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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Lin Sominernrlaub in Pommern

die da waren, entkamen. Ich erlegte nur einen Wiedehopf -- der ein übelriechender
und nur zum Ausstopfen guter Vogel ist --, und es entspann sich auf dem Nachhause¬
weg, ohne daß ich es hätte vermeiden können, zwischen dem Förster und mir ein
Gespräch, bei dem nicht alles süß wie mit Zucker geschlagne Sahne war. Er
mochte glauben, ich würde ihn für den Mißerfolg des Tages verantwortlich machen
wollen, und ich wußte, daß er mir die ganze Schuld beimaß. Und einem Gaste
des Oheims gegenüber konnte er sich doch auch den Ärger nicht von der Leber
weg reden. So wurde alles, was er sagte, sauersüß, und der unglückliche Wiede¬
hopf, den ich lieber nicht hätte schießen sollen, und der wie eine dahinwelkende Rose
seinen ganzen Duft mit einmal versandte, machte die Sache nur schlimmer.

Das Achterwasser, soweit es sich durch Aufschütten aus meinen Stiefeln entfernen
ließ, hatte ich unterwegs ausgegossen, und die Taschentücher hatte ich eigentlich die
Absicht im untersten Kommodenkasten ihrem Schicksal und dem gemeinsamen Lose
alles Irdischen, einer langsamen Vermoderung zu überlassen, aber bei diesem Plan
hatte ich die patriarchalischen Zustände des Hauses und die durch die Gepflogen¬
heiten der beide" Tektvscigen hervorgerufne Erfahrenheit des weiblichen Dienst¬
personals ans den Augen gelassen. Wie ich mit dem Oheim nach Tisch beim Kaffee
saß, war lo pot aux rose," schon entdeckt. Tante Nadiegeda hatte, um den Wir¬
kungen der Lohe zu begegnen, eine sofortige Wäsche nach allen Regeln der Kunst
angeordnet, und die unglücklichen Zeugen meines Leichtsinns bleichten dann mehrere
Tage bei Mond- und Sonnenschein ans dem großen runden Rasenbeet hinter dem
Hanse. Den Taschentüchern hatte schließlich mein verrückter Streich nichts geschadet,
und den beiden Tekwsagen hatte er genützt: ihre Mutter sah nun manches, was
sie bisher für abnorm gehalten hatte, für normal an, und ich hörte sie ganz ver¬
gnügt zu ihrem Manne sagen: Sie sind eben alle so.

Mit den beiden jungen Mädchen, meinen Basen, war ich natürlich bald auf
dem besten Fuße, und der gegenseitige Verkehr würde noch lebhafter gewesen sein,
wenn ich nicht sonderbarerweise mehr für den Gesellschafter der Eltern als den
ehren gegolten hätte. Das hatte darin seinen Grund, daß sie noch, wenn auch nicht
gerade unter der Botmäßigkeit, so doch nnter dem Einflüsse der Gouvernante standen,
und daß es nieder ihnen noch dieser unerwünscht war, wenn Vater und Mutter
mit dem Gast eine Unterhaltung fanden, die ihnen zusagte und doch ab und
5u auf dem vereinsamte" Gute gefehlt haben mochte. Von irgend einem Drucke,
den man peinlich hätte empfinden können, wenn sich die Familie um die Eltern
vereinigte, war jn selbstverständlich um so weniger die Rede, als beide erstaunlich
lung geblieben waren, aber während die Mama in ihren D......r Erinnerungen,
und der Vater mit dem Neffen in Fritz Reuter schwelgte, war man beinahe
noch fixier, als man es sonst gewesen wäre, und das Buch, das man sich vorlas,
konnte leidenschaftlicher verschlungen und diskutiert werden, als wenn man hierbei
nur die zweite Stimme zu singen gehabt hätte.

Wie unter solchen Umstünden der abenteuerliche Plan keimen und sich ent¬
wickeln konnte, an einem Familiengedenktage ein Festspiel aufzuführen, vermag ich
heute, nach so langer Zeit, ebensowenig zusammenzubringen, als es mir gelungen
^ durch Nachdenken ausfindig zu machen, was auch nur in der Hauptsache der
Sinn des Festspiels War, und worauf dessen Handlung hinauslief. Da es uns an
allen,, an einem Theater, an Kulissen, an Kostümen, um auch nur im mindesten er¬
fahrnen, wenn auch dilettantischen Schauspielern, an einem geeigneten Stücke, ja
wgar eigentlich an einem teilnehmenden Publikum fehlte, und da das Fehlende auf
dem Lande so weit weg von der Stadt schlechterdings gar nicht oder doch kaum
zu beschaffen war, so hätten wir auch ebensogut ein Oratorium einstudieren können:
der Gedanke wäre kaum toller und die Ausführung kaum unmöglicher gewesen,
^es habe mich im Verdacht, die Sache vorgeschlagen zu haben, weil mir Theater¬
spiel als gesellige Unterhaltung bekannt war, und ich ein paarmal bei dergleichen
mitgewirkt hatte; gewiß ist es aber, daß aus meinem Vorschlage wie aus so vielem


Lin Sominernrlaub in Pommern

die da waren, entkamen. Ich erlegte nur einen Wiedehopf — der ein übelriechender
und nur zum Ausstopfen guter Vogel ist —, und es entspann sich auf dem Nachhause¬
weg, ohne daß ich es hätte vermeiden können, zwischen dem Förster und mir ein
Gespräch, bei dem nicht alles süß wie mit Zucker geschlagne Sahne war. Er
mochte glauben, ich würde ihn für den Mißerfolg des Tages verantwortlich machen
wollen, und ich wußte, daß er mir die ganze Schuld beimaß. Und einem Gaste
des Oheims gegenüber konnte er sich doch auch den Ärger nicht von der Leber
weg reden. So wurde alles, was er sagte, sauersüß, und der unglückliche Wiede¬
hopf, den ich lieber nicht hätte schießen sollen, und der wie eine dahinwelkende Rose
seinen ganzen Duft mit einmal versandte, machte die Sache nur schlimmer.

Das Achterwasser, soweit es sich durch Aufschütten aus meinen Stiefeln entfernen
ließ, hatte ich unterwegs ausgegossen, und die Taschentücher hatte ich eigentlich die
Absicht im untersten Kommodenkasten ihrem Schicksal und dem gemeinsamen Lose
alles Irdischen, einer langsamen Vermoderung zu überlassen, aber bei diesem Plan
hatte ich die patriarchalischen Zustände des Hauses und die durch die Gepflogen¬
heiten der beide« Tektvscigen hervorgerufne Erfahrenheit des weiblichen Dienst¬
personals ans den Augen gelassen. Wie ich mit dem Oheim nach Tisch beim Kaffee
saß, war lo pot aux rose,« schon entdeckt. Tante Nadiegeda hatte, um den Wir¬
kungen der Lohe zu begegnen, eine sofortige Wäsche nach allen Regeln der Kunst
angeordnet, und die unglücklichen Zeugen meines Leichtsinns bleichten dann mehrere
Tage bei Mond- und Sonnenschein ans dem großen runden Rasenbeet hinter dem
Hanse. Den Taschentüchern hatte schließlich mein verrückter Streich nichts geschadet,
und den beiden Tekwsagen hatte er genützt: ihre Mutter sah nun manches, was
sie bisher für abnorm gehalten hatte, für normal an, und ich hörte sie ganz ver¬
gnügt zu ihrem Manne sagen: Sie sind eben alle so.

Mit den beiden jungen Mädchen, meinen Basen, war ich natürlich bald auf
dem besten Fuße, und der gegenseitige Verkehr würde noch lebhafter gewesen sein,
wenn ich nicht sonderbarerweise mehr für den Gesellschafter der Eltern als den
ehren gegolten hätte. Das hatte darin seinen Grund, daß sie noch, wenn auch nicht
gerade unter der Botmäßigkeit, so doch nnter dem Einflüsse der Gouvernante standen,
und daß es nieder ihnen noch dieser unerwünscht war, wenn Vater und Mutter
mit dem Gast eine Unterhaltung fanden, die ihnen zusagte und doch ab und
5u auf dem vereinsamte» Gute gefehlt haben mochte. Von irgend einem Drucke,
den man peinlich hätte empfinden können, wenn sich die Familie um die Eltern
vereinigte, war jn selbstverständlich um so weniger die Rede, als beide erstaunlich
lung geblieben waren, aber während die Mama in ihren D......r Erinnerungen,
und der Vater mit dem Neffen in Fritz Reuter schwelgte, war man beinahe
noch fixier, als man es sonst gewesen wäre, und das Buch, das man sich vorlas,
konnte leidenschaftlicher verschlungen und diskutiert werden, als wenn man hierbei
nur die zweite Stimme zu singen gehabt hätte.

Wie unter solchen Umstünden der abenteuerliche Plan keimen und sich ent¬
wickeln konnte, an einem Familiengedenktage ein Festspiel aufzuführen, vermag ich
heute, nach so langer Zeit, ebensowenig zusammenzubringen, als es mir gelungen
^ durch Nachdenken ausfindig zu machen, was auch nur in der Hauptsache der
Sinn des Festspiels War, und worauf dessen Handlung hinauslief. Da es uns an
allen,, an einem Theater, an Kulissen, an Kostümen, um auch nur im mindesten er¬
fahrnen, wenn auch dilettantischen Schauspielern, an einem geeigneten Stücke, ja
wgar eigentlich an einem teilnehmenden Publikum fehlte, und da das Fehlende auf
dem Lande so weit weg von der Stadt schlechterdings gar nicht oder doch kaum
zu beschaffen war, so hätten wir auch ebensogut ein Oratorium einstudieren können:
der Gedanke wäre kaum toller und die Ausführung kaum unmöglicher gewesen,
^es habe mich im Verdacht, die Sache vorgeschlagen zu haben, weil mir Theater¬
spiel als gesellige Unterhaltung bekannt war, und ich ein paarmal bei dergleichen
mitgewirkt hatte; gewiß ist es aber, daß aus meinem Vorschlage wie aus so vielem


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[0735] Lin Sominernrlaub in Pommern die da waren, entkamen. Ich erlegte nur einen Wiedehopf — der ein übelriechender und nur zum Ausstopfen guter Vogel ist —, und es entspann sich auf dem Nachhause¬ weg, ohne daß ich es hätte vermeiden können, zwischen dem Förster und mir ein Gespräch, bei dem nicht alles süß wie mit Zucker geschlagne Sahne war. Er mochte glauben, ich würde ihn für den Mißerfolg des Tages verantwortlich machen wollen, und ich wußte, daß er mir die ganze Schuld beimaß. Und einem Gaste des Oheims gegenüber konnte er sich doch auch den Ärger nicht von der Leber weg reden. So wurde alles, was er sagte, sauersüß, und der unglückliche Wiede¬ hopf, den ich lieber nicht hätte schießen sollen, und der wie eine dahinwelkende Rose seinen ganzen Duft mit einmal versandte, machte die Sache nur schlimmer. Das Achterwasser, soweit es sich durch Aufschütten aus meinen Stiefeln entfernen ließ, hatte ich unterwegs ausgegossen, und die Taschentücher hatte ich eigentlich die Absicht im untersten Kommodenkasten ihrem Schicksal und dem gemeinsamen Lose alles Irdischen, einer langsamen Vermoderung zu überlassen, aber bei diesem Plan hatte ich die patriarchalischen Zustände des Hauses und die durch die Gepflogen¬ heiten der beide« Tektvscigen hervorgerufne Erfahrenheit des weiblichen Dienst¬ personals ans den Augen gelassen. Wie ich mit dem Oheim nach Tisch beim Kaffee saß, war lo pot aux rose,« schon entdeckt. Tante Nadiegeda hatte, um den Wir¬ kungen der Lohe zu begegnen, eine sofortige Wäsche nach allen Regeln der Kunst angeordnet, und die unglücklichen Zeugen meines Leichtsinns bleichten dann mehrere Tage bei Mond- und Sonnenschein ans dem großen runden Rasenbeet hinter dem Hanse. Den Taschentüchern hatte schließlich mein verrückter Streich nichts geschadet, und den beiden Tekwsagen hatte er genützt: ihre Mutter sah nun manches, was sie bisher für abnorm gehalten hatte, für normal an, und ich hörte sie ganz ver¬ gnügt zu ihrem Manne sagen: Sie sind eben alle so. Mit den beiden jungen Mädchen, meinen Basen, war ich natürlich bald auf dem besten Fuße, und der gegenseitige Verkehr würde noch lebhafter gewesen sein, wenn ich nicht sonderbarerweise mehr für den Gesellschafter der Eltern als den ehren gegolten hätte. Das hatte darin seinen Grund, daß sie noch, wenn auch nicht gerade unter der Botmäßigkeit, so doch nnter dem Einflüsse der Gouvernante standen, und daß es nieder ihnen noch dieser unerwünscht war, wenn Vater und Mutter mit dem Gast eine Unterhaltung fanden, die ihnen zusagte und doch ab und 5u auf dem vereinsamte» Gute gefehlt haben mochte. Von irgend einem Drucke, den man peinlich hätte empfinden können, wenn sich die Familie um die Eltern vereinigte, war jn selbstverständlich um so weniger die Rede, als beide erstaunlich lung geblieben waren, aber während die Mama in ihren D......r Erinnerungen, und der Vater mit dem Neffen in Fritz Reuter schwelgte, war man beinahe noch fixier, als man es sonst gewesen wäre, und das Buch, das man sich vorlas, konnte leidenschaftlicher verschlungen und diskutiert werden, als wenn man hierbei nur die zweite Stimme zu singen gehabt hätte. Wie unter solchen Umstünden der abenteuerliche Plan keimen und sich ent¬ wickeln konnte, an einem Familiengedenktage ein Festspiel aufzuführen, vermag ich heute, nach so langer Zeit, ebensowenig zusammenzubringen, als es mir gelungen ^ durch Nachdenken ausfindig zu machen, was auch nur in der Hauptsache der Sinn des Festspiels War, und worauf dessen Handlung hinauslief. Da es uns an allen,, an einem Theater, an Kulissen, an Kostümen, um auch nur im mindesten er¬ fahrnen, wenn auch dilettantischen Schauspielern, an einem geeigneten Stücke, ja wgar eigentlich an einem teilnehmenden Publikum fehlte, und da das Fehlende auf dem Lande so weit weg von der Stadt schlechterdings gar nicht oder doch kaum zu beschaffen war, so hätten wir auch ebensogut ein Oratorium einstudieren können: der Gedanke wäre kaum toller und die Ausführung kaum unmöglicher gewesen, ^es habe mich im Verdacht, die Sache vorgeschlagen zu haben, weil mir Theater¬ spiel als gesellige Unterhaltung bekannt war, und ich ein paarmal bei dergleichen mitgewirkt hatte; gewiß ist es aber, daß aus meinem Vorschlage wie aus so vielem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/735>, abgerufen am 28.07.2024.