnisse eingreifen können; man denke nur
an die vielen Bergbahnen, die allerorten angelegt werden und den reinen Natur¬
genuß recht empfindlich stören und schädigen können.

Übrigens kann man an das neue hessische Gesetz noch besondre Betrachtungen
anknüpfen. Bisher ist es z. V. oft bitter beklagt worden, wenn ein herrschaftlicher
Park oder eine ähnliche Anlage im Interesse des öffentlichen Wohls von einer
Eisenbahn durchschnitten werden mußte und dadurch ganz bedeutend entwertet wurde.
Das Gesetz gibt dagegen Bestimmungen um die Hand, wonach eben ein solcher
Park aus demselben öffentlichen Interesse vor Entwertung geschützt werden soll.
Dieser Fall kann eintreten, wenn etwa der Besitzer aus irgend einem Grunde darin
stehende uralte Bäume oder seltne Baumarten — Eiden und dergl. — beseitigen
will. Da kann unter Umständen das Naturschutzgesetz hindernd eingreifen und die
Bäume unter staatlichen Schutz stellen. Es will die Natur, ihre Schönheit und
Eigentümlichkeit gegen rücksichtslose wirtschaftliche Ausbeutung schützen und damit
die Naturschönheit allen Volksklassen näher bringen und zugänglich machen. Das
ist die soziale Seite des Gesetzes, und wenn erst das Volk sieht, daß nicht mehr
jeder Privateigentümer oder jede Körperschaft nach Willkür und Laune in der
Naturschändung schalten und walten kann, sondern daß auch ans diesem Gebiete der
Staat dem Besitzer uns die Finger sehen und ein Wort mitreden darf, wie es ja
bei der Waldkultur schon überall in ausgedehnter Weise durch Einreichnng von
Betriebsplänen und ähnlichen Maßregeln geschieht, dann wird auch im Volke wieder
mehr Sinn für die Schönheit und Erhabenheit der Natur geweckt werden. Es ist
deshalb an der Zeit, daß auch die andern Staaten, Preußen voran, Gesetze uach
dem Muster des hessischen erlassen.


R. Krieg
Das Krebsbüchlein.

Die Leser der Grenzboten werden sich des inter¬
essanten Aufsatzes „Von einer Weltreise" in Nummer 44 des vorigen Jahrgangs
erinnern, worin Georg Schiele die Beobachtungen mitteilt, die er über „Die Psycho¬
logie des Tropenkollers" angestellt hat. Seine Erfahrungen führten zu dem
Schluß, daß der Tropenkoller nichts zu tun habe mit krankmachenden Wirkungen
des Klimas, sondern daß man ihn aus dem Rausch des Herrentums erklären müsse,
in den der in die Tropen kommende Europäer zu geraten pflegt.

Eine ähnliche Ansicht über das Wesen dieser Erscheinung, um der wohl der
Name „Tropenkoller" das einzig neue ist, finden wir in einem Buch ans dem
Jahre 1781 ausgesprochen. „Es wurde die Frage aufgeworfen, heißt es dort,
woher es doch kommen müsse, daß der Europäer, sobald er auf Ostindiens heißen
Boden käme, seine Natur so verändre und die zärtliche Tcilnehmnng an seiner
Nebenmenschen Leiden, die er insgemein mit aus seinem Vaterlnnde brächte, mit
barbarischer Fühllosigkeit vertausche? Der Grund hiervon ist so schwer nicht zu
finden. Boden und Himmelsstrich sind hieran schuld. In den Ländern, die wir
nur in der Absicht besuchen, um uns mit ihren Schätzen zu bereichern, sind nun
einmal durch ein die Menschheit entehrendes Vorurteil den Landesbewohnern die
Rechte der Menschheit entwunden und den Europäern das unumschränkte Recht, sie
SU mißhnudeln, zugestanden worden. Dieses Vorurteil atmet der Europäer ein, so¬
bald er seinen Fuß vom Schisse ans das Land setzt, und fühlt bald die Wirkungdavon an seinem Herzen."


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[0755] Maßgebliches und Unmaßgebliches geben, daß nicht leicht Mißgriffe vorkommen können. Die ihrer Zeit ini preußischen Abgeordnetenhause nusgesprochne Besorgnis, daß durch solche Schutzgesetze der Grund¬ satz der Unverletzlichkeit des Eigentums gefährdet und erschüttert werden könne, kann bei einem Gesetze wie das hessische nicht aufkommen, wenn man in der Auffassung des Begriffs eines „öffentlichen Interesses" mit der nötigen Sorgfalt verfährt. Der Abschnitt des hessischen Schutzgesetzes über die Naturdenkmäler bietet juristisch etwas ganz neues und verdient die größte Aufmerksamkeit nud Anerkennung. Dieses Gebiet ist vielleicht das schwierigste in der ganzen Denkmalpflege, da die Be¬ stimmungen am tiefste» in die praktischen Verhältnisse eingreifen können; man denke nur an die vielen Bergbahnen, die allerorten angelegt werden und den reinen Natur¬ genuß recht empfindlich stören und schädigen können. Übrigens kann man an das neue hessische Gesetz noch besondre Betrachtungen anknüpfen. Bisher ist es z. V. oft bitter beklagt worden, wenn ein herrschaftlicher Park oder eine ähnliche Anlage im Interesse des öffentlichen Wohls von einer Eisenbahn durchschnitten werden mußte und dadurch ganz bedeutend entwertet wurde. Das Gesetz gibt dagegen Bestimmungen um die Hand, wonach eben ein solcher Park aus demselben öffentlichen Interesse vor Entwertung geschützt werden soll. Dieser Fall kann eintreten, wenn etwa der Besitzer aus irgend einem Grunde darin stehende uralte Bäume oder seltne Baumarten — Eiden und dergl. — beseitigen will. Da kann unter Umständen das Naturschutzgesetz hindernd eingreifen und die Bäume unter staatlichen Schutz stellen. Es will die Natur, ihre Schönheit und Eigentümlichkeit gegen rücksichtslose wirtschaftliche Ausbeutung schützen und damit die Naturschönheit allen Volksklassen näher bringen und zugänglich machen. Das ist die soziale Seite des Gesetzes, und wenn erst das Volk sieht, daß nicht mehr jeder Privateigentümer oder jede Körperschaft nach Willkür und Laune in der Naturschändung schalten und walten kann, sondern daß auch ans diesem Gebiete der Staat dem Besitzer uns die Finger sehen und ein Wort mitreden darf, wie es ja bei der Waldkultur schon überall in ausgedehnter Weise durch Einreichnng von Betriebsplänen und ähnlichen Maßregeln geschieht, dann wird auch im Volke wieder mehr Sinn für die Schönheit und Erhabenheit der Natur geweckt werden. Es ist deshalb an der Zeit, daß auch die andern Staaten, Preußen voran, Gesetze uach dem Muster des hessischen erlassen. R. Krieg Das Krebsbüchlein. Die Leser der Grenzboten werden sich des inter¬ essanten Aufsatzes „Von einer Weltreise" in Nummer 44 des vorigen Jahrgangs erinnern, worin Georg Schiele die Beobachtungen mitteilt, die er über „Die Psycho¬ logie des Tropenkollers" angestellt hat. Seine Erfahrungen führten zu dem Schluß, daß der Tropenkoller nichts zu tun habe mit krankmachenden Wirkungen des Klimas, sondern daß man ihn aus dem Rausch des Herrentums erklären müsse, in den der in die Tropen kommende Europäer zu geraten pflegt. Eine ähnliche Ansicht über das Wesen dieser Erscheinung, um der wohl der Name „Tropenkoller" das einzig neue ist, finden wir in einem Buch ans dem Jahre 1781 ausgesprochen. „Es wurde die Frage aufgeworfen, heißt es dort, woher es doch kommen müsse, daß der Europäer, sobald er auf Ostindiens heißen Boden käme, seine Natur so verändre und die zärtliche Tcilnehmnng an seiner Nebenmenschen Leiden, die er insgemein mit aus seinem Vaterlnnde brächte, mit barbarischer Fühllosigkeit vertausche? Der Grund hiervon ist so schwer nicht zu finden. Boden und Himmelsstrich sind hieran schuld. In den Ländern, die wir nur in der Absicht besuchen, um uns mit ihren Schätzen zu bereichern, sind nun einmal durch ein die Menschheit entehrendes Vorurteil den Landesbewohnern die Rechte der Menschheit entwunden und den Europäern das unumschränkte Recht, sie SU mißhnudeln, zugestanden worden. Dieses Vorurteil atmet der Europäer ein, so¬ bald er seinen Fuß vom Schisse ans das Land setzt, und fühlt bald die Wirkungdavon an seinem Herzen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/755>, abgerufen am 27.11.2024.