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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Literatur

Gesinnung erhebt es einen Anspruch, aber sagt nichts über den Wert. Es er¬
innert an den Pharisäer, der Gott dankte, nicht wie der Zöllner zu sein; -- aber
ich vergesse, daß es ja auch sehr modern ist, Gott nicht mehr zu danken. Ja,
was antworte ich nun meiner Tochter? Mein Kind, wir sind wohl recht un¬
moderne Menschen, im übrigen brauchst du das noch nicht zu verstehn.




Literatur

Hauptwerke der bildenden Kunst in geschichtlichem Zusammenhange. Zur Ein¬
führung erläutert von Georg Warnecke. Mit 441 Abbildungen im Text und vier Farben¬
drucken. Leipzig, E. A. Seemann, 1902

Dieses vortreffliche Buch ist etwas in seiner Art ganz neues. Anstatt einer
zusammenhängenden Kunstgeschichte, die in der Kürze eines einziges Bandes für
die heutigen Ansprüche notwendigerweise so oberflächlich ausfallen muß, daß man vor
allen solchen neuern Büchern, so sehr sie auch angepriesen werden, nur warnen kann,
gibt der Verfasser eine geschickt getroffne Auswahl von Werken der Architektur,
Plastik und Malerei aller Zeiten von den Ägyptern und Assyrern bis auf Klinger,
Stuck, Thoma, Licbermcmn und Abbe, die Werke werden abgebildet und kurz be¬
sprochen, die wichtigern Künstler mit wenig Strichen charakterisiert, und die einzelnen
Gruppe" von Kunstwerken und Künstlern durch fest und klar gezogne Grundlinien
der Geschichte miteinander verbunden. Der Gedanke ist glücklich, und für die ebenso
glückliche Durchführung gebührt dem Verfasser der Dank aller, denen an geschmack¬
voller Popularisierung der Kunst gelegen ist: er kennt die Literatur, versteht zu sehen und
hat die Gabe, deutlich und ohne Phrasen zu belehren. Sein Buch seht gar keine Vor-
kenntnisse voraus und unterrichtet doch so gründlich, mühelos und angenehm, wie
keines der bis jetzt für Anfänger geschriebnen Handbücher, die es mit seinem gediegnen
Inhalt, seinem reichen Bilderschmuck und dem spottbilligen Preise von 7,50 Mark
für den Band in Leinwand alle aus dem Felde schlägt. Warnecke hat sich schon
durch einen gutgeschriebneu Text zu einem kunstgeschichtlichen Bilderbuche desselben
Verlags bekannt gemacht, er ist ein gebildeter, tüchtiger Schulmann, der nicht nur
die Methoden des Unterrichts kennt, sondern auch weiß, daß, was man andre lehren
will, mau zunächst erst selbst gelernt haben muß. So trivial das klingt, so nötig
scheint es mir, es gerade bei dieser Gelegenheit zu sagen, weil ich zufällig in einer
Rezension seines Werkes die einfältige Bemerkung finde: den sachlichen Inhalt der
Kunstwerke gebe er meist richtig an, im Technischen und Ästhetischen "versage er."
Ich bin ihm dankbar, daß er sich das billige Vergnügen versagt hat, seine Leser
mit seichtem ästhetischem Geschwätz zu überschütten, weil ich seine "sachliche" Art,
die ich allein für wissenschaftlich berechtigt halte, vorziehe, und das "Technische"
z. B. in den Architetturbeschreibungen so ausreichend berücksichtigt finde, wie es von
einem solchen Buch überhaupt nur erwartet werden kann. Ich habe es einer
ganzen Anzahl kluger Männer zunächst als Geschenk an junge Mädchen empfohlen;
sie haben es dann zum Teil auch noch für sich selbst gekauft und mir nachträglich
gesagt, daß sie nicht gedacht hätten, daß es ein so schönes Buch überhaupt gebe.
Es erscheint uun gerade zur rechten Zeit. Kunst für die Schule, Kunst für das
Volk, Kunsterziehung, noch niemals hat mau davon soviel gesprochen und geschrieben
wie in diesen letzten Jahren. Wenn es sich aber dabei häufig wenigstens um die
Förderung bestimmter moderner Richtungen in der Kunst und um die Einführung
neuer sogenannter Methoden in der Betrachtung von Kunstwerken gehandelt hat,
so gibt uns Warneckes Buch das bewährte Alte, d. h, die ganze Kunst der Ver¬
gangenheit in ihren besten Beispielen und, was die Behandlung betrifft, auf die
für das allgemeine Verständnis einleuchtendsten Begriffe zurückgeführt, die niemals
veralten können, weil sie in der Sache liegen.




Herausgegeben von Johannes Gruncnv in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marqunrt in Leipzig
Literatur

Gesinnung erhebt es einen Anspruch, aber sagt nichts über den Wert. Es er¬
innert an den Pharisäer, der Gott dankte, nicht wie der Zöllner zu sein; — aber
ich vergesse, daß es ja auch sehr modern ist, Gott nicht mehr zu danken. Ja,
was antworte ich nun meiner Tochter? Mein Kind, wir sind wohl recht un¬
moderne Menschen, im übrigen brauchst du das noch nicht zu verstehn.




Literatur

Hauptwerke der bildenden Kunst in geschichtlichem Zusammenhange. Zur Ein¬
führung erläutert von Georg Warnecke. Mit 441 Abbildungen im Text und vier Farben¬
drucken. Leipzig, E. A. Seemann, 1902

Dieses vortreffliche Buch ist etwas in seiner Art ganz neues. Anstatt einer
zusammenhängenden Kunstgeschichte, die in der Kürze eines einziges Bandes für
die heutigen Ansprüche notwendigerweise so oberflächlich ausfallen muß, daß man vor
allen solchen neuern Büchern, so sehr sie auch angepriesen werden, nur warnen kann,
gibt der Verfasser eine geschickt getroffne Auswahl von Werken der Architektur,
Plastik und Malerei aller Zeiten von den Ägyptern und Assyrern bis auf Klinger,
Stuck, Thoma, Licbermcmn und Abbe, die Werke werden abgebildet und kurz be¬
sprochen, die wichtigern Künstler mit wenig Strichen charakterisiert, und die einzelnen
Gruppe» von Kunstwerken und Künstlern durch fest und klar gezogne Grundlinien
der Geschichte miteinander verbunden. Der Gedanke ist glücklich, und für die ebenso
glückliche Durchführung gebührt dem Verfasser der Dank aller, denen an geschmack¬
voller Popularisierung der Kunst gelegen ist: er kennt die Literatur, versteht zu sehen und
hat die Gabe, deutlich und ohne Phrasen zu belehren. Sein Buch seht gar keine Vor-
kenntnisse voraus und unterrichtet doch so gründlich, mühelos und angenehm, wie
keines der bis jetzt für Anfänger geschriebnen Handbücher, die es mit seinem gediegnen
Inhalt, seinem reichen Bilderschmuck und dem spottbilligen Preise von 7,50 Mark
für den Band in Leinwand alle aus dem Felde schlägt. Warnecke hat sich schon
durch einen gutgeschriebneu Text zu einem kunstgeschichtlichen Bilderbuche desselben
Verlags bekannt gemacht, er ist ein gebildeter, tüchtiger Schulmann, der nicht nur
die Methoden des Unterrichts kennt, sondern auch weiß, daß, was man andre lehren
will, mau zunächst erst selbst gelernt haben muß. So trivial das klingt, so nötig
scheint es mir, es gerade bei dieser Gelegenheit zu sagen, weil ich zufällig in einer
Rezension seines Werkes die einfältige Bemerkung finde: den sachlichen Inhalt der
Kunstwerke gebe er meist richtig an, im Technischen und Ästhetischen „versage er."
Ich bin ihm dankbar, daß er sich das billige Vergnügen versagt hat, seine Leser
mit seichtem ästhetischem Geschwätz zu überschütten, weil ich seine „sachliche" Art,
die ich allein für wissenschaftlich berechtigt halte, vorziehe, und das „Technische"
z. B. in den Architetturbeschreibungen so ausreichend berücksichtigt finde, wie es von
einem solchen Buch überhaupt nur erwartet werden kann. Ich habe es einer
ganzen Anzahl kluger Männer zunächst als Geschenk an junge Mädchen empfohlen;
sie haben es dann zum Teil auch noch für sich selbst gekauft und mir nachträglich
gesagt, daß sie nicht gedacht hätten, daß es ein so schönes Buch überhaupt gebe.
Es erscheint uun gerade zur rechten Zeit. Kunst für die Schule, Kunst für das
Volk, Kunsterziehung, noch niemals hat mau davon soviel gesprochen und geschrieben
wie in diesen letzten Jahren. Wenn es sich aber dabei häufig wenigstens um die
Förderung bestimmter moderner Richtungen in der Kunst und um die Einführung
neuer sogenannter Methoden in der Betrachtung von Kunstwerken gehandelt hat,
so gibt uns Warneckes Buch das bewährte Alte, d. h, die ganze Kunst der Ver¬
gangenheit in ihren besten Beispielen und, was die Behandlung betrifft, auf die
für das allgemeine Verständnis einleuchtendsten Begriffe zurückgeführt, die niemals
veralten können, weil sie in der Sache liegen.




Herausgegeben von Johannes Gruncnv in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marqunrt in Leipzig
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[0068] Literatur Gesinnung erhebt es einen Anspruch, aber sagt nichts über den Wert. Es er¬ innert an den Pharisäer, der Gott dankte, nicht wie der Zöllner zu sein; — aber ich vergesse, daß es ja auch sehr modern ist, Gott nicht mehr zu danken. Ja, was antworte ich nun meiner Tochter? Mein Kind, wir sind wohl recht un¬ moderne Menschen, im übrigen brauchst du das noch nicht zu verstehn. Literatur Hauptwerke der bildenden Kunst in geschichtlichem Zusammenhange. Zur Ein¬ führung erläutert von Georg Warnecke. Mit 441 Abbildungen im Text und vier Farben¬ drucken. Leipzig, E. A. Seemann, 1902 Dieses vortreffliche Buch ist etwas in seiner Art ganz neues. Anstatt einer zusammenhängenden Kunstgeschichte, die in der Kürze eines einziges Bandes für die heutigen Ansprüche notwendigerweise so oberflächlich ausfallen muß, daß man vor allen solchen neuern Büchern, so sehr sie auch angepriesen werden, nur warnen kann, gibt der Verfasser eine geschickt getroffne Auswahl von Werken der Architektur, Plastik und Malerei aller Zeiten von den Ägyptern und Assyrern bis auf Klinger, Stuck, Thoma, Licbermcmn und Abbe, die Werke werden abgebildet und kurz be¬ sprochen, die wichtigern Künstler mit wenig Strichen charakterisiert, und die einzelnen Gruppe» von Kunstwerken und Künstlern durch fest und klar gezogne Grundlinien der Geschichte miteinander verbunden. Der Gedanke ist glücklich, und für die ebenso glückliche Durchführung gebührt dem Verfasser der Dank aller, denen an geschmack¬ voller Popularisierung der Kunst gelegen ist: er kennt die Literatur, versteht zu sehen und hat die Gabe, deutlich und ohne Phrasen zu belehren. Sein Buch seht gar keine Vor- kenntnisse voraus und unterrichtet doch so gründlich, mühelos und angenehm, wie keines der bis jetzt für Anfänger geschriebnen Handbücher, die es mit seinem gediegnen Inhalt, seinem reichen Bilderschmuck und dem spottbilligen Preise von 7,50 Mark für den Band in Leinwand alle aus dem Felde schlägt. Warnecke hat sich schon durch einen gutgeschriebneu Text zu einem kunstgeschichtlichen Bilderbuche desselben Verlags bekannt gemacht, er ist ein gebildeter, tüchtiger Schulmann, der nicht nur die Methoden des Unterrichts kennt, sondern auch weiß, daß, was man andre lehren will, mau zunächst erst selbst gelernt haben muß. So trivial das klingt, so nötig scheint es mir, es gerade bei dieser Gelegenheit zu sagen, weil ich zufällig in einer Rezension seines Werkes die einfältige Bemerkung finde: den sachlichen Inhalt der Kunstwerke gebe er meist richtig an, im Technischen und Ästhetischen „versage er." Ich bin ihm dankbar, daß er sich das billige Vergnügen versagt hat, seine Leser mit seichtem ästhetischem Geschwätz zu überschütten, weil ich seine „sachliche" Art, die ich allein für wissenschaftlich berechtigt halte, vorziehe, und das „Technische" z. B. in den Architetturbeschreibungen so ausreichend berücksichtigt finde, wie es von einem solchen Buch überhaupt nur erwartet werden kann. Ich habe es einer ganzen Anzahl kluger Männer zunächst als Geschenk an junge Mädchen empfohlen; sie haben es dann zum Teil auch noch für sich selbst gekauft und mir nachträglich gesagt, daß sie nicht gedacht hätten, daß es ein so schönes Buch überhaupt gebe. Es erscheint uun gerade zur rechten Zeit. Kunst für die Schule, Kunst für das Volk, Kunsterziehung, noch niemals hat mau davon soviel gesprochen und geschrieben wie in diesen letzten Jahren. Wenn es sich aber dabei häufig wenigstens um die Förderung bestimmter moderner Richtungen in der Kunst und um die Einführung neuer sogenannter Methoden in der Betrachtung von Kunstwerken gehandelt hat, so gibt uns Warneckes Buch das bewährte Alte, d. h, die ganze Kunst der Ver¬ gangenheit in ihren besten Beispielen und, was die Behandlung betrifft, auf die für das allgemeine Verständnis einleuchtendsten Begriffe zurückgeführt, die niemals veralten können, weil sie in der Sache liegen. Herausgegeben von Johannes Gruncnv in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marqunrt in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/68>, abgerufen am 24.11.2024.