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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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sondern wacht, so lauscht man andächtig dem Auftrage, den Theodahad erhält, und
den er wie ein gelehriger stürmend Wort für Wort auswendig lernt:


Als meinen Boten schick ich dich --
Daß du ihm sagen sollst: Amalasnnta,
Die Königin ist, sowie du König bist,
Die einsnm ist, sonne du einsam bist,
Die kalt man nennt, sowie sie kalt dich nennen,
Weil unsre eigne Sonne uns bescheint,

(Weiter kann es der Höhenwahnsinn offenbar nicht treiben)


Sie laßt dir sagen, das; sie kommen will,
Daß sie dich hören, sehn, erfahren will,
Ob deine Seele so nach Leben hungert.
Nach großem, wie die Seele lechzt in ihr.
Und bist du so, dann wollen wir uns beide,
Wir Hungernden, auf Gipfelhöhn der Welt
Die Tafel richte" und ein Mahl bereiten
Und eins am andern uns ersättigen.

Sie wird dem Boten in einem zweiten Schiffe folgen, und nachdem die Männer
weg sind, kommen mit Gudalinde, Theodahads Gattin, einige die Weiblichkeit an¬
gehende Fragen zur Sprache. Gudalinde soll sie schmücken.


Heut ist ein neuer Tag.
Schön will ich sein.


Gudalinde:

Du dises ja?

Schöner noch
Durch Schmuck ....
Heut, in Gedanken, dree ich vor den Mann,
Den ich erwählte.

Amnlasunta:
Gudalinde:

Drüben? In Buzcmz?
Der große Kaiser?

Hast du nicht gehört,
Er sticht nach mir -- wie Adler überm Meer
Begegne" unsre beiden Seelen sich.
Gleiche zum gleichen -- also komme ich.
Euch alle bring ich ihm zur Morgengabe:
Das Gotenreich vermähl ich mit Buzimz.

Amalasnnta:

Und Wie Gudalinde sich wundernd die Hände zusammenschlägt und das wahre
Wort sagt: So -- ungeheuer, streichelt ihr das Überweib lächelnd das Haar
und sagt:


Armes Seelchen schwindelt.
Weil mens zum erstenmal auf Höhen führt,
Wo Weltenschicksal ihm zu Füße" liegt?
Mngs euch erschrecken -- ich bin euer Schicksal,
Und fliegen müßt ihr lernen, wie ich fliege,
Freiwillig oder widerstrebend! Komm --
So Großes kann der kleine Kopf nicht denken?

Hat großsprecherische Vermessenheit wirklich keine Grenzen? Ist jemand, der
so ins Blaue hinausjagt, überhaupt noch vernünftig und bei Sinnen? Kann man
ihn, wenn er schließlich mit gebrochnen Gliedern daliegt, als ein unglückliches Opfer
bedauern, und muß man nicht vielmehr zugeben, daß ihm Recht geschehn ist?

Wie Wildenbruch darüber denkt, weiß man ja nicht, aber der Eindruck, den
solche selbstgefällige, jeder tatsächlichen Begründung entbehrende Reden machen, ist
deshalb so unbehaglich, weil man unwillkürlich glaubt, auch der Dichter täusche sich
mit schönen Worten über die Wirklichkeit hinweg und empfinde den Hochmut und
die Torheit, die er als Edelmut und Übermenschentum preist, nicht in ihrer ganzen
Erbärmlichkeit, sondern erwärme sich für sie an den eignen, leider Gottes einem
nur zu goldnen Munde entströmenden Worten. Auch Wnllenstein war ein ver¬
messener/hochmütiger Mann, der sein Schicksal nicht mit dem andrer Sterblicher
vergleichen wollte; sagt doch Schiller selbst:


sondern wacht, so lauscht man andächtig dem Auftrage, den Theodahad erhält, und
den er wie ein gelehriger stürmend Wort für Wort auswendig lernt:


Als meinen Boten schick ich dich —
Daß du ihm sagen sollst: Amalasnnta,
Die Königin ist, sowie du König bist,
Die einsnm ist, sonne du einsam bist,
Die kalt man nennt, sowie sie kalt dich nennen,
Weil unsre eigne Sonne uns bescheint,

(Weiter kann es der Höhenwahnsinn offenbar nicht treiben)


Sie laßt dir sagen, das; sie kommen will,
Daß sie dich hören, sehn, erfahren will,
Ob deine Seele so nach Leben hungert.
Nach großem, wie die Seele lechzt in ihr.
Und bist du so, dann wollen wir uns beide,
Wir Hungernden, auf Gipfelhöhn der Welt
Die Tafel richte» und ein Mahl bereiten
Und eins am andern uns ersättigen.

Sie wird dem Boten in einem zweiten Schiffe folgen, und nachdem die Männer
weg sind, kommen mit Gudalinde, Theodahads Gattin, einige die Weiblichkeit an¬
gehende Fragen zur Sprache. Gudalinde soll sie schmücken.


Heut ist ein neuer Tag.
Schön will ich sein.


Gudalinde:

Du dises ja?

Schöner noch
Durch Schmuck ....
Heut, in Gedanken, dree ich vor den Mann,
Den ich erwählte.

Amnlasunta:
Gudalinde:

Drüben? In Buzcmz?
Der große Kaiser?

Hast du nicht gehört,
Er sticht nach mir — wie Adler überm Meer
Begegne» unsre beiden Seelen sich.
Gleiche zum gleichen — also komme ich.
Euch alle bring ich ihm zur Morgengabe:
Das Gotenreich vermähl ich mit Buzimz.

Amalasnnta:

Und Wie Gudalinde sich wundernd die Hände zusammenschlägt und das wahre
Wort sagt: So — ungeheuer, streichelt ihr das Überweib lächelnd das Haar
und sagt:


Armes Seelchen schwindelt.
Weil mens zum erstenmal auf Höhen führt,
Wo Weltenschicksal ihm zu Füße» liegt?
Mngs euch erschrecken — ich bin euer Schicksal,
Und fliegen müßt ihr lernen, wie ich fliege,
Freiwillig oder widerstrebend! Komm —
So Großes kann der kleine Kopf nicht denken?

Hat großsprecherische Vermessenheit wirklich keine Grenzen? Ist jemand, der
so ins Blaue hinausjagt, überhaupt noch vernünftig und bei Sinnen? Kann man
ihn, wenn er schließlich mit gebrochnen Gliedern daliegt, als ein unglückliches Opfer
bedauern, und muß man nicht vielmehr zugeben, daß ihm Recht geschehn ist?

Wie Wildenbruch darüber denkt, weiß man ja nicht, aber der Eindruck, den
solche selbstgefällige, jeder tatsächlichen Begründung entbehrende Reden machen, ist
deshalb so unbehaglich, weil man unwillkürlich glaubt, auch der Dichter täusche sich
mit schönen Worten über die Wirklichkeit hinweg und empfinde den Hochmut und
die Torheit, die er als Edelmut und Übermenschentum preist, nicht in ihrer ganzen
Erbärmlichkeit, sondern erwärme sich für sie an den eignen, leider Gottes einem
nur zu goldnen Munde entströmenden Worten. Auch Wnllenstein war ein ver¬
messener/hochmütiger Mann, der sein Schicksal nicht mit dem andrer Sterblicher
vergleichen wollte; sagt doch Schiller selbst:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/557>, abgerufen am 28.11.2024.