Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Feuer I die Pelze ablegten, tapferes Fräulein, nehmen Sie hier meine dicke Uhr, und passen Sie nahm die Uhr und nickte. Die Männer faßten die Pumpstangen und begannen die Arbeit. Es wollte Hier war ich fürs erste überflüssig. Ich nahm den andern Schutzmann mit Als ich wieder in die Gegend gelangte, aus der ich die Leute zum Pumpen Herr Gehilfe, redeten sie mich an, wir suchen Sie schon lange. Man hat uns Ich dankte den Leuten, ordnete sie zu acht Mann und ließ sie vom Schutz¬ Die Dunkelheit war längst eingetreten. Es schneite. Wenn ich emporblickte, Ich hatte eben wieder die zum Ufer und zur Brücke führende Straße ge¬ Es wurde leerer in der Umgebung. Die schaulustigen Nichtstuer verloren sich Ich fand das Bild verändert. Der Brand war lokalisiert. Das hohe Stein- Feuer I die Pelze ablegten, tapferes Fräulein, nehmen Sie hier meine dicke Uhr, und passen Sie nahm die Uhr und nickte. Die Männer faßten die Pumpstangen und begannen die Arbeit. Es wollte Hier war ich fürs erste überflüssig. Ich nahm den andern Schutzmann mit Als ich wieder in die Gegend gelangte, aus der ich die Leute zum Pumpen Herr Gehilfe, redeten sie mich an, wir suchen Sie schon lange. Man hat uns Ich dankte den Leuten, ordnete sie zu acht Mann und ließ sie vom Schutz¬ Die Dunkelheit war längst eingetreten. Es schneite. Wenn ich emporblickte, Ich hatte eben wieder die zum Ufer und zur Brücke führende Straße ge¬ Es wurde leerer in der Umgebung. Die schaulustigen Nichtstuer verloren sich Ich fand das Bild verändert. Der Brand war lokalisiert. Das hohe Stein- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0687" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240243"/> <fw type="header" place="top"> Feuer I</fw><lb/> <p xml:id="ID_3732" prev="#ID_3731"> die Pelze ablegten, tapferes Fräulein, nehmen Sie hier meine dicke Uhr, und passen<lb/> Sie auf. Wenn zehn Minuten um sind, schreien Sie uns zu. Dann kommt eine<lb/> andre Abteilung dran. Ordnung muß sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_3733"> Sie nahm die Uhr und nickte.</p><lb/> <p xml:id="ID_3734"> Die Männer faßten die Pumpstangen und begannen die Arbeit. Es wollte<lb/> anfangs freilich nicht recht gehn, aber Nemirow brachte ihnen bald den richtigen<lb/> Takt bei. Ich mußte ihn wieder prüfend ansehen und mich «ochmals überzeugen,<lb/> daß er es wirklich war. Ruhig und geduldig rief er unermüdlich sein: Eins, zwei!<lb/> eins, zweit Auch Prorwin hörte ich drüben laut zählen, und dazwischen lachten<lb/> die Pumpenden. Er machte wahrscheinlich aufmunternde Witze dabei.</p><lb/> <p xml:id="ID_3735"> Hier war ich fürs erste überflüssig. Ich nahm den andern Schutzmann mit<lb/> und ging, um mich an meine zweite Aufgabe, zu macheu, und ich mußte mich leider<lb/> überzeugen, daß sie schwerer war als die erste. Ich hatte es da mit anständigen<lb/> Leuten zu tun gehabt, die das Feuer mit Besorgnis betrachteten und darum auch<lb/> leicht zur Hilfe zu bereden waren. Die, die nur zu ihrem Vergnügen zusahen und<lb/> zum Beistehn zu faul waren, hatten sich still zur Seite gedrückt. Eben diese rohen,<lb/> faulen Gesellen waren aber die überwiegende Mehrzahl in den Straßen, und der<lb/> Versuch, sie zum Weggehn zu bewegen oder zum Einhalten der Trottoire und zur<lb/> Stille zu bringen, trug mir nichts als Ärger, Schmähungen und Grobheiten ein.<lb/> Und wieder war es das weibliche Geschlecht, das am hartnäckigsten die Straßen<lb/> stopfte und am rücksichtlosesten die Zunge gebrauchte. Sogar die Kutscher, die<lb/> überall hielten und auf Nückfahrende warteten, wollten durchaus nicht daran, Reihe<lb/> an den Straßenseiten zu halten und so die Passage freizugeben. Ich war genötigt,<lb/> einigen die Nummern abzunehmen, um sie am andern Tage zur Verantwortung<lb/> ziehn zu können. So machte ich bittend, befehlend, drohend und ermahnend, sogar<lb/> hin und wieder laeues eingreifend die Runde um die Brandstätte. Ich war nnr<lb/> im Rock, es fror, und doch hatte ich es heiß und schwitzte.</p><lb/> <p xml:id="ID_3736"> Als ich wieder in die Gegend gelangte, aus der ich die Leute zum Pumpen<lb/> geholt hatte, sah ich eine neue Ansammlung von Menschen mitten in der Straße.<lb/> Ich eilte hin und wollte eben beginnen zu schelten, als sich einige Personen von<lb/> dem Haufen trennten und mir entgegenkamen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3737"> Herr Gehilfe, redeten sie mich an, wir suchen Sie schon lange. Man hat uns<lb/> erzählt, daß viele Einwohner dort pumpen helfen, und daß sie nnter Ihrem Schutze<lb/> stehn. Wir möchten auch helfen, aber wir wagen uns nicht hin, wissen mich nicht,<lb/> wohin. Wir sind sämtlich Nachbarn hier aus dem Stadtteile.</p><lb/> <p xml:id="ID_3738"> Ich dankte den Leuten, ordnete sie zu acht Mann und ließ sie vom Schutz¬<lb/> manne führen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3739"> Die Dunkelheit war längst eingetreten. Es schneite. Wenn ich emporblickte,<lb/> !"h es über mir blutrot aus, und die herabfallenden Schneeflocken blitzten und<lb/> glitzerten im Lichte der Flamme wie unzählige goldne und silberne Flitter. Unten<lb/> aber, auf dem schneebedeckten Boden, war es so hell, daß man mit Leichtigkeit eine<lb/> Verlorne Nadel hätte finden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_3740"> Ich hatte eben wieder die zum Ufer und zur Brücke führende Straße ge¬<lb/> säubert, die Neugierigen auf die Trottoire gescheucht, die Wagen in eine Reihe<lb/> gebracht, als der Chef der Provinz vorüberfuhr. Hinter ihm verließ der Polizei-<lb/> Geister die Brandstätte. Beide Herren sahen rechts und links um sich und er¬<lb/> widerten militärisch meinen dienstlichen Gruß.</p><lb/> <p xml:id="ID_3741"> Es wurde leerer in der Umgebung. Die schaulustigen Nichtstuer verloren sich<lb/> allmählich. Die Neugier hatten sie befriedigt. Das Feuer nahm ab. Abwechslung<lb/> und neues Sehenswertes war nicht mehr zu erwarten. Da mochten denn die kalten<lb/> Mße und der hungrige Magen ihr Recht geltend machen. Die Wagen waren<lb/> ganz verschwunden. Ich ging, nach meinen Pumpern zu sehen und dann noch ein¬<lb/> mal die Runde zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3742" next="#ID_3743"> Ich fand das Bild verändert. Der Brand war lokalisiert. Das hohe Stein-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0687]
Feuer I
die Pelze ablegten, tapferes Fräulein, nehmen Sie hier meine dicke Uhr, und passen
Sie auf. Wenn zehn Minuten um sind, schreien Sie uns zu. Dann kommt eine
andre Abteilung dran. Ordnung muß sein.
Sie nahm die Uhr und nickte.
Die Männer faßten die Pumpstangen und begannen die Arbeit. Es wollte
anfangs freilich nicht recht gehn, aber Nemirow brachte ihnen bald den richtigen
Takt bei. Ich mußte ihn wieder prüfend ansehen und mich «ochmals überzeugen,
daß er es wirklich war. Ruhig und geduldig rief er unermüdlich sein: Eins, zwei!
eins, zweit Auch Prorwin hörte ich drüben laut zählen, und dazwischen lachten
die Pumpenden. Er machte wahrscheinlich aufmunternde Witze dabei.
Hier war ich fürs erste überflüssig. Ich nahm den andern Schutzmann mit
und ging, um mich an meine zweite Aufgabe, zu macheu, und ich mußte mich leider
überzeugen, daß sie schwerer war als die erste. Ich hatte es da mit anständigen
Leuten zu tun gehabt, die das Feuer mit Besorgnis betrachteten und darum auch
leicht zur Hilfe zu bereden waren. Die, die nur zu ihrem Vergnügen zusahen und
zum Beistehn zu faul waren, hatten sich still zur Seite gedrückt. Eben diese rohen,
faulen Gesellen waren aber die überwiegende Mehrzahl in den Straßen, und der
Versuch, sie zum Weggehn zu bewegen oder zum Einhalten der Trottoire und zur
Stille zu bringen, trug mir nichts als Ärger, Schmähungen und Grobheiten ein.
Und wieder war es das weibliche Geschlecht, das am hartnäckigsten die Straßen
stopfte und am rücksichtlosesten die Zunge gebrauchte. Sogar die Kutscher, die
überall hielten und auf Nückfahrende warteten, wollten durchaus nicht daran, Reihe
an den Straßenseiten zu halten und so die Passage freizugeben. Ich war genötigt,
einigen die Nummern abzunehmen, um sie am andern Tage zur Verantwortung
ziehn zu können. So machte ich bittend, befehlend, drohend und ermahnend, sogar
hin und wieder laeues eingreifend die Runde um die Brandstätte. Ich war nnr
im Rock, es fror, und doch hatte ich es heiß und schwitzte.
Als ich wieder in die Gegend gelangte, aus der ich die Leute zum Pumpen
geholt hatte, sah ich eine neue Ansammlung von Menschen mitten in der Straße.
Ich eilte hin und wollte eben beginnen zu schelten, als sich einige Personen von
dem Haufen trennten und mir entgegenkamen.
Herr Gehilfe, redeten sie mich an, wir suchen Sie schon lange. Man hat uns
erzählt, daß viele Einwohner dort pumpen helfen, und daß sie nnter Ihrem Schutze
stehn. Wir möchten auch helfen, aber wir wagen uns nicht hin, wissen mich nicht,
wohin. Wir sind sämtlich Nachbarn hier aus dem Stadtteile.
Ich dankte den Leuten, ordnete sie zu acht Mann und ließ sie vom Schutz¬
manne führen.
Die Dunkelheit war längst eingetreten. Es schneite. Wenn ich emporblickte,
!"h es über mir blutrot aus, und die herabfallenden Schneeflocken blitzten und
glitzerten im Lichte der Flamme wie unzählige goldne und silberne Flitter. Unten
aber, auf dem schneebedeckten Boden, war es so hell, daß man mit Leichtigkeit eine
Verlorne Nadel hätte finden können.
Ich hatte eben wieder die zum Ufer und zur Brücke führende Straße ge¬
säubert, die Neugierigen auf die Trottoire gescheucht, die Wagen in eine Reihe
gebracht, als der Chef der Provinz vorüberfuhr. Hinter ihm verließ der Polizei-
Geister die Brandstätte. Beide Herren sahen rechts und links um sich und er¬
widerten militärisch meinen dienstlichen Gruß.
Es wurde leerer in der Umgebung. Die schaulustigen Nichtstuer verloren sich
allmählich. Die Neugier hatten sie befriedigt. Das Feuer nahm ab. Abwechslung
und neues Sehenswertes war nicht mehr zu erwarten. Da mochten denn die kalten
Mße und der hungrige Magen ihr Recht geltend machen. Die Wagen waren
ganz verschwunden. Ich ging, nach meinen Pumpern zu sehen und dann noch ein¬
mal die Runde zu machen.
Ich fand das Bild verändert. Der Brand war lokalisiert. Das hohe Stein-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |