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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Lokomotive auf Wasser- und Landwegen die schnellste Verbindung her für den
Absatz der Bodenerzeugnisse. Zugleich nahm sie mit der verbesserten Spinn¬
maschine und audern mechanischen Ersatzmitteln dem langsamen Handwerk die
veralteten Werkzeuge aus den Händen. Die Industrie kleidete Millionen, wo
das Handwerk nur für Tausende zu sorgen gehabt hatte. Die Technik ge¬
staltete auch das Heim des Menschen um, schuf verfeinerten Komfort für das
alltägliche Leben. Zuletzt mit der Erfindung der Elektrizität und allem, was
die Ausbeutung dieser Kraft im Gefolge hatte, begab sich des Aankees an-
geborner Jngenieurgeist, der bis dahin vor allem die Heimat versorgt hatte,
ins Weite; die amerikanische Industrie trat neben die längst allmächtige ameri¬
kanische Rohproduktion Aufsehen erregend erst und bald Besorgnis einflößend
hinaus auf den Weltmarkt.

Reichtümer schufen nun alle Teile des Landes, je nach Lage und be¬
sondern Gaben. Der Süden: Reis, Baumwolle, Zucker, Tabak. Kalifornien:
Getreide, Wein, edles Obst aller Art. Die Steppe gab Rinder- und Schaf¬
herden. Das Mississippibecken steuerte Mais und Weizen, Hopfen und Gerste.
Das Felsengebirge Gold, Silber, Kupfer, Blei, Salze. Der Norden Eisen,
Hölzer, Fische und Pelzwerk. Pennsylvanien: Öl und Hartkohle. Florida:
feine Südfrüchte. Kentucky: feine Pferde. Der Staat Newyork: Äpfel, Butter
und Molkereiprodukte.

Von Anfang an hatte dieser Kontinent zu allen seinen natürlichen Schätzen
anch noch in seinen Strömen, Flüssen und Seen die Wege gehabt, auf denen
sich der Verkehr billig und leicht entwickeln konnte. Und wo die Natur einmal
vergessen hatte, selbst die Straßen für die Binnenschiffahrt vorzuzeichnen, da
half man mit künstlichen Kannten nach. Der Eriekcmal macht die großen
Seen zu einer Bucht des Atlantischen Ozeans, und tief im Vinnenlande
liegende Städte wie Chicago oder Duluth, die Getreidestadt, zu Seeplützeu.
An die Häfen aber schließen sich die Eisenbahnlinien an; Wassertransport und
Landbeförderung greifen ineinander ein, und so wird im ganzen Lande das
Rohmaterial, z. B. Erz, auf dem kürzesten und bequemsten Wege nach den
Stellen geschafft, wo es verarbeitet werden soll. Die Binnenschiffahrt, obgleich
überholt durch die überall hindringende Eisenbahn, ist durchaus nicht veraltet
in Nordamerika, sie ist gleichsam die linke Hand des Verkehrs, die der kräf¬
tigern rechten unschätzbare Hilfsdienste leistet.

Die Eisenbahnen folgten der Entwicklung der Volkswirtschaft, anderseits
gingen sie ihr auch führend voraus. Sie drangen, vom Osten ausgehend, sich
nach allen Seiten hin verästelnd und die wertvollen zukunftverheißenden Striche
aufsuchend, als echte Pioniere der Kultur nach dem Westen vor. Jetzt durch¬
brechen sie, Kanada eingerechnet, in fünf großen Linien den mächtigen Wall
der Kordilleren und bringen die pazifische und die atlantische Küste einander
auf wenig Tagereisen nahe. An der Peripherie des Kreises aber schließt sich
nun wieder die Seeschiffahrt an, Einfuhr und Ausfuhr regelnd und das Ver¬
kehrsnetz des Binnenlandes mit der übrigen Welt verbindend. Der Ring wird
geschlossen sein mit der Vollendung der friedlichen Eroberung Kanadas, die
schon im Gange ist, und mit dem Ausbau des Panamakanals -- nur noch


Lokomotive auf Wasser- und Landwegen die schnellste Verbindung her für den
Absatz der Bodenerzeugnisse. Zugleich nahm sie mit der verbesserten Spinn¬
maschine und audern mechanischen Ersatzmitteln dem langsamen Handwerk die
veralteten Werkzeuge aus den Händen. Die Industrie kleidete Millionen, wo
das Handwerk nur für Tausende zu sorgen gehabt hatte. Die Technik ge¬
staltete auch das Heim des Menschen um, schuf verfeinerten Komfort für das
alltägliche Leben. Zuletzt mit der Erfindung der Elektrizität und allem, was
die Ausbeutung dieser Kraft im Gefolge hatte, begab sich des Aankees an-
geborner Jngenieurgeist, der bis dahin vor allem die Heimat versorgt hatte,
ins Weite; die amerikanische Industrie trat neben die längst allmächtige ameri¬
kanische Rohproduktion Aufsehen erregend erst und bald Besorgnis einflößend
hinaus auf den Weltmarkt.

Reichtümer schufen nun alle Teile des Landes, je nach Lage und be¬
sondern Gaben. Der Süden: Reis, Baumwolle, Zucker, Tabak. Kalifornien:
Getreide, Wein, edles Obst aller Art. Die Steppe gab Rinder- und Schaf¬
herden. Das Mississippibecken steuerte Mais und Weizen, Hopfen und Gerste.
Das Felsengebirge Gold, Silber, Kupfer, Blei, Salze. Der Norden Eisen,
Hölzer, Fische und Pelzwerk. Pennsylvanien: Öl und Hartkohle. Florida:
feine Südfrüchte. Kentucky: feine Pferde. Der Staat Newyork: Äpfel, Butter
und Molkereiprodukte.

Von Anfang an hatte dieser Kontinent zu allen seinen natürlichen Schätzen
anch noch in seinen Strömen, Flüssen und Seen die Wege gehabt, auf denen
sich der Verkehr billig und leicht entwickeln konnte. Und wo die Natur einmal
vergessen hatte, selbst die Straßen für die Binnenschiffahrt vorzuzeichnen, da
half man mit künstlichen Kannten nach. Der Eriekcmal macht die großen
Seen zu einer Bucht des Atlantischen Ozeans, und tief im Vinnenlande
liegende Städte wie Chicago oder Duluth, die Getreidestadt, zu Seeplützeu.
An die Häfen aber schließen sich die Eisenbahnlinien an; Wassertransport und
Landbeförderung greifen ineinander ein, und so wird im ganzen Lande das
Rohmaterial, z. B. Erz, auf dem kürzesten und bequemsten Wege nach den
Stellen geschafft, wo es verarbeitet werden soll. Die Binnenschiffahrt, obgleich
überholt durch die überall hindringende Eisenbahn, ist durchaus nicht veraltet
in Nordamerika, sie ist gleichsam die linke Hand des Verkehrs, die der kräf¬
tigern rechten unschätzbare Hilfsdienste leistet.

Die Eisenbahnen folgten der Entwicklung der Volkswirtschaft, anderseits
gingen sie ihr auch führend voraus. Sie drangen, vom Osten ausgehend, sich
nach allen Seiten hin verästelnd und die wertvollen zukunftverheißenden Striche
aufsuchend, als echte Pioniere der Kultur nach dem Westen vor. Jetzt durch¬
brechen sie, Kanada eingerechnet, in fünf großen Linien den mächtigen Wall
der Kordilleren und bringen die pazifische und die atlantische Küste einander
auf wenig Tagereisen nahe. An der Peripherie des Kreises aber schließt sich
nun wieder die Seeschiffahrt an, Einfuhr und Ausfuhr regelnd und das Ver¬
kehrsnetz des Binnenlandes mit der übrigen Welt verbindend. Der Ring wird
geschlossen sein mit der Vollendung der friedlichen Eroberung Kanadas, die
schon im Gange ist, und mit dem Ausbau des Panamakanals — nur noch


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[0726] Lokomotive auf Wasser- und Landwegen die schnellste Verbindung her für den Absatz der Bodenerzeugnisse. Zugleich nahm sie mit der verbesserten Spinn¬ maschine und audern mechanischen Ersatzmitteln dem langsamen Handwerk die veralteten Werkzeuge aus den Händen. Die Industrie kleidete Millionen, wo das Handwerk nur für Tausende zu sorgen gehabt hatte. Die Technik ge¬ staltete auch das Heim des Menschen um, schuf verfeinerten Komfort für das alltägliche Leben. Zuletzt mit der Erfindung der Elektrizität und allem, was die Ausbeutung dieser Kraft im Gefolge hatte, begab sich des Aankees an- geborner Jngenieurgeist, der bis dahin vor allem die Heimat versorgt hatte, ins Weite; die amerikanische Industrie trat neben die längst allmächtige ameri¬ kanische Rohproduktion Aufsehen erregend erst und bald Besorgnis einflößend hinaus auf den Weltmarkt. Reichtümer schufen nun alle Teile des Landes, je nach Lage und be¬ sondern Gaben. Der Süden: Reis, Baumwolle, Zucker, Tabak. Kalifornien: Getreide, Wein, edles Obst aller Art. Die Steppe gab Rinder- und Schaf¬ herden. Das Mississippibecken steuerte Mais und Weizen, Hopfen und Gerste. Das Felsengebirge Gold, Silber, Kupfer, Blei, Salze. Der Norden Eisen, Hölzer, Fische und Pelzwerk. Pennsylvanien: Öl und Hartkohle. Florida: feine Südfrüchte. Kentucky: feine Pferde. Der Staat Newyork: Äpfel, Butter und Molkereiprodukte. Von Anfang an hatte dieser Kontinent zu allen seinen natürlichen Schätzen anch noch in seinen Strömen, Flüssen und Seen die Wege gehabt, auf denen sich der Verkehr billig und leicht entwickeln konnte. Und wo die Natur einmal vergessen hatte, selbst die Straßen für die Binnenschiffahrt vorzuzeichnen, da half man mit künstlichen Kannten nach. Der Eriekcmal macht die großen Seen zu einer Bucht des Atlantischen Ozeans, und tief im Vinnenlande liegende Städte wie Chicago oder Duluth, die Getreidestadt, zu Seeplützeu. An die Häfen aber schließen sich die Eisenbahnlinien an; Wassertransport und Landbeförderung greifen ineinander ein, und so wird im ganzen Lande das Rohmaterial, z. B. Erz, auf dem kürzesten und bequemsten Wege nach den Stellen geschafft, wo es verarbeitet werden soll. Die Binnenschiffahrt, obgleich überholt durch die überall hindringende Eisenbahn, ist durchaus nicht veraltet in Nordamerika, sie ist gleichsam die linke Hand des Verkehrs, die der kräf¬ tigern rechten unschätzbare Hilfsdienste leistet. Die Eisenbahnen folgten der Entwicklung der Volkswirtschaft, anderseits gingen sie ihr auch führend voraus. Sie drangen, vom Osten ausgehend, sich nach allen Seiten hin verästelnd und die wertvollen zukunftverheißenden Striche aufsuchend, als echte Pioniere der Kultur nach dem Westen vor. Jetzt durch¬ brechen sie, Kanada eingerechnet, in fünf großen Linien den mächtigen Wall der Kordilleren und bringen die pazifische und die atlantische Küste einander auf wenig Tagereisen nahe. An der Peripherie des Kreises aber schließt sich nun wieder die Seeschiffahrt an, Einfuhr und Ausfuhr regelnd und das Ver¬ kehrsnetz des Binnenlandes mit der übrigen Welt verbindend. Der Ring wird geschlossen sein mit der Vollendung der friedlichen Eroberung Kanadas, die schon im Gange ist, und mit dem Ausbau des Panamakanals — nur noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/726>, abgerufen am 28.11.2024.