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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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König Taurin

ergriffen und gekreuzigt beweinen und auch den Kaiser mit ihren Besorgnissen um dus
Schicksal ihrer Herrin anstecken. Sie hat sich zu dieser Flucht, wie mun im weitern
Verlauf der Dinge erfährt, entschlossen, weil sie den Kaiser als einen elenden Feigling
erkannt hat, dem alles zuzutrauen ist, und der sich kein Gewissen daraus machen
würde, die von ihm mit wilder Leidenschaft geliebte Alexandrinerin den Aufständischen
auszuliefern, wenn er sich dadurch persönliche Sicherheit erkaufen könnte. Man sieht,
Frnnz Moor ist im Vergleich zu ihm ein edler, vornehmer Charakter.

Messnlinen und Gräfinnen Dn Barry hat es gegeben. Das kann und will
niemand leugnen, aber die Schilderung ihrer Künste und dessen, was in ihren
Privatzimmern vorgegangen ist, eignet sich, wenn die Künste auch noch so raffiniert
und die Gemächer hundertmal mit Purpurroten Tuch aufgeschlagen gewesen sind,
besser für kleine in Amsterdam gedruckte Bücher, die man ja, wenn sie einem ge¬
fallen, in das feinste pnrpnrrote Kalbleder mit Goldverzierungen und Goldschnitt
binden lassen kann, als für die Bühne. Vou Theodora, der die Kirche und die
Geschichte ihr Vorleben verzieh" haben, weil sie sich in spätern Jahren als eine
kluge, mutige und kirchenfreundliche Frau bewährt hat, gilt dasselbe: auch sie eignet
sich in ihrem Privatleben nur mit vielen Einschränkungen für die Bühne, und das
Unbehagen, wenn man sie die in Mexcmdria geübten Künste im kaiserlichen Paläste
weiterbetreiben sieht, ist unbestreitbar. Dus Frauenzimmer ist einem widerlich, der
Mann ist einem verächtlich, und die Atmosphäre, in der die Sache vor sich geht,
wird einem unes und unes so bedenklich, daß mau sich unwillkürlich umsieht, um zu
beobachten, was die Damen im Parkett, im ersten Rang und höher hinauf für
Gesichter dazu machen. Man mich ihnen zum Ruhm nachsagen: sie schlucke" sämtlich
die bittere Pille, wenn anders sie ihnen wirklich bitter schmeckt, mit edler Glaub¬
haftigkeit und anerkennenswerten Gleichmut. Es wäre also auch kaum am Platze,
wenn der Referent feinfühliger sein zu müssen glaubte als die gebornen Nichterinnen
in solchen heikligen Dingen. Nur eine Beschreibung dessen, was vorgeht und gesagt
wird in dem mit purpurrotem Tuch ausgeschlagnen Zimmer, erwarte man nicht von
ihm, denn ohne die duftenden Blüten, mit denen Goldmund uns über übles Aus¬
sehen und übeln Geruch hinwegzutäuschen bemüht ist, würde die Sache doch am
Ende nicht recht gefallen.

Es genügt, wenn der Erfolg der Auftritte kurz berichtet wird. Der Aufstand,
der, wie erwähnt worden ist, von den Feinden Theodoras, den Grünen, ausging,
ist durch die Nachricht, der Kaiser habe diese entlassen, ebenso leicht beschwichtigt
worden, wie er künstlich herbeigeführt worden war. Der Präfekt, Johannes von
Kappadozien, erscheint mit dieser Meldung vor dem Kaiser, dem es bei der be¬
ruhigenden Nachricht wieder etwas behaglicher im Magen zu werden anfängt, und
der sich, obwohl es nachtschlafende Zeit und seine Kleidung das "Hausgewand"
ist, bereit erklärt, den Botschafter der Gvtenkönigin Amnlasunta auf dem Flecke
zu empfangen. Entweder war es also mit der Peinlichkeit des vom Bhzantiner
Hof berichteten Zeremoniells nicht so weit her, wie man uns glauben macht,
°der es gab erfreuliche Ausnahmen, denn daß der Kaiser den Botschafter, der schon
seit mehreren Tagen auf eine Audienz gewartet hat, nnn plötzlich bei Nacht, im
Hausgewand und obendrein im verbotenen Gemach nur um deswillen empfangen
sollte, weil er vom Präfekten Hort, Theodahad sei der Überbringer eines Ver-
wnhlnngsvvrschlags, dnrch den das verloren gegangne Italien ohne Schwertstreich
wiedergewonnen werden könne, ist doch nicht recht glaublich. Fürsten, hoch in den
süttfziger Jahren, haben in der Regel ihre Ungeduld zügeln lernen, und da offen¬
bar keine Gefahr im Verzüge sein konnte, so sollte man meinen, an einem Hofe,
wo die Etikette alles war, werde der Kaiser bis zum rudern Mittag gewartet und
und Zeit genommen haben, für die feierliche Gelegenheit das "kaiserliche Stants-
gewcmd" anzulegen.

Wie dem auch sei, Theodahad, der, wie die Offiziersburschen es in der Rede
haben, "draußen lauert," wird empfangen und singt sein Lied:


König Taurin

ergriffen und gekreuzigt beweinen und auch den Kaiser mit ihren Besorgnissen um dus
Schicksal ihrer Herrin anstecken. Sie hat sich zu dieser Flucht, wie mun im weitern
Verlauf der Dinge erfährt, entschlossen, weil sie den Kaiser als einen elenden Feigling
erkannt hat, dem alles zuzutrauen ist, und der sich kein Gewissen daraus machen
würde, die von ihm mit wilder Leidenschaft geliebte Alexandrinerin den Aufständischen
auszuliefern, wenn er sich dadurch persönliche Sicherheit erkaufen könnte. Man sieht,
Frnnz Moor ist im Vergleich zu ihm ein edler, vornehmer Charakter.

Messnlinen und Gräfinnen Dn Barry hat es gegeben. Das kann und will
niemand leugnen, aber die Schilderung ihrer Künste und dessen, was in ihren
Privatzimmern vorgegangen ist, eignet sich, wenn die Künste auch noch so raffiniert
und die Gemächer hundertmal mit Purpurroten Tuch aufgeschlagen gewesen sind,
besser für kleine in Amsterdam gedruckte Bücher, die man ja, wenn sie einem ge¬
fallen, in das feinste pnrpnrrote Kalbleder mit Goldverzierungen und Goldschnitt
binden lassen kann, als für die Bühne. Vou Theodora, der die Kirche und die
Geschichte ihr Vorleben verzieh« haben, weil sie sich in spätern Jahren als eine
kluge, mutige und kirchenfreundliche Frau bewährt hat, gilt dasselbe: auch sie eignet
sich in ihrem Privatleben nur mit vielen Einschränkungen für die Bühne, und das
Unbehagen, wenn man sie die in Mexcmdria geübten Künste im kaiserlichen Paläste
weiterbetreiben sieht, ist unbestreitbar. Dus Frauenzimmer ist einem widerlich, der
Mann ist einem verächtlich, und die Atmosphäre, in der die Sache vor sich geht,
wird einem unes und unes so bedenklich, daß mau sich unwillkürlich umsieht, um zu
beobachten, was die Damen im Parkett, im ersten Rang und höher hinauf für
Gesichter dazu machen. Man mich ihnen zum Ruhm nachsagen: sie schlucke» sämtlich
die bittere Pille, wenn anders sie ihnen wirklich bitter schmeckt, mit edler Glaub¬
haftigkeit und anerkennenswerten Gleichmut. Es wäre also auch kaum am Platze,
wenn der Referent feinfühliger sein zu müssen glaubte als die gebornen Nichterinnen
in solchen heikligen Dingen. Nur eine Beschreibung dessen, was vorgeht und gesagt
wird in dem mit purpurrotem Tuch ausgeschlagnen Zimmer, erwarte man nicht von
ihm, denn ohne die duftenden Blüten, mit denen Goldmund uns über übles Aus¬
sehen und übeln Geruch hinwegzutäuschen bemüht ist, würde die Sache doch am
Ende nicht recht gefallen.

Es genügt, wenn der Erfolg der Auftritte kurz berichtet wird. Der Aufstand,
der, wie erwähnt worden ist, von den Feinden Theodoras, den Grünen, ausging,
ist durch die Nachricht, der Kaiser habe diese entlassen, ebenso leicht beschwichtigt
worden, wie er künstlich herbeigeführt worden war. Der Präfekt, Johannes von
Kappadozien, erscheint mit dieser Meldung vor dem Kaiser, dem es bei der be¬
ruhigenden Nachricht wieder etwas behaglicher im Magen zu werden anfängt, und
der sich, obwohl es nachtschlafende Zeit und seine Kleidung das „Hausgewand"
ist, bereit erklärt, den Botschafter der Gvtenkönigin Amnlasunta auf dem Flecke
zu empfangen. Entweder war es also mit der Peinlichkeit des vom Bhzantiner
Hof berichteten Zeremoniells nicht so weit her, wie man uns glauben macht,
°der es gab erfreuliche Ausnahmen, denn daß der Kaiser den Botschafter, der schon
seit mehreren Tagen auf eine Audienz gewartet hat, nnn plötzlich bei Nacht, im
Hausgewand und obendrein im verbotenen Gemach nur um deswillen empfangen
sollte, weil er vom Präfekten Hort, Theodahad sei der Überbringer eines Ver-
wnhlnngsvvrschlags, dnrch den das verloren gegangne Italien ohne Schwertstreich
wiedergewonnen werden könne, ist doch nicht recht glaublich. Fürsten, hoch in den
süttfziger Jahren, haben in der Regel ihre Ungeduld zügeln lernen, und da offen¬
bar keine Gefahr im Verzüge sein konnte, so sollte man meinen, an einem Hofe,
wo die Etikette alles war, werde der Kaiser bis zum rudern Mittag gewartet und
und Zeit genommen haben, für die feierliche Gelegenheit das „kaiserliche Stants-
gewcmd" anzulegen.

Wie dem auch sei, Theodahad, der, wie die Offiziersburschen es in der Rede
haben, „draußen lauert," wird empfangen und singt sein Lied:


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[0607] König Taurin ergriffen und gekreuzigt beweinen und auch den Kaiser mit ihren Besorgnissen um dus Schicksal ihrer Herrin anstecken. Sie hat sich zu dieser Flucht, wie mun im weitern Verlauf der Dinge erfährt, entschlossen, weil sie den Kaiser als einen elenden Feigling erkannt hat, dem alles zuzutrauen ist, und der sich kein Gewissen daraus machen würde, die von ihm mit wilder Leidenschaft geliebte Alexandrinerin den Aufständischen auszuliefern, wenn er sich dadurch persönliche Sicherheit erkaufen könnte. Man sieht, Frnnz Moor ist im Vergleich zu ihm ein edler, vornehmer Charakter. Messnlinen und Gräfinnen Dn Barry hat es gegeben. Das kann und will niemand leugnen, aber die Schilderung ihrer Künste und dessen, was in ihren Privatzimmern vorgegangen ist, eignet sich, wenn die Künste auch noch so raffiniert und die Gemächer hundertmal mit Purpurroten Tuch aufgeschlagen gewesen sind, besser für kleine in Amsterdam gedruckte Bücher, die man ja, wenn sie einem ge¬ fallen, in das feinste pnrpnrrote Kalbleder mit Goldverzierungen und Goldschnitt binden lassen kann, als für die Bühne. Vou Theodora, der die Kirche und die Geschichte ihr Vorleben verzieh« haben, weil sie sich in spätern Jahren als eine kluge, mutige und kirchenfreundliche Frau bewährt hat, gilt dasselbe: auch sie eignet sich in ihrem Privatleben nur mit vielen Einschränkungen für die Bühne, und das Unbehagen, wenn man sie die in Mexcmdria geübten Künste im kaiserlichen Paläste weiterbetreiben sieht, ist unbestreitbar. Dus Frauenzimmer ist einem widerlich, der Mann ist einem verächtlich, und die Atmosphäre, in der die Sache vor sich geht, wird einem unes und unes so bedenklich, daß mau sich unwillkürlich umsieht, um zu beobachten, was die Damen im Parkett, im ersten Rang und höher hinauf für Gesichter dazu machen. Man mich ihnen zum Ruhm nachsagen: sie schlucke» sämtlich die bittere Pille, wenn anders sie ihnen wirklich bitter schmeckt, mit edler Glaub¬ haftigkeit und anerkennenswerten Gleichmut. Es wäre also auch kaum am Platze, wenn der Referent feinfühliger sein zu müssen glaubte als die gebornen Nichterinnen in solchen heikligen Dingen. Nur eine Beschreibung dessen, was vorgeht und gesagt wird in dem mit purpurrotem Tuch ausgeschlagnen Zimmer, erwarte man nicht von ihm, denn ohne die duftenden Blüten, mit denen Goldmund uns über übles Aus¬ sehen und übeln Geruch hinwegzutäuschen bemüht ist, würde die Sache doch am Ende nicht recht gefallen. Es genügt, wenn der Erfolg der Auftritte kurz berichtet wird. Der Aufstand, der, wie erwähnt worden ist, von den Feinden Theodoras, den Grünen, ausging, ist durch die Nachricht, der Kaiser habe diese entlassen, ebenso leicht beschwichtigt worden, wie er künstlich herbeigeführt worden war. Der Präfekt, Johannes von Kappadozien, erscheint mit dieser Meldung vor dem Kaiser, dem es bei der be¬ ruhigenden Nachricht wieder etwas behaglicher im Magen zu werden anfängt, und der sich, obwohl es nachtschlafende Zeit und seine Kleidung das „Hausgewand" ist, bereit erklärt, den Botschafter der Gvtenkönigin Amnlasunta auf dem Flecke zu empfangen. Entweder war es also mit der Peinlichkeit des vom Bhzantiner Hof berichteten Zeremoniells nicht so weit her, wie man uns glauben macht, °der es gab erfreuliche Ausnahmen, denn daß der Kaiser den Botschafter, der schon seit mehreren Tagen auf eine Audienz gewartet hat, nnn plötzlich bei Nacht, im Hausgewand und obendrein im verbotenen Gemach nur um deswillen empfangen sollte, weil er vom Präfekten Hort, Theodahad sei der Überbringer eines Ver- wnhlnngsvvrschlags, dnrch den das verloren gegangne Italien ohne Schwertstreich wiedergewonnen werden könne, ist doch nicht recht glaublich. Fürsten, hoch in den süttfziger Jahren, haben in der Regel ihre Ungeduld zügeln lernen, und da offen¬ bar keine Gefahr im Verzüge sein konnte, so sollte man meinen, an einem Hofe, wo die Etikette alles war, werde der Kaiser bis zum rudern Mittag gewartet und und Zeit genommen haben, für die feierliche Gelegenheit das „kaiserliche Stants- gewcmd" anzulegen. Wie dem auch sei, Theodahad, der, wie die Offiziersburschen es in der Rede haben, „draußen lauert," wird empfangen und singt sein Lied:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/607>, abgerufen am 24.11.2024.