Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Leuer I gebaute, das so viele Stunden lang Flammen ausgespieen und das nahe bei ihm Ich konnte vor Dampf und Qualm die Spritzen anfangs gnr nicht sehen und Als ich näher kam, blieb ich stehn und betrachtete die lebhafte Szene, die sich Dritte Spritze, Ablösung! rief sie eben wieder mit ihrer silberhellen Stimme. Alles war hier in der besten Laune und Ordnung. An das Nachhausegehn Beunruhigen Sie sich nicht! antwortete er. Wir stehn im allcrfreundschaft- Als ich nach eiuer Stunde wiederkam, war die Arbeit getan. Es waren nur Leuer I gebaute, das so viele Stunden lang Flammen ausgespieen und das nahe bei ihm Ich konnte vor Dampf und Qualm die Spritzen anfangs gnr nicht sehen und Als ich näher kam, blieb ich stehn und betrachtete die lebhafte Szene, die sich Dritte Spritze, Ablösung! rief sie eben wieder mit ihrer silberhellen Stimme. Alles war hier in der besten Laune und Ordnung. An das Nachhausegehn Beunruhigen Sie sich nicht! antwortete er. Wir stehn im allcrfreundschaft- Als ich nach eiuer Stunde wiederkam, war die Arbeit getan. Es waren nur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0688" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240244"/> <fw type="header" place="top"> Leuer I</fw><lb/> <p xml:id="ID_3743" prev="#ID_3742"> gebaute, das so viele Stunden lang Flammen ausgespieen und das nahe bei ihm<lb/> stehende niedrigere Hans bedroht hatte, war im Innern zusammengestürzt. Da<lb/> inwendig brodelte es unten wie in einem Kessel mit geschmolzenem Metall. Der<lb/> Rauch stieg mächtig auf, und verschiedenfarbige feurige Zungen zuckten von Zeit zu<lb/> Zeit hoch über die Mauern empor, aber Gefahr für das Nachbarhaus gab es nicht<lb/> mehr, wenn der Wind nicht stärker wurde. An dieser Seite arbeitete jetzt unter<lb/> der Leitung des Brandmeisters, Prorwins und einiger Polizeioffiziere das Steiger¬<lb/> kommando mit Äxten und Haken, um die Holzteile der niedergebrannten Bauten<lb/> auseinander zu reißen und dadurch dem Feuer die Nahrung zu entziehn. Die<lb/> Spritzen standen sämtlich etwas weiter ab unter dem Winde, wo freilich kein Aus¬<lb/> breiten des Brandes zu erwarten war, weil es keine Gebäude in der Nähe gab,<lb/> aber eine Scheune loderte dort hell, und man hoffte, die mit Waren gefüllten Keller¬<lb/> räume unter ihr retten zu können.</p><lb/> <p xml:id="ID_3744"> Ich konnte vor Dampf und Qualm die Spritzen anfangs gnr nicht sehen und<lb/> ging nach dem Gehör auf das Prasseln der Rohre los. Da tönte klar und hell<lb/> die Stimme der jungen Dame zu mir herüber: Zweite Spritze, Ablösung!</p><lb/> <p xml:id="ID_3745"> Als ich näher kam, blieb ich stehn und betrachtete die lebhafte Szene, die sich<lb/> meinen Blicken bot. Im Hintergründe die lange Front der brennenden Scheune,<lb/> und vor ihr in kurzen Zwischenrttnmen alle vier Spritzen in voller Arbeit unter<lb/> der Leitung von Jemeljan Afanasjewitsch. Vorn Gruppen von rüstigen Männern<lb/> verschiedner Klassen und jeglichen Alters, mit und ohne Kopfbedeckung, in Hemden,<lb/> Westen oder leichten Röcken, teils ans halbverkohlter Balken sitzend, teils brüder¬<lb/> lich zusammenstehend, rauchend und lustig plaudernd. In der Mitte des Ganzen<lb/> die schlanke, zierliche Gestalt der jungen Dame hoch aufgerichtet, das kleine Pelz¬<lb/> mützchen schief auf dem krausen, dunkeln Haar, die linke Hand leicht auf die Hüfte<lb/> gestützt, in der rechten des Händlers Uhr, nach der sie die Arbeit der Pumpenden<lb/> regelte.</p><lb/> <p xml:id="ID_3746"> Dritte Spritze, Ablösung! rief sie eben wieder mit ihrer silberhellen Stimme.</p><lb/> <p xml:id="ID_3747"> Alles war hier in der besten Laune und Ordnung. An das Nachhausegehn<lb/> schien noch niemand denken zu wollen. Trotzdem wandte ich mich an Jemeljan<lb/> Afanasjewitsch mit der Bitte, die Freiwilligen nicht aufzuhalten und mein Ver¬<lb/> sprechen nicht außer Kraft zu setzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3748"> Beunruhigen Sie sich nicht! antwortete er. Wir stehn im allcrfreundschaft-<lb/> lichsten Verhältnisse. Ich habe den Leuten schon gedankt und erklärt, daß die Ge¬<lb/> fahr vorüber sei, und daß wir ihre Dienste jetzt entbehren könnten. Aber sie wollen<lb/> nichts davon hören und lassen die Spritzenleute gnr nicht an die Pumpen. Wissen<lb/> Sie — er sah mich pfiffig an —, wenn Kinder unerwartet ein Spielzeug erhalten,<lb/> worin ein Kniff steckt, und sie kriegen den Kniff heraus, dann können sie sich das<lb/> erstemal gar nicht sattspielen. Aber ohne Scherz, das junge Mädchen ist ein<lb/> seltnes Exemplar. Wäre mir eine solche in den Wurf gekommen, als ich jünger<lb/> war, ich hätte heute vielleicht auch eine Frau und Kinder zu Hause. Vorhin fielen<lb/> Brände und glühende Kohlen auf uns nieder, daß mir selbst unheimlich wurde.<lb/> Ich bat sie zu gehn. Gott bewahre! Sie hat ausgehalten und so ruhig nach der<lb/> Uhr gesehen, als ob sie ein alter Veteran wäre und täglich dergleichen Dinge<lb/> durchmachte.</p><lb/> <p xml:id="ID_3749" next="#ID_3750"> Als ich nach eiuer Stunde wiederkam, war die Arbeit getan. Es waren nur<lb/> noch zwei Spritzen am Platze, mit der Hälfte der Feuerwehr, unter dem Brand¬<lb/> meister und Prorwin. Sie wachten darüber, daß aus den glühenden und dampfenden<lb/> Überresten der Gebäude nicht von neuem die helle Flamme aufbreche, und richteten<lb/> die Rohre dahin, wo stärkere Feuerzungen aus den Trümmern aufflackerten. Auch<lb/> einige der freiwilligen Helfer waren noch da und teilten sich ihre Eindrücke mit.<lb/> Unter ihnen bemerkte ich den Händler Abramow. Ich näherte mich ihnen und<lb/> geriet ordentlich in Verlegenheit, als die Leute sich bei mir bedankten. Es klang<lb/> gerade so, als ob nicht sie es gewesen wären, die sich für die gute Sache geopfert</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0688]
Leuer I
gebaute, das so viele Stunden lang Flammen ausgespieen und das nahe bei ihm
stehende niedrigere Hans bedroht hatte, war im Innern zusammengestürzt. Da
inwendig brodelte es unten wie in einem Kessel mit geschmolzenem Metall. Der
Rauch stieg mächtig auf, und verschiedenfarbige feurige Zungen zuckten von Zeit zu
Zeit hoch über die Mauern empor, aber Gefahr für das Nachbarhaus gab es nicht
mehr, wenn der Wind nicht stärker wurde. An dieser Seite arbeitete jetzt unter
der Leitung des Brandmeisters, Prorwins und einiger Polizeioffiziere das Steiger¬
kommando mit Äxten und Haken, um die Holzteile der niedergebrannten Bauten
auseinander zu reißen und dadurch dem Feuer die Nahrung zu entziehn. Die
Spritzen standen sämtlich etwas weiter ab unter dem Winde, wo freilich kein Aus¬
breiten des Brandes zu erwarten war, weil es keine Gebäude in der Nähe gab,
aber eine Scheune loderte dort hell, und man hoffte, die mit Waren gefüllten Keller¬
räume unter ihr retten zu können.
Ich konnte vor Dampf und Qualm die Spritzen anfangs gnr nicht sehen und
ging nach dem Gehör auf das Prasseln der Rohre los. Da tönte klar und hell
die Stimme der jungen Dame zu mir herüber: Zweite Spritze, Ablösung!
Als ich näher kam, blieb ich stehn und betrachtete die lebhafte Szene, die sich
meinen Blicken bot. Im Hintergründe die lange Front der brennenden Scheune,
und vor ihr in kurzen Zwischenrttnmen alle vier Spritzen in voller Arbeit unter
der Leitung von Jemeljan Afanasjewitsch. Vorn Gruppen von rüstigen Männern
verschiedner Klassen und jeglichen Alters, mit und ohne Kopfbedeckung, in Hemden,
Westen oder leichten Röcken, teils ans halbverkohlter Balken sitzend, teils brüder¬
lich zusammenstehend, rauchend und lustig plaudernd. In der Mitte des Ganzen
die schlanke, zierliche Gestalt der jungen Dame hoch aufgerichtet, das kleine Pelz¬
mützchen schief auf dem krausen, dunkeln Haar, die linke Hand leicht auf die Hüfte
gestützt, in der rechten des Händlers Uhr, nach der sie die Arbeit der Pumpenden
regelte.
Dritte Spritze, Ablösung! rief sie eben wieder mit ihrer silberhellen Stimme.
Alles war hier in der besten Laune und Ordnung. An das Nachhausegehn
schien noch niemand denken zu wollen. Trotzdem wandte ich mich an Jemeljan
Afanasjewitsch mit der Bitte, die Freiwilligen nicht aufzuhalten und mein Ver¬
sprechen nicht außer Kraft zu setzen.
Beunruhigen Sie sich nicht! antwortete er. Wir stehn im allcrfreundschaft-
lichsten Verhältnisse. Ich habe den Leuten schon gedankt und erklärt, daß die Ge¬
fahr vorüber sei, und daß wir ihre Dienste jetzt entbehren könnten. Aber sie wollen
nichts davon hören und lassen die Spritzenleute gnr nicht an die Pumpen. Wissen
Sie — er sah mich pfiffig an —, wenn Kinder unerwartet ein Spielzeug erhalten,
worin ein Kniff steckt, und sie kriegen den Kniff heraus, dann können sie sich das
erstemal gar nicht sattspielen. Aber ohne Scherz, das junge Mädchen ist ein
seltnes Exemplar. Wäre mir eine solche in den Wurf gekommen, als ich jünger
war, ich hätte heute vielleicht auch eine Frau und Kinder zu Hause. Vorhin fielen
Brände und glühende Kohlen auf uns nieder, daß mir selbst unheimlich wurde.
Ich bat sie zu gehn. Gott bewahre! Sie hat ausgehalten und so ruhig nach der
Uhr gesehen, als ob sie ein alter Veteran wäre und täglich dergleichen Dinge
durchmachte.
Als ich nach eiuer Stunde wiederkam, war die Arbeit getan. Es waren nur
noch zwei Spritzen am Platze, mit der Hälfte der Feuerwehr, unter dem Brand¬
meister und Prorwin. Sie wachten darüber, daß aus den glühenden und dampfenden
Überresten der Gebäude nicht von neuem die helle Flamme aufbreche, und richteten
die Rohre dahin, wo stärkere Feuerzungen aus den Trümmern aufflackerten. Auch
einige der freiwilligen Helfer waren noch da und teilten sich ihre Eindrücke mit.
Unter ihnen bemerkte ich den Händler Abramow. Ich näherte mich ihnen und
geriet ordentlich in Verlegenheit, als die Leute sich bei mir bedankten. Es klang
gerade so, als ob nicht sie es gewesen wären, die sich für die gute Sache geopfert
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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