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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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sich die Initiative von Ministern, die viele Jahre am Ruder sind, mindert, aber
die dringenden Staatsausgaben mindern sich nicht. Und die bayrische Staats¬
verwaltung, die jetzt auch noch mit schlechten Finanzerträgnissen rechnen muß, steht
vor neuen großen Aufgaben. Die Politik der Aushilfe und der kleinen Hilfsmittel
reicht uicht in alle Zeiten aus. Es ist eines der größten Verdienste des Finanz-
ministers Freiherrn von Riedel, daß er in jahrelanger steter Arbeit das Defizit im
bayrischen Staatshaushalte beseitigt und durch Überschüsse eine Reihe dringender
Stacitsnusgaben bestritten hat, die sonst auf deu Aulcheuswcg hätte" verwiesen
werden müssen. Aber jetzt bleiben die Überschüsse aus, die Steuern reichen nicht
mehr zu, und die Hilfsquellen der Gemeinden versagen allmählich. Eine gründliche
Reform unsrer veralteten Steuergesetzgebung durch Einführung der allgemeinen
Einkommensteuer und die Gesundung der Finauzverhnltnisse durch Ertragssteuern
wird immer mehr zum unabweisbaren Bedürfnis. Freilich steht die bayrische Staats¬
verwaltung noch vor einer andern Aufgabe, der Reform unsrer Beamtengesctzgebnng
und der Aufbesserung der unzureichenden Gehalte der Beamten und Bediensteten.
Diese Reformfrage ist über das finanzielle Gebiet hinausgewachsen, sie ist eine
staatspolitische Frage geworden. Die Unsumme von Unzufriedenheit, teilweise von
Erbitterung, die sich allmählich in der Beamtenschaft angehäuft hat, macht es dringend
nötig, daß hier endlich eine energische und dabei wohlwollende Hand gründliche
Besserung schafft. Auch andre Fragen, wie die Schaffung eines Verlehrsministerinms,
die Reform unsrer Wassergesetzgebnng usw. harre" der Erledigung. Wir wollen
hoffen, daß die frischen Kräfte, aus denen sich allmählich das Ministerium Pode-
wils zusammensetzen wird, diese Fragen zum Nutzen unsers engern Vaterlandes lösen
werden.


Griechenland und die Jesuiten.

Professor A. Diomedes Kyriakvs von
der Universität Athen richtet folgenden Brief an die Rvvns Jut>o>-NÄt,in>na,Jo als ?uüo-
loxio, an deren Spitze der bekannte altkatholische Gelehrte Professor Michciud in
Bern steht, und die die hervorragendsten wirklichen Neformlatholiken und gelehrten
Protestanten Europas und Amerikas zu ihren Mitarbeitern hat: "Die Nachricht
der Zeitungen, wonach sich die Jesuiten und die übrigen Kvugreganisten, die in der
letzten Zeit aus Frankreich ausgestoßen worden sind, auf den Rat des Papstes hin
in Griechenland, Makedonien, Bulgarien, der Walachei und den übrigen Staaten
des Orients niederzulassen gedenken, hat hier einige Beunruhigung erzeugt. Griechen¬
land und der ganze übrige Orient kennen die Jesuiten und ihre schlaue und gefahr¬
volle Wirksamkeit zur Genüge. Deshalb hat unsre theologische Fakultät in diesen
Tagen an das Kultusministerium ein Memorandum gerichtet, worin sie die Gefahr
zeigt, die für die orthodoxe Kirche und für die griechische Nationalität erwachsen
würde, wenn sich die Jesuiten in Griechenland installierten; der griechischen Ne¬
gierung empfiehlt sie, ihnen, wenn sie sie um die gesetzliche Erlaubnis ersuchen
werden, diese zu verweigern. Dies ist sehr wahrscheinlich. Die Abfassung des
Memorandnms übernahm nach Beschluß der Fakultät der Schreiber des Briefes
(Professor Kyriakos). Die Bittschrift zeigt, wie die jesuitischen Schulen, wenn solche
bei uns gegründet würden, nicht bloß gegen unsre Kirche fanatisch Prvsclytismus
treiben, sondern auch eine antinationale, antigriechische Bildung unter der helle¬
nischen Jugend ausbreiten würden. Sie betont, daß die jesuitischen Schulen von
der Regierung keine Bestätigung ihrer Statuten, ferner auch keine staatliche Beauf¬
sichtigung über ihre Schulbücher und ihr Personal dulden. Deshalb sind ja auch,
wie bekannt, die Jesuiten aus Frankreich ausgetrieben worden. Diese Widersetzuug
gegen die Gesetze würde der schwachen Regierung viele Schwierigkeiten bereiten.
Außerdem betont das Memorandum, daß die Bildung durch die Jesuiten deshalb
autinntionnl sein würde, weil sie der griechischen Jugend weder Liebe zu der
griechischen mit der Nationalität so eng verbundnen Kirche, noch Begeisterung für
das Griechentum überhaupt einflößen würde, sondern im Gegenteil nur Haß gegen
die orientalische Kirche und gegen alles, was griechisch ist. Ferner, daß diese


sich die Initiative von Ministern, die viele Jahre am Ruder sind, mindert, aber
die dringenden Staatsausgaben mindern sich nicht. Und die bayrische Staats¬
verwaltung, die jetzt auch noch mit schlechten Finanzerträgnissen rechnen muß, steht
vor neuen großen Aufgaben. Die Politik der Aushilfe und der kleinen Hilfsmittel
reicht uicht in alle Zeiten aus. Es ist eines der größten Verdienste des Finanz-
ministers Freiherrn von Riedel, daß er in jahrelanger steter Arbeit das Defizit im
bayrischen Staatshaushalte beseitigt und durch Überschüsse eine Reihe dringender
Stacitsnusgaben bestritten hat, die sonst auf deu Aulcheuswcg hätte» verwiesen
werden müssen. Aber jetzt bleiben die Überschüsse aus, die Steuern reichen nicht
mehr zu, und die Hilfsquellen der Gemeinden versagen allmählich. Eine gründliche
Reform unsrer veralteten Steuergesetzgebung durch Einführung der allgemeinen
Einkommensteuer und die Gesundung der Finauzverhnltnisse durch Ertragssteuern
wird immer mehr zum unabweisbaren Bedürfnis. Freilich steht die bayrische Staats¬
verwaltung noch vor einer andern Aufgabe, der Reform unsrer Beamtengesctzgebnng
und der Aufbesserung der unzureichenden Gehalte der Beamten und Bediensteten.
Diese Reformfrage ist über das finanzielle Gebiet hinausgewachsen, sie ist eine
staatspolitische Frage geworden. Die Unsumme von Unzufriedenheit, teilweise von
Erbitterung, die sich allmählich in der Beamtenschaft angehäuft hat, macht es dringend
nötig, daß hier endlich eine energische und dabei wohlwollende Hand gründliche
Besserung schafft. Auch andre Fragen, wie die Schaffung eines Verlehrsministerinms,
die Reform unsrer Wassergesetzgebnng usw. harre« der Erledigung. Wir wollen
hoffen, daß die frischen Kräfte, aus denen sich allmählich das Ministerium Pode-
wils zusammensetzen wird, diese Fragen zum Nutzen unsers engern Vaterlandes lösen
werden.


Griechenland und die Jesuiten.

Professor A. Diomedes Kyriakvs von
der Universität Athen richtet folgenden Brief an die Rvvns Jut>o>-NÄt,in>na,Jo als ?uüo-
loxio, an deren Spitze der bekannte altkatholische Gelehrte Professor Michciud in
Bern steht, und die die hervorragendsten wirklichen Neformlatholiken und gelehrten
Protestanten Europas und Amerikas zu ihren Mitarbeitern hat: „Die Nachricht
der Zeitungen, wonach sich die Jesuiten und die übrigen Kvugreganisten, die in der
letzten Zeit aus Frankreich ausgestoßen worden sind, auf den Rat des Papstes hin
in Griechenland, Makedonien, Bulgarien, der Walachei und den übrigen Staaten
des Orients niederzulassen gedenken, hat hier einige Beunruhigung erzeugt. Griechen¬
land und der ganze übrige Orient kennen die Jesuiten und ihre schlaue und gefahr¬
volle Wirksamkeit zur Genüge. Deshalb hat unsre theologische Fakultät in diesen
Tagen an das Kultusministerium ein Memorandum gerichtet, worin sie die Gefahr
zeigt, die für die orthodoxe Kirche und für die griechische Nationalität erwachsen
würde, wenn sich die Jesuiten in Griechenland installierten; der griechischen Ne¬
gierung empfiehlt sie, ihnen, wenn sie sie um die gesetzliche Erlaubnis ersuchen
werden, diese zu verweigern. Dies ist sehr wahrscheinlich. Die Abfassung des
Memorandnms übernahm nach Beschluß der Fakultät der Schreiber des Briefes
(Professor Kyriakos). Die Bittschrift zeigt, wie die jesuitischen Schulen, wenn solche
bei uns gegründet würden, nicht bloß gegen unsre Kirche fanatisch Prvsclytismus
treiben, sondern auch eine antinationale, antigriechische Bildung unter der helle¬
nischen Jugend ausbreiten würden. Sie betont, daß die jesuitischen Schulen von
der Regierung keine Bestätigung ihrer Statuten, ferner auch keine staatliche Beauf¬
sichtigung über ihre Schulbücher und ihr Personal dulden. Deshalb sind ja auch,
wie bekannt, die Jesuiten aus Frankreich ausgetrieben worden. Diese Widersetzuug
gegen die Gesetze würde der schwachen Regierung viele Schwierigkeiten bereiten.
Außerdem betont das Memorandum, daß die Bildung durch die Jesuiten deshalb
autinntionnl sein würde, weil sie der griechischen Jugend weder Liebe zu der
griechischen mit der Nationalität so eng verbundnen Kirche, noch Begeisterung für
das Griechentum überhaupt einflößen würde, sondern im Gegenteil nur Haß gegen
die orientalische Kirche und gegen alles, was griechisch ist. Ferner, daß diese


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[0630] sich die Initiative von Ministern, die viele Jahre am Ruder sind, mindert, aber die dringenden Staatsausgaben mindern sich nicht. Und die bayrische Staats¬ verwaltung, die jetzt auch noch mit schlechten Finanzerträgnissen rechnen muß, steht vor neuen großen Aufgaben. Die Politik der Aushilfe und der kleinen Hilfsmittel reicht uicht in alle Zeiten aus. Es ist eines der größten Verdienste des Finanz- ministers Freiherrn von Riedel, daß er in jahrelanger steter Arbeit das Defizit im bayrischen Staatshaushalte beseitigt und durch Überschüsse eine Reihe dringender Stacitsnusgaben bestritten hat, die sonst auf deu Aulcheuswcg hätte» verwiesen werden müssen. Aber jetzt bleiben die Überschüsse aus, die Steuern reichen nicht mehr zu, und die Hilfsquellen der Gemeinden versagen allmählich. Eine gründliche Reform unsrer veralteten Steuergesetzgebung durch Einführung der allgemeinen Einkommensteuer und die Gesundung der Finauzverhnltnisse durch Ertragssteuern wird immer mehr zum unabweisbaren Bedürfnis. Freilich steht die bayrische Staats¬ verwaltung noch vor einer andern Aufgabe, der Reform unsrer Beamtengesctzgebnng und der Aufbesserung der unzureichenden Gehalte der Beamten und Bediensteten. Diese Reformfrage ist über das finanzielle Gebiet hinausgewachsen, sie ist eine staatspolitische Frage geworden. Die Unsumme von Unzufriedenheit, teilweise von Erbitterung, die sich allmählich in der Beamtenschaft angehäuft hat, macht es dringend nötig, daß hier endlich eine energische und dabei wohlwollende Hand gründliche Besserung schafft. Auch andre Fragen, wie die Schaffung eines Verlehrsministerinms, die Reform unsrer Wassergesetzgebnng usw. harre« der Erledigung. Wir wollen hoffen, daß die frischen Kräfte, aus denen sich allmählich das Ministerium Pode- wils zusammensetzen wird, diese Fragen zum Nutzen unsers engern Vaterlandes lösen werden. Griechenland und die Jesuiten. Professor A. Diomedes Kyriakvs von der Universität Athen richtet folgenden Brief an die Rvvns Jut>o>-NÄt,in>na,Jo als ?uüo- loxio, an deren Spitze der bekannte altkatholische Gelehrte Professor Michciud in Bern steht, und die die hervorragendsten wirklichen Neformlatholiken und gelehrten Protestanten Europas und Amerikas zu ihren Mitarbeitern hat: „Die Nachricht der Zeitungen, wonach sich die Jesuiten und die übrigen Kvugreganisten, die in der letzten Zeit aus Frankreich ausgestoßen worden sind, auf den Rat des Papstes hin in Griechenland, Makedonien, Bulgarien, der Walachei und den übrigen Staaten des Orients niederzulassen gedenken, hat hier einige Beunruhigung erzeugt. Griechen¬ land und der ganze übrige Orient kennen die Jesuiten und ihre schlaue und gefahr¬ volle Wirksamkeit zur Genüge. Deshalb hat unsre theologische Fakultät in diesen Tagen an das Kultusministerium ein Memorandum gerichtet, worin sie die Gefahr zeigt, die für die orthodoxe Kirche und für die griechische Nationalität erwachsen würde, wenn sich die Jesuiten in Griechenland installierten; der griechischen Ne¬ gierung empfiehlt sie, ihnen, wenn sie sie um die gesetzliche Erlaubnis ersuchen werden, diese zu verweigern. Dies ist sehr wahrscheinlich. Die Abfassung des Memorandnms übernahm nach Beschluß der Fakultät der Schreiber des Briefes (Professor Kyriakos). Die Bittschrift zeigt, wie die jesuitischen Schulen, wenn solche bei uns gegründet würden, nicht bloß gegen unsre Kirche fanatisch Prvsclytismus treiben, sondern auch eine antinationale, antigriechische Bildung unter der helle¬ nischen Jugend ausbreiten würden. Sie betont, daß die jesuitischen Schulen von der Regierung keine Bestätigung ihrer Statuten, ferner auch keine staatliche Beauf¬ sichtigung über ihre Schulbücher und ihr Personal dulden. Deshalb sind ja auch, wie bekannt, die Jesuiten aus Frankreich ausgetrieben worden. Diese Widersetzuug gegen die Gesetze würde der schwachen Regierung viele Schwierigkeiten bereiten. Außerdem betont das Memorandum, daß die Bildung durch die Jesuiten deshalb autinntionnl sein würde, weil sie der griechischen Jugend weder Liebe zu der griechischen mit der Nationalität so eng verbundnen Kirche, noch Begeisterung für das Griechentum überhaupt einflößen würde, sondern im Gegenteil nur Haß gegen die orientalische Kirche und gegen alles, was griechisch ist. Ferner, daß diese

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/630>, abgerufen am 24.11.2024.