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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Gin Lommerurlanb in Pommern

wird schwerlich jemals etwas auf die Nachwelt kommen: die Huldigung galt dem
Oheim und der Tante, und was gefeiert wurde, war, glaube ich, ihr Verlobungs¬
oder ihr Hochzeitstag. Das Klavier spielte vor dem Anfang des Stücks, in den
Zwischenakten und bei der "Apotheose" eine große Rolle; sonst ist mir von dem
ganzen Abend nur erinnerlich, daß mein jüngster Vetter, Wernerchen, mane nicht!,
eine Rolle als Jockei hatte, die ihm uicht die geringste Schwierigkeit zu machen
schien, und daß im Zuschauerraum kein Apfel zur Erde konnte. Wo die Leute alle
hergekommen waren, und wie sie von der Sache erfahren hatten, weiß ich uicht.
Obwohl beide Jubilare vergnügt und dankbar waren, so bin ich doch nicht recht
sicher, ob der Oheim nicht im stillen das vcrmoschte Material an Brettern und
Balken und die vergeudeten Arbeitsstunden der Knechte mehr beklagt hat, als ihm
durch die Apotheose und deu übrigen theatralischen Genuß Freude gemacht worden
ist. Mein Freund Friedrich Wilhelm war von der mimischen Leistung seines Braut¬
führers begeistert: er verlangte zu wissen, was für einen Landsmann ich dargestellt
hätte, und da ich, wie die andern, echt pommerisch ausgesehen und tadelloses Platt
gesprochen zu haben glaubte, so war diese durchaus wohlgemeinte Frage allerdings
ein Tröpfchen Wermut in meinem Nuhmeskelch. Aber welcher große Erfolg höbe
den Sieger so hoch empor, daß das Hohngelächter der Hölle nicht bis zu ihm
dringen könnte? Geheilten doch die Römer dem Triumphator den Spötter von
Staats wegen zu, und führte doch die Ironie des Schicksals herbei, daß unser größter
deutsche Staatsmann infolge einer unglücklichen Verkettung von Umständen an seinem
höchsten Ehrentage im Spiegelsaale des Versailler Schlosses eine leichte Zurück¬
setzung erfahren mußte.

Der Abschied von Forksdorf, wo ich mich sehr bald ganz heimisch gefühlt
hatte, wurde mir durch deu Umstand erleichtert, daß ich es nicht allein verließ,
sondern daß ich meinen Oheim und dessen Familie zu einem mehrwöchigen Herbst-
-wfenthalte nach Heringsdorf begleiten konnte. Die jungen Damen und meine kleinen
Vettern hatten Ferien, der Hauslehrer und die Gouvernante waren nach Hause
gereist und es war neben warmen Seewasserbädern für die Damen im allgemeinen
auf ein Schlaraffenleben für die ganze Familie abgesehen. Schöne Gegend, ein
herrliches Herbstwetter und der Verkehr mit zahlreichen Freunden und Verwandten,
die auf der Düne oder höher hinauf im Wald mit Villen ansässig waren und aus
diesen oft bis in den späten Oktober uicht wichen, machten uns den Aufenthalt sehr
genußreich, und damit es nicht an Abwechslung fehlte, standen mir für die frühen
Vormittagsstunden das Seebad und das Bootfahren zur Verfügung.

Die Villa, die der Oheim für diese Zeit gemietet hatte, war so summarisch
möbliert, daß ein vollgepackter vierspänniger Leiterwagen, der außer Mundvorräten
"llerhand Mobiliar, darunter das Fcunilienpianiuo und das Bett des kleinen gnädigen
Fräuleins führte, schon in früher Morgenstunde vorausgesandt worden war; wir
folgten etwas später in zwei andern Vierspännern, die nicht danach aussahen, als
wenn schon etwas vorausgeschickt worden wäre, und nach einem äußerst vergnügten
Frühstück unter den sieben Buchen, bei dem ich nur weiße Pakete zu Gesicht bekam,
hielten wir in der dritten Nachmittagstunde unsern feierlichen Einzug. Beide Wagen
waren mit lebendem und totem Inventar, unter anderm auch Federvieh in Holz¬
gitterkäfigen, fo besetzt, daß sogar der Wunsch, vor dem infolge der vorgerückten
Saison ohnehin zusammengeschmvlznen Personal des Lindemannschen Hotels zu
prahlen, die beiden Aleibmdesse nicht zum Trabfahren hätte verleiten können. Auch
führte uns der Weg nach der vom Oheim gemieteten Villa nicht am Hotel vorbei,
das zwar durch die Abreise der schönen Fürstin seines herrlichsten Schmuckes be¬
raubt war, wo ich aber doch wieder Unterkunft suchen wollte, da die Villa ohnehin
für des Oheims senata kaum geräumig genug war. Das Anerbieten, auf dem
Leiterwagen, nachdem er abgeladen sein würde, mit meinem Koffer einen zweiten
Triumphzug'im Trabe abzuhalten, lehnte ich weislich mit Dank ab, Friedrich
Wilhelm schwibbte sich, genau mit derselben Geste wie das erstemal, den Koffer


Grenzboten I no-i ^
Gin Lommerurlanb in Pommern

wird schwerlich jemals etwas auf die Nachwelt kommen: die Huldigung galt dem
Oheim und der Tante, und was gefeiert wurde, war, glaube ich, ihr Verlobungs¬
oder ihr Hochzeitstag. Das Klavier spielte vor dem Anfang des Stücks, in den
Zwischenakten und bei der „Apotheose" eine große Rolle; sonst ist mir von dem
ganzen Abend nur erinnerlich, daß mein jüngster Vetter, Wernerchen, mane nicht!,
eine Rolle als Jockei hatte, die ihm uicht die geringste Schwierigkeit zu machen
schien, und daß im Zuschauerraum kein Apfel zur Erde konnte. Wo die Leute alle
hergekommen waren, und wie sie von der Sache erfahren hatten, weiß ich uicht.
Obwohl beide Jubilare vergnügt und dankbar waren, so bin ich doch nicht recht
sicher, ob der Oheim nicht im stillen das vcrmoschte Material an Brettern und
Balken und die vergeudeten Arbeitsstunden der Knechte mehr beklagt hat, als ihm
durch die Apotheose und deu übrigen theatralischen Genuß Freude gemacht worden
ist. Mein Freund Friedrich Wilhelm war von der mimischen Leistung seines Braut¬
führers begeistert: er verlangte zu wissen, was für einen Landsmann ich dargestellt
hätte, und da ich, wie die andern, echt pommerisch ausgesehen und tadelloses Platt
gesprochen zu haben glaubte, so war diese durchaus wohlgemeinte Frage allerdings
ein Tröpfchen Wermut in meinem Nuhmeskelch. Aber welcher große Erfolg höbe
den Sieger so hoch empor, daß das Hohngelächter der Hölle nicht bis zu ihm
dringen könnte? Geheilten doch die Römer dem Triumphator den Spötter von
Staats wegen zu, und führte doch die Ironie des Schicksals herbei, daß unser größter
deutsche Staatsmann infolge einer unglücklichen Verkettung von Umständen an seinem
höchsten Ehrentage im Spiegelsaale des Versailler Schlosses eine leichte Zurück¬
setzung erfahren mußte.

Der Abschied von Forksdorf, wo ich mich sehr bald ganz heimisch gefühlt
hatte, wurde mir durch deu Umstand erleichtert, daß ich es nicht allein verließ,
sondern daß ich meinen Oheim und dessen Familie zu einem mehrwöchigen Herbst-
-wfenthalte nach Heringsdorf begleiten konnte. Die jungen Damen und meine kleinen
Vettern hatten Ferien, der Hauslehrer und die Gouvernante waren nach Hause
gereist und es war neben warmen Seewasserbädern für die Damen im allgemeinen
auf ein Schlaraffenleben für die ganze Familie abgesehen. Schöne Gegend, ein
herrliches Herbstwetter und der Verkehr mit zahlreichen Freunden und Verwandten,
die auf der Düne oder höher hinauf im Wald mit Villen ansässig waren und aus
diesen oft bis in den späten Oktober uicht wichen, machten uns den Aufenthalt sehr
genußreich, und damit es nicht an Abwechslung fehlte, standen mir für die frühen
Vormittagsstunden das Seebad und das Bootfahren zur Verfügung.

Die Villa, die der Oheim für diese Zeit gemietet hatte, war so summarisch
möbliert, daß ein vollgepackter vierspänniger Leiterwagen, der außer Mundvorräten
"llerhand Mobiliar, darunter das Fcunilienpianiuo und das Bett des kleinen gnädigen
Fräuleins führte, schon in früher Morgenstunde vorausgesandt worden war; wir
folgten etwas später in zwei andern Vierspännern, die nicht danach aussahen, als
wenn schon etwas vorausgeschickt worden wäre, und nach einem äußerst vergnügten
Frühstück unter den sieben Buchen, bei dem ich nur weiße Pakete zu Gesicht bekam,
hielten wir in der dritten Nachmittagstunde unsern feierlichen Einzug. Beide Wagen
waren mit lebendem und totem Inventar, unter anderm auch Federvieh in Holz¬
gitterkäfigen, fo besetzt, daß sogar der Wunsch, vor dem infolge der vorgerückten
Saison ohnehin zusammengeschmvlznen Personal des Lindemannschen Hotels zu
prahlen, die beiden Aleibmdesse nicht zum Trabfahren hätte verleiten können. Auch
führte uns der Weg nach der vom Oheim gemieteten Villa nicht am Hotel vorbei,
das zwar durch die Abreise der schönen Fürstin seines herrlichsten Schmuckes be¬
raubt war, wo ich aber doch wieder Unterkunft suchen wollte, da die Villa ohnehin
für des Oheims senata kaum geräumig genug war. Das Anerbieten, auf dem
Leiterwagen, nachdem er abgeladen sein würde, mit meinem Koffer einen zweiten
Triumphzug'im Trabe abzuhalten, lehnte ich weislich mit Dank ab, Friedrich
Wilhelm schwibbte sich, genau mit derselben Geste wie das erstemal, den Koffer


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[0737] Gin Lommerurlanb in Pommern wird schwerlich jemals etwas auf die Nachwelt kommen: die Huldigung galt dem Oheim und der Tante, und was gefeiert wurde, war, glaube ich, ihr Verlobungs¬ oder ihr Hochzeitstag. Das Klavier spielte vor dem Anfang des Stücks, in den Zwischenakten und bei der „Apotheose" eine große Rolle; sonst ist mir von dem ganzen Abend nur erinnerlich, daß mein jüngster Vetter, Wernerchen, mane nicht!, eine Rolle als Jockei hatte, die ihm uicht die geringste Schwierigkeit zu machen schien, und daß im Zuschauerraum kein Apfel zur Erde konnte. Wo die Leute alle hergekommen waren, und wie sie von der Sache erfahren hatten, weiß ich uicht. Obwohl beide Jubilare vergnügt und dankbar waren, so bin ich doch nicht recht sicher, ob der Oheim nicht im stillen das vcrmoschte Material an Brettern und Balken und die vergeudeten Arbeitsstunden der Knechte mehr beklagt hat, als ihm durch die Apotheose und deu übrigen theatralischen Genuß Freude gemacht worden ist. Mein Freund Friedrich Wilhelm war von der mimischen Leistung seines Braut¬ führers begeistert: er verlangte zu wissen, was für einen Landsmann ich dargestellt hätte, und da ich, wie die andern, echt pommerisch ausgesehen und tadelloses Platt gesprochen zu haben glaubte, so war diese durchaus wohlgemeinte Frage allerdings ein Tröpfchen Wermut in meinem Nuhmeskelch. Aber welcher große Erfolg höbe den Sieger so hoch empor, daß das Hohngelächter der Hölle nicht bis zu ihm dringen könnte? Geheilten doch die Römer dem Triumphator den Spötter von Staats wegen zu, und führte doch die Ironie des Schicksals herbei, daß unser größter deutsche Staatsmann infolge einer unglücklichen Verkettung von Umständen an seinem höchsten Ehrentage im Spiegelsaale des Versailler Schlosses eine leichte Zurück¬ setzung erfahren mußte. Der Abschied von Forksdorf, wo ich mich sehr bald ganz heimisch gefühlt hatte, wurde mir durch deu Umstand erleichtert, daß ich es nicht allein verließ, sondern daß ich meinen Oheim und dessen Familie zu einem mehrwöchigen Herbst- -wfenthalte nach Heringsdorf begleiten konnte. Die jungen Damen und meine kleinen Vettern hatten Ferien, der Hauslehrer und die Gouvernante waren nach Hause gereist und es war neben warmen Seewasserbädern für die Damen im allgemeinen auf ein Schlaraffenleben für die ganze Familie abgesehen. Schöne Gegend, ein herrliches Herbstwetter und der Verkehr mit zahlreichen Freunden und Verwandten, die auf der Düne oder höher hinauf im Wald mit Villen ansässig waren und aus diesen oft bis in den späten Oktober uicht wichen, machten uns den Aufenthalt sehr genußreich, und damit es nicht an Abwechslung fehlte, standen mir für die frühen Vormittagsstunden das Seebad und das Bootfahren zur Verfügung. Die Villa, die der Oheim für diese Zeit gemietet hatte, war so summarisch möbliert, daß ein vollgepackter vierspänniger Leiterwagen, der außer Mundvorräten "llerhand Mobiliar, darunter das Fcunilienpianiuo und das Bett des kleinen gnädigen Fräuleins führte, schon in früher Morgenstunde vorausgesandt worden war; wir folgten etwas später in zwei andern Vierspännern, die nicht danach aussahen, als wenn schon etwas vorausgeschickt worden wäre, und nach einem äußerst vergnügten Frühstück unter den sieben Buchen, bei dem ich nur weiße Pakete zu Gesicht bekam, hielten wir in der dritten Nachmittagstunde unsern feierlichen Einzug. Beide Wagen waren mit lebendem und totem Inventar, unter anderm auch Federvieh in Holz¬ gitterkäfigen, fo besetzt, daß sogar der Wunsch, vor dem infolge der vorgerückten Saison ohnehin zusammengeschmvlznen Personal des Lindemannschen Hotels zu prahlen, die beiden Aleibmdesse nicht zum Trabfahren hätte verleiten können. Auch führte uns der Weg nach der vom Oheim gemieteten Villa nicht am Hotel vorbei, das zwar durch die Abreise der schönen Fürstin seines herrlichsten Schmuckes be¬ raubt war, wo ich aber doch wieder Unterkunft suchen wollte, da die Villa ohnehin für des Oheims senata kaum geräumig genug war. Das Anerbieten, auf dem Leiterwagen, nachdem er abgeladen sein würde, mit meinem Koffer einen zweiten Triumphzug'im Trabe abzuhalten, lehnte ich weislich mit Dank ab, Friedrich Wilhelm schwibbte sich, genau mit derselben Geste wie das erstemal, den Koffer Grenzboten I no-i ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/737>, abgerufen am 01.09.2024.