Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.lUo Bmigenossmischafton und die lvohnnngsfragc bloß in den Gewerkvereinen, und es geschehe in der edeln Absicht, die Ein¬ Einverstanden sind wir auch mit Grävell und unserm wenn beide die lUo Bmigenossmischafton und die lvohnnngsfragc bloß in den Gewerkvereinen, und es geschehe in der edeln Absicht, die Ein¬ Einverstanden sind wir auch mit Grävell und unserm wenn beide die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0711" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240267"/> <fw type="header" place="top"> lUo Bmigenossmischafton und die lvohnnngsfragc</fw><lb/> <p xml:id="ID_3815" prev="#ID_3814"> bloß in den Gewerkvereinen, und es geschehe in der edeln Absicht, die Ein¬<lb/> stellung von mehr Arbeitern zu erzwingen und dadurch der Arbcitlosigkeit vor¬<lb/> zubeugen. Das sei nun, wie es will, jedenfalls haben wir es hier mit einem<lb/> bösen Zirkel zu tun. Die Arbeiter erstreben Besserung ihrer Lage, und zwar<lb/> Lohnerhöhung u. a. aus dem Grunde, daß die Wohnungen teurer werden,<lb/> durch die erlangte Besserung aber verteuern sie selbst die Wohnungen weiter<lb/> und heben so den erlangten Vorteil wieder auf. Aus diesem Zirkel heraus<lb/> könnte nur die Dezentralisierung führen, das ist richtig; wenn man nur wußte,<lb/> wie eine solche anzubahnen wäre! Darin stimmen wir unserm /S und Grävell<lb/> bei, daß wenigstens alles unterbleiben sollte, was die Anhäufung fördert.<lb/> Grävell hält deu Rat, den die Bodenbesitzreforiner den Großstädten geben,<lb/> selbst Bcmtcrrain zu erwerben, für ein bedenkliches Förderungsmittel der un¬<lb/> gesunden Entwicklung. Anstatt zu fragen: Woher sollen die Großstädte den<lb/> Boden für ihr weiteres Wachstum nehmen? müsse man vielmehr fragen:<lb/> Wo gibt es noch außerhalb der Großstädte Boden für Ansiedler? Und da<lb/> laute die Antwort: Überall dort, wo das Gemeindegebiet noch nicht gehörig<lb/> ausgenutzt wird. Die Großstädte aber müßten nicht allein auf Hinderung des<lb/> Zuzugs, sondern auch auf Ableitung des natürlichen Bevölkerungszuwachses<lb/> bedacht sein. Wenn eine Stadt eine gewisse Einwohnerzahl und Volksdichtig¬<lb/> keit erreicht habe, müsse die fernere Erweiterung des Stadtgebiets unmöglich<lb/> gemacht werden. Es sei charakteristisch, daß seit den: Mittelalter keine Städte<lb/> mehr in Deutschland gegründet würden. Nur selten komme es vor, daß ein¬<lb/> mal ein dicht bevölkertes Dorf joder eine Kolonie von Industriearbeitern und<lb/> Beamten!j zur Stadt erhoben werde. Alles ganz schön und richtig, nur ist<lb/> es fraglich, ob die Hausbesitzer der Großstädte eine solche Politik, wenn sie<lb/> in Gang käme, sehr eifrig unterstützen würden; in den Mittelstädten wenigstens<lb/> sind sie die Hauptsprecher, wenn die übliche Frage verhandelt wird, wie der<lb/> Fremdenzuzng zu fördern sei. Freilich wünschen sie sich nicht mehr Arbeiter,<lb/> sondern mehr Rentner, mehr Beamte und Offiziere, und diese sehr begreifliche<lb/> Borliebe für die Stände, die die angenehmsten Mieter liefern, die aber nun<lb/> einmal nicht die zahlreichsten sein können, ist es eben, was an nicht wenig<lb/> Drten die Wohnungsfrage, oder um nach Herrn Grävells Vorschrift korrekt<lb/> M sprechen, die Hüuserbaufrage erzeugt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_3816" next="#ID_3817"> Einverstanden sind wir auch mit Grävell und unserm wenn beide die<lb/> Terrainspekulation für unvermeidlich und den dabei erzielten Gewinn für an<lb/> sich nicht unehrenhaft erklären. Mit dem Boden steht es eben nicht anders<lb/> als mit jedem andern Gut: steigt die Nachfrage uach ihm, so steigt der Preis,<lb/> und alle Leute, die Boden besitzen oder welchen erwerben wollen, müssen bei<lb/> der Verwaltung ihres Vermögens die unvermeidliche Steigerung nach einem<lb/> Schätzungswert in Rechnung stellen, das ist spekulieren. So lange der Zug<lb/> "ach Westen, nach den Großstädten und den Industriebezirken und die Volks-<lb/> vermehrung anhalten, so lange muß auch die Steigerung des städtischen Boden¬<lb/> preises anhalten, und zwar werden in jeder Stadt solche Gegenden die höchsten<lb/> Preise haben, die entweder für das Geschäft oder für das Wohnbedürfnis der<lb/> Reichen die größten Vorteile bieten, oder in denen gewisse Umstände die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0711]
lUo Bmigenossmischafton und die lvohnnngsfragc
bloß in den Gewerkvereinen, und es geschehe in der edeln Absicht, die Ein¬
stellung von mehr Arbeitern zu erzwingen und dadurch der Arbcitlosigkeit vor¬
zubeugen. Das sei nun, wie es will, jedenfalls haben wir es hier mit einem
bösen Zirkel zu tun. Die Arbeiter erstreben Besserung ihrer Lage, und zwar
Lohnerhöhung u. a. aus dem Grunde, daß die Wohnungen teurer werden,
durch die erlangte Besserung aber verteuern sie selbst die Wohnungen weiter
und heben so den erlangten Vorteil wieder auf. Aus diesem Zirkel heraus
könnte nur die Dezentralisierung führen, das ist richtig; wenn man nur wußte,
wie eine solche anzubahnen wäre! Darin stimmen wir unserm /S und Grävell
bei, daß wenigstens alles unterbleiben sollte, was die Anhäufung fördert.
Grävell hält deu Rat, den die Bodenbesitzreforiner den Großstädten geben,
selbst Bcmtcrrain zu erwerben, für ein bedenkliches Förderungsmittel der un¬
gesunden Entwicklung. Anstatt zu fragen: Woher sollen die Großstädte den
Boden für ihr weiteres Wachstum nehmen? müsse man vielmehr fragen:
Wo gibt es noch außerhalb der Großstädte Boden für Ansiedler? Und da
laute die Antwort: Überall dort, wo das Gemeindegebiet noch nicht gehörig
ausgenutzt wird. Die Großstädte aber müßten nicht allein auf Hinderung des
Zuzugs, sondern auch auf Ableitung des natürlichen Bevölkerungszuwachses
bedacht sein. Wenn eine Stadt eine gewisse Einwohnerzahl und Volksdichtig¬
keit erreicht habe, müsse die fernere Erweiterung des Stadtgebiets unmöglich
gemacht werden. Es sei charakteristisch, daß seit den: Mittelalter keine Städte
mehr in Deutschland gegründet würden. Nur selten komme es vor, daß ein¬
mal ein dicht bevölkertes Dorf joder eine Kolonie von Industriearbeitern und
Beamten!j zur Stadt erhoben werde. Alles ganz schön und richtig, nur ist
es fraglich, ob die Hausbesitzer der Großstädte eine solche Politik, wenn sie
in Gang käme, sehr eifrig unterstützen würden; in den Mittelstädten wenigstens
sind sie die Hauptsprecher, wenn die übliche Frage verhandelt wird, wie der
Fremdenzuzng zu fördern sei. Freilich wünschen sie sich nicht mehr Arbeiter,
sondern mehr Rentner, mehr Beamte und Offiziere, und diese sehr begreifliche
Borliebe für die Stände, die die angenehmsten Mieter liefern, die aber nun
einmal nicht die zahlreichsten sein können, ist es eben, was an nicht wenig
Drten die Wohnungsfrage, oder um nach Herrn Grävells Vorschrift korrekt
M sprechen, die Hüuserbaufrage erzeugt hat.
Einverstanden sind wir auch mit Grävell und unserm wenn beide die
Terrainspekulation für unvermeidlich und den dabei erzielten Gewinn für an
sich nicht unehrenhaft erklären. Mit dem Boden steht es eben nicht anders
als mit jedem andern Gut: steigt die Nachfrage uach ihm, so steigt der Preis,
und alle Leute, die Boden besitzen oder welchen erwerben wollen, müssen bei
der Verwaltung ihres Vermögens die unvermeidliche Steigerung nach einem
Schätzungswert in Rechnung stellen, das ist spekulieren. So lange der Zug
"ach Westen, nach den Großstädten und den Industriebezirken und die Volks-
vermehrung anhalten, so lange muß auch die Steigerung des städtischen Boden¬
preises anhalten, und zwar werden in jeder Stadt solche Gegenden die höchsten
Preise haben, die entweder für das Geschäft oder für das Wohnbedürfnis der
Reichen die größten Vorteile bieten, oder in denen gewisse Umstände die
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