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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Ernst Lurtius

Beweise für seine Fähigkeit und Tüchtigkeit zu gebe", 2. die Notwendigkeit, im
Interesse der Armee und in dein der Mitbewerber unwiderleglich festzustellen,
daß diese Beweise wirklich erbracht worden sind, und daß sie es sind, die den
Vorrang vor der Konkurrenz erwirkt daheim"

General Prudhvmme bemerkt hierzu: 0o "vraie I", en post, l'icivnl. Wie
weit das eiserne Muß der Altersgrenze von diesem "Ideal" entfernt ist, das
leuchtet gewiß jedem ein. Trotzdem wird auch das neue Avancementsgesetz, falls
es in Kraft tritt, an diesem Prinzip nichts ändern können, weil es die Folge
der republikanische" Staatsform und des Mangels an einem obersten Kriegs¬
v.w. herrn ist.




Ernst (Lurtius

ends Jahre nach Ernst Curtius Tode ist uns ein Bild seines
Lebens geschenkt worden, aus Briefen von ihm, an ihn und über
ihn von seinem Sohne mit feiner Sorgfalt zusammengestellt, ein
Band von mehr als 700 Seiten (Berlin, Julius Springer).
Fast noch als Jüngling zu einer glückverheißenden, völlig einzigen
Aufgabe, der Erziehung des künftigen Kronprinzen von Preußen, berufen,
widmete er die ganze Kraft seiner Mannesjahre einer vielseitigen Erforschung
und einer in ihrer Art ganz neuen, lebendigen, ans Anschauung des Landes
gegründeten Darstellung des griechischen Altertums, und zu den reichen Er¬
folgen des akademische" Lehrers und Schriftstellers fügte ihm dann noch das
kaum begonnene Alter einen Weltruhm hinzu, den des Wiederentdeckers von
Olympia. Unter den Vertretern seines Fachs hatte er mit dem Erscheinen
seines Werks über den Peloponnes, dessen erster Band 1851 herauskam, auf
der historischen Seite der griechischen Altertumskunde selbständig Stellung ge¬
nommen, und nach dem Tode Böckhs (1867), Welckers (1868) und Otto
Indus (1869) war er jedenfalls der vielseitigste und auch wohl an Ansehen
der erste, wogegen sich freilich im Vergleich mit jenen und überhaupt vom
Standpunkt der einen, unteilbaren Fachwissenschaft aus einwenden ließ, daß
er kein "eigentlicher" Philologe, daß ihm die Sprache nur Mittel zum Ziel
und Weg zu deu Quellen war. Als einen Mangel ans unvollkommener
Bildung, wie ihn manchmal Archäologen verraten, die philologische Dilettanten
sind, Hütte man ihm das jedoch nicht anstreichen können, deun er hatte eine
lebendige Kenntnis des Griechischen, eine sichere Herrschaft über die Grammatik
und eine durch unablässiges Lesen erworbne Vertrautheit mit den Schrift¬
stellern, aus die es ihm ankam, wie er denn anch in Göttingen alle Pflichten
eines philologischen Professors erfüllte. Aber da er die Grammatik und die
Kritik der Texte nicht um ihrer selbst willen betrieb, so lebte der Vorwurf,
den einst Gottfried Herrmann und seiue Schüler den Anhängern Böckhs gemacht
hatten, gegen ihn wieder ans; mau nannte seine Richtung einseitig und
verdachte es ihm sogar, daß er Weilern Blicks mit seiner Darstellung über den


Ernst Lurtius

Beweise für seine Fähigkeit und Tüchtigkeit zu gebe», 2. die Notwendigkeit, im
Interesse der Armee und in dein der Mitbewerber unwiderleglich festzustellen,
daß diese Beweise wirklich erbracht worden sind, und daß sie es sind, die den
Vorrang vor der Konkurrenz erwirkt daheim"

General Prudhvmme bemerkt hierzu: 0o »vraie I», en post, l'icivnl. Wie
weit das eiserne Muß der Altersgrenze von diesem „Ideal" entfernt ist, das
leuchtet gewiß jedem ein. Trotzdem wird auch das neue Avancementsgesetz, falls
es in Kraft tritt, an diesem Prinzip nichts ändern können, weil es die Folge
der republikanische» Staatsform und des Mangels an einem obersten Kriegs¬
v.w. herrn ist.




Ernst (Lurtius

ends Jahre nach Ernst Curtius Tode ist uns ein Bild seines
Lebens geschenkt worden, aus Briefen von ihm, an ihn und über
ihn von seinem Sohne mit feiner Sorgfalt zusammengestellt, ein
Band von mehr als 700 Seiten (Berlin, Julius Springer).
Fast noch als Jüngling zu einer glückverheißenden, völlig einzigen
Aufgabe, der Erziehung des künftigen Kronprinzen von Preußen, berufen,
widmete er die ganze Kraft seiner Mannesjahre einer vielseitigen Erforschung
und einer in ihrer Art ganz neuen, lebendigen, ans Anschauung des Landes
gegründeten Darstellung des griechischen Altertums, und zu den reichen Er¬
folgen des akademische» Lehrers und Schriftstellers fügte ihm dann noch das
kaum begonnene Alter einen Weltruhm hinzu, den des Wiederentdeckers von
Olympia. Unter den Vertretern seines Fachs hatte er mit dem Erscheinen
seines Werks über den Peloponnes, dessen erster Band 1851 herauskam, auf
der historischen Seite der griechischen Altertumskunde selbständig Stellung ge¬
nommen, und nach dem Tode Böckhs (1867), Welckers (1868) und Otto
Indus (1869) war er jedenfalls der vielseitigste und auch wohl an Ansehen
der erste, wogegen sich freilich im Vergleich mit jenen und überhaupt vom
Standpunkt der einen, unteilbaren Fachwissenschaft aus einwenden ließ, daß
er kein „eigentlicher" Philologe, daß ihm die Sprache nur Mittel zum Ziel
und Weg zu deu Quellen war. Als einen Mangel ans unvollkommener
Bildung, wie ihn manchmal Archäologen verraten, die philologische Dilettanten
sind, Hütte man ihm das jedoch nicht anstreichen können, deun er hatte eine
lebendige Kenntnis des Griechischen, eine sichere Herrschaft über die Grammatik
und eine durch unablässiges Lesen erworbne Vertrautheit mit den Schrift¬
stellern, aus die es ihm ankam, wie er denn anch in Göttingen alle Pflichten
eines philologischen Professors erfüllte. Aber da er die Grammatik und die
Kritik der Texte nicht um ihrer selbst willen betrieb, so lebte der Vorwurf,
den einst Gottfried Herrmann und seiue Schüler den Anhängern Böckhs gemacht
hatten, gegen ihn wieder ans; mau nannte seine Richtung einseitig und
verdachte es ihm sogar, daß er Weilern Blicks mit seiner Darstellung über den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/589>, abgerufen am 24.11.2024.