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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Bedürfnissen der wirtschaftlich Schwächern abzuhelfen, dies im weitesten Umfang
tue. Hat aber wohl Professor Sohn, als er von dem Beruf des deutschen Richter¬
standes bei der Handhabung des neuen Gesetzbuchs mit seiner warmen Begeisterung
sprach, es für möglich gehalten, daß die spärlichen Wohltaten zwingenden Rechts
den wirtschaftlich Schwachen durch die Auslegung der Gerichte wieder genommen
würden? Man denke an die Einschränkung der sofortigen Kündigung bei Miets¬
verträgen, an die Zurückbehaltung des Arbeitlohns, an die Wiedereinführung der
Kahlpfändung. Was für Urteile hat man auf dem Gebiete des Koalitionsrechts,
des Vereins- und Versammlnngsrechts erleben müssen! Doch es genügt, auf eins
hinzuweisen. Man hat Verwaltung und Justiz getrennt, um diese von jener unab¬
hängig zu machen, und wie manches mal wünscht man heute, daß die Ansichten der
Verwaltung auch die der Justiz wären. Graf Posadowsky erklärte kürzlich im
Reichstage zu der Frage, ob die neue Seemannsordnung gegenüber den alten
Heuerverträgen mit widersprechenden Bestimmungen rückwirkende Kraft habe: "So
klar die Sache für mich läge, wenn es sich um den rein sozialpolitischen Stand-
Punkt handelte, darf ich doch nicht der Auslegung der Gerichte vorgreifen." Wie
vorsichtig diese Äußerung auch ist, so ist doch klar, was sie sagen soll. Etwas
deutlicher sprach er sich über die Auslegung der Bundesratsverordnung über die
Gastwirtschaften durch die Gerichte aus: "Die Erkenntnisse, die zu der Gastwirts¬
verordnung in neuerer Zeit ergangen sind, stellen unsre ganze sozialpolitische Gesetz¬
gebung in Gefahr." Der Vorwurf, den Professor Menger den Juristen aller
Länder macht, daß sie infolge ihres Bildungsganges und ihrer Interessen geneigt
seien, sich ausschließlich als Diener und Vertreter der Besitzenden zu betrachten, ist
für deutsche Richter zweifellos ungerecht, aber leider ist nicht zu leugnen, daß ein
großer Teil von ihnen an auf sie gekommenen Rechtsvorstellungen allzu starr festhält
und die Welt von Veränderungen übersieht, die das Auftreten des vierten Standes
herbeigeführt hat.

Das alles rechtfertigt es aber nicht, die neuen Gerichte den Gewerbegerichten
anzugliedern. Die Erfüllung dieser Forderung würde eine verhängnisvolle Ent¬
wicklung anbahnen. Regierung und Parteien stehn an einem Scheidewege. Es
handelt sich nicht allein um dieses Gesetz, es handelt sich um die Zukunft unsers
ganzen Gerichtswesens, und beide müssen sich darüber klar werden, wie sie sich
diese Zukunft denken.

Bei der Schaffung der Gewerbegerichte knüpfte man an bestehende Verhält¬
nisse an. Wird aber dieser Entwurf Gesetz, dann ist damit ein Ziel gegeben, das
zu erreichen noch andre locken wird: die Handlungsgehilfen werden bald Nachfolger
haben. Schon jetzt ertönt der Ruf nach Gesindegerichten, die Kaufmannsgerichtc
werden als die erste Stufe zu einem allgemeinen, einheitlichen Arbeitsgericht be¬
trachtet, ja es werden sogar Mietschiedgerichte verlangt. Und warum auch nicht?
Warum soll dem Gesinde, den Mietern der Anspruch auf eine schnelle, sachverstän¬
dige und wohlfeile Rechtspflege, wie der beliebte Ausdruck lautet, vorenthalten
werden? Um das Altenteil, das dann schließlich noch den ordentlichen Gerichten
verbleiben wird, wird sich niemand mehr mühen.

Was bei dieser Entwicklung aus unsrer Rechtsprechung wird, dürfte leicht
bvrciuszusehen sein. Je stärker die neuen Gerichte werden, je mehr werden sie
versuchen, ihre eignen Wege zu gehn und sich von den ordentlichen Gerichten un¬
abhängig zu machen. Schon jetzt befürwortet man, die Berufung bei Objekten bis
zu einem Wert von dreihundert Mark auszuschließen. Dann wird die eben erst
mühsam erkämpfte Rechtseinheit in die Brüche gehn, die Rechtsprechung wird sich
zersplittern. Und wie man jetzt Stellung nimmt zu den sonder- und den ordentlichen
Gerichten, so wird man dereinst die verschiedenen Urteile bewerten. Schon heute
ist nach einem bekannten Prozeß das böse Wort gefallen, daß die ordentlichen Ge¬
richte keine Autorität hätten, und daß ihren Urteilsprüche" nur formelle Bedeu¬
tung zukäme.


Bedürfnissen der wirtschaftlich Schwächern abzuhelfen, dies im weitesten Umfang
tue. Hat aber wohl Professor Sohn, als er von dem Beruf des deutschen Richter¬
standes bei der Handhabung des neuen Gesetzbuchs mit seiner warmen Begeisterung
sprach, es für möglich gehalten, daß die spärlichen Wohltaten zwingenden Rechts
den wirtschaftlich Schwachen durch die Auslegung der Gerichte wieder genommen
würden? Man denke an die Einschränkung der sofortigen Kündigung bei Miets¬
verträgen, an die Zurückbehaltung des Arbeitlohns, an die Wiedereinführung der
Kahlpfändung. Was für Urteile hat man auf dem Gebiete des Koalitionsrechts,
des Vereins- und Versammlnngsrechts erleben müssen! Doch es genügt, auf eins
hinzuweisen. Man hat Verwaltung und Justiz getrennt, um diese von jener unab¬
hängig zu machen, und wie manches mal wünscht man heute, daß die Ansichten der
Verwaltung auch die der Justiz wären. Graf Posadowsky erklärte kürzlich im
Reichstage zu der Frage, ob die neue Seemannsordnung gegenüber den alten
Heuerverträgen mit widersprechenden Bestimmungen rückwirkende Kraft habe: „So
klar die Sache für mich läge, wenn es sich um den rein sozialpolitischen Stand-
Punkt handelte, darf ich doch nicht der Auslegung der Gerichte vorgreifen." Wie
vorsichtig diese Äußerung auch ist, so ist doch klar, was sie sagen soll. Etwas
deutlicher sprach er sich über die Auslegung der Bundesratsverordnung über die
Gastwirtschaften durch die Gerichte aus: „Die Erkenntnisse, die zu der Gastwirts¬
verordnung in neuerer Zeit ergangen sind, stellen unsre ganze sozialpolitische Gesetz¬
gebung in Gefahr." Der Vorwurf, den Professor Menger den Juristen aller
Länder macht, daß sie infolge ihres Bildungsganges und ihrer Interessen geneigt
seien, sich ausschließlich als Diener und Vertreter der Besitzenden zu betrachten, ist
für deutsche Richter zweifellos ungerecht, aber leider ist nicht zu leugnen, daß ein
großer Teil von ihnen an auf sie gekommenen Rechtsvorstellungen allzu starr festhält
und die Welt von Veränderungen übersieht, die das Auftreten des vierten Standes
herbeigeführt hat.

Das alles rechtfertigt es aber nicht, die neuen Gerichte den Gewerbegerichten
anzugliedern. Die Erfüllung dieser Forderung würde eine verhängnisvolle Ent¬
wicklung anbahnen. Regierung und Parteien stehn an einem Scheidewege. Es
handelt sich nicht allein um dieses Gesetz, es handelt sich um die Zukunft unsers
ganzen Gerichtswesens, und beide müssen sich darüber klar werden, wie sie sich
diese Zukunft denken.

Bei der Schaffung der Gewerbegerichte knüpfte man an bestehende Verhält¬
nisse an. Wird aber dieser Entwurf Gesetz, dann ist damit ein Ziel gegeben, das
zu erreichen noch andre locken wird: die Handlungsgehilfen werden bald Nachfolger
haben. Schon jetzt ertönt der Ruf nach Gesindegerichten, die Kaufmannsgerichtc
werden als die erste Stufe zu einem allgemeinen, einheitlichen Arbeitsgericht be¬
trachtet, ja es werden sogar Mietschiedgerichte verlangt. Und warum auch nicht?
Warum soll dem Gesinde, den Mietern der Anspruch auf eine schnelle, sachverstän¬
dige und wohlfeile Rechtspflege, wie der beliebte Ausdruck lautet, vorenthalten
werden? Um das Altenteil, das dann schließlich noch den ordentlichen Gerichten
verbleiben wird, wird sich niemand mehr mühen.

Was bei dieser Entwicklung aus unsrer Rechtsprechung wird, dürfte leicht
bvrciuszusehen sein. Je stärker die neuen Gerichte werden, je mehr werden sie
versuchen, ihre eignen Wege zu gehn und sich von den ordentlichen Gerichten un¬
abhängig zu machen. Schon jetzt befürwortet man, die Berufung bei Objekten bis
zu einem Wert von dreihundert Mark auszuschließen. Dann wird die eben erst
mühsam erkämpfte Rechtseinheit in die Brüche gehn, die Rechtsprechung wird sich
zersplittern. Und wie man jetzt Stellung nimmt zu den sonder- und den ordentlichen
Gerichten, so wird man dereinst die verschiedenen Urteile bewerten. Schon heute
ist nach einem bekannten Prozeß das böse Wort gefallen, daß die ordentlichen Ge¬
richte keine Autorität hätten, und daß ihren Urteilsprüche» nur formelle Bedeu¬
tung zukäme.


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[0691] Bedürfnissen der wirtschaftlich Schwächern abzuhelfen, dies im weitesten Umfang tue. Hat aber wohl Professor Sohn, als er von dem Beruf des deutschen Richter¬ standes bei der Handhabung des neuen Gesetzbuchs mit seiner warmen Begeisterung sprach, es für möglich gehalten, daß die spärlichen Wohltaten zwingenden Rechts den wirtschaftlich Schwachen durch die Auslegung der Gerichte wieder genommen würden? Man denke an die Einschränkung der sofortigen Kündigung bei Miets¬ verträgen, an die Zurückbehaltung des Arbeitlohns, an die Wiedereinführung der Kahlpfändung. Was für Urteile hat man auf dem Gebiete des Koalitionsrechts, des Vereins- und Versammlnngsrechts erleben müssen! Doch es genügt, auf eins hinzuweisen. Man hat Verwaltung und Justiz getrennt, um diese von jener unab¬ hängig zu machen, und wie manches mal wünscht man heute, daß die Ansichten der Verwaltung auch die der Justiz wären. Graf Posadowsky erklärte kürzlich im Reichstage zu der Frage, ob die neue Seemannsordnung gegenüber den alten Heuerverträgen mit widersprechenden Bestimmungen rückwirkende Kraft habe: „So klar die Sache für mich läge, wenn es sich um den rein sozialpolitischen Stand- Punkt handelte, darf ich doch nicht der Auslegung der Gerichte vorgreifen." Wie vorsichtig diese Äußerung auch ist, so ist doch klar, was sie sagen soll. Etwas deutlicher sprach er sich über die Auslegung der Bundesratsverordnung über die Gastwirtschaften durch die Gerichte aus: „Die Erkenntnisse, die zu der Gastwirts¬ verordnung in neuerer Zeit ergangen sind, stellen unsre ganze sozialpolitische Gesetz¬ gebung in Gefahr." Der Vorwurf, den Professor Menger den Juristen aller Länder macht, daß sie infolge ihres Bildungsganges und ihrer Interessen geneigt seien, sich ausschließlich als Diener und Vertreter der Besitzenden zu betrachten, ist für deutsche Richter zweifellos ungerecht, aber leider ist nicht zu leugnen, daß ein großer Teil von ihnen an auf sie gekommenen Rechtsvorstellungen allzu starr festhält und die Welt von Veränderungen übersieht, die das Auftreten des vierten Standes herbeigeführt hat. Das alles rechtfertigt es aber nicht, die neuen Gerichte den Gewerbegerichten anzugliedern. Die Erfüllung dieser Forderung würde eine verhängnisvolle Ent¬ wicklung anbahnen. Regierung und Parteien stehn an einem Scheidewege. Es handelt sich nicht allein um dieses Gesetz, es handelt sich um die Zukunft unsers ganzen Gerichtswesens, und beide müssen sich darüber klar werden, wie sie sich diese Zukunft denken. Bei der Schaffung der Gewerbegerichte knüpfte man an bestehende Verhält¬ nisse an. Wird aber dieser Entwurf Gesetz, dann ist damit ein Ziel gegeben, das zu erreichen noch andre locken wird: die Handlungsgehilfen werden bald Nachfolger haben. Schon jetzt ertönt der Ruf nach Gesindegerichten, die Kaufmannsgerichtc werden als die erste Stufe zu einem allgemeinen, einheitlichen Arbeitsgericht be¬ trachtet, ja es werden sogar Mietschiedgerichte verlangt. Und warum auch nicht? Warum soll dem Gesinde, den Mietern der Anspruch auf eine schnelle, sachverstän¬ dige und wohlfeile Rechtspflege, wie der beliebte Ausdruck lautet, vorenthalten werden? Um das Altenteil, das dann schließlich noch den ordentlichen Gerichten verbleiben wird, wird sich niemand mehr mühen. Was bei dieser Entwicklung aus unsrer Rechtsprechung wird, dürfte leicht bvrciuszusehen sein. Je stärker die neuen Gerichte werden, je mehr werden sie versuchen, ihre eignen Wege zu gehn und sich von den ordentlichen Gerichten un¬ abhängig zu machen. Schon jetzt befürwortet man, die Berufung bei Objekten bis zu einem Wert von dreihundert Mark auszuschließen. Dann wird die eben erst mühsam erkämpfte Rechtseinheit in die Brüche gehn, die Rechtsprechung wird sich zersplittern. Und wie man jetzt Stellung nimmt zu den sonder- und den ordentlichen Gerichten, so wird man dereinst die verschiedenen Urteile bewerten. Schon heute ist nach einem bekannten Prozeß das böse Wort gefallen, daß die ordentlichen Ge¬ richte keine Autorität hätten, und daß ihren Urteilsprüche» nur formelle Bedeu¬ tung zukäme.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/691>, abgerufen am 27.11.2024.