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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Die Ncmninvillts. (Zormauisg lüstoriva, ihre bisherige Leitung und Leistung

zu können, sind jetzt schon neunzig Folio- oder Quartbände der großen Ausgabe,
fünfzig Oktavhefte oder -Bände der Handausgabe und vierzig Bände der erläuternden
Zeitschrift "Archiv" und "Neues Archiv der Gesellschaft für'ältere deutsche Geschichts-
kunde" vorhanden -- und noch ist kein Ende der Arbeiten abzusehen. Die Be¬
sorgnis, daß die wohlbekannte deutsche Gründlichkeit hier wieder einmal über das
Maß des Erträglichen hinausgehn könnte, ist schon 1884 im Bundesrat laut ge¬
worden, und infolgedessen Waitz durch den Staatssekretär von Bötticher veranlaßt
worden, sich gutachtlich über den Abschluß des Werkes zu äußern. Waitz hat
darauf den Bericht erstattet, der im "Neuen Archiv" XIII, 259 bis 268 abgedruckt
ist, aber, weil damals eben nur eine allgemeine Frage vorlag, auch nur eine all¬
gemeine Autwort erteilt, gegen die kaum etwas einzuwenden ist. Inzwischen sind
folgende Bedenken gegen die allzuweite Ausdehnung des Nahmens im einzelnen
bezeichnet worden, die der Zeutraldircktion zu sorgsamer Erwägung empfohlen seien.

Das erste Bedenken betrifft die Schriftstücke und Schriften, die sich auf die
Papstgeschichte beziehn.

Im Jahre 1823 war es Pers gelungen, Zutritt zu dem sonst gesperrten
Vatikanischen Archiv zu erhalten und aus den Registerbüchern der Päpste des drei¬
zehnten Jahrhunderts etwa 1800 Briefe, die für die Reichsgeschichte von Belang
waren, abzuschreiben oder abschreiben zu lassen. Wären die Schriftstücke damals
sofort veröffentlicht worden, so hätten sie der Wissenschaft wertvolle Dienste geleistet?
statt dessen lagerten sie sechzig Jahre in den Schränken der Uouumouta, bis Waitz
sich entschloß, sie veröffentlichen zu lassen, obwohl er wissen mußte, daß statt dieser
Auswahl die vollständigen Register zur Ausgabe in der von der französischen Ne¬
gierung fundierten lZib1iotbLa.no clss izeolss train^isLs et'^tbünos ot alö Roms be¬
stimmt waren. So ist es gekommen, daß ungefähr die nämliche Arbeit zu der¬
selben Zeit von deutscher und von französischer Seite geleistet wurde. Der an sich
ja nicht tadelnswerte Grundsatz: jede Vorarbeit zu einer Ausgabe auszunutzen, hat
aber noch weiter Sparsamkeit in Verschwendung verwandelt. Im Jahre 1884
hatte das Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften Louis Duchesne deu
lubor vontitwalis, eine Sammlung vieler von Zeitgenossen verfaßter Papstbiographien,
die auch für die fränkisch-deutsche Geschichte von großer Wichtigkeit sind, in neuer
kritischer Ausgabe bekannt gemacht. Nun war dieselbe Biographiensammlung auch
für die NonuiusntA von lauger Hand zur Ausgabe vorbereitet; anstatt aber die
Vorarbeiten auf sich beruhn zu lassen, entschloß man sich, trotz der brauchbaren
französischen Ausgabe noch eine deutsche zu veranstalten; ja man hat mit dem leider
xoutiüoalis eine eigne Abteilung "Quellen für die Papstgeschichte" eröffnet (Vosta,
xontilicuiu Romcurorum), scheint also, was nicht gebilligt werden kann, systematisch
fortfahren zu wollen mit der Ausgabe von Schriften, die nicht als wesentlich
deutsche Geschichtsquellen anzusprechen sind und zugleich auch in Frankreich eine
tatkräftige Teilnahme finden.

Das zweite Bedenken richtet sich gegen die Deutschland betreffenden Auszüge
aus den ausländischen Geschichtswerken, denen schon vier stattliche Folivbände ge¬
widmet sind. Man findet darin sogar Auszüge aus isländischen Sagas in alt¬
isländischer Mundart, von einem im Altnordischen bewanderten Gelehrten heraus¬
gegeben und in das Lateinische übersetzt und von Holder-Egger trotz ihrer für
deutsche Geschichte augenscheinlichen Dürftigkeit mit einer Andacht kommentiert,
der man sein Bedauern anmerkt, daß nicht auch die Eskimos geschichtliche, Deutsch¬
land berührende Aufzeichnungen haben. Wohin soll denn dieser auf die aus¬
ländischen Geschichtsquellen gewandte Trieb noch führen? Wenn man folgerichtig
zu Werke geht, müßten auch die arabischen Berichte, die die Beziehungen Ottos
des Ersten zu dem spanischen Sarazenenreiche betreffen, in die Monumente auf¬
genommen werden, ja sogar chinesische, da gewiß Tschingiskhcm, dessen Mongolen-
Horden 1241 auf der Wahlstatt bei Liegnitz vor den Waffen der schlesischen Herzöge
umkehrten, von chinesischen Historikern gewürdigt worden ist! Dazu kommt, daß
Auszüge, auf die der Herausgeber fast ebensoviel Zeit und Mühe wie auf das voll-


Die Ncmninvillts. (Zormauisg lüstoriva, ihre bisherige Leitung und Leistung

zu können, sind jetzt schon neunzig Folio- oder Quartbände der großen Ausgabe,
fünfzig Oktavhefte oder -Bände der Handausgabe und vierzig Bände der erläuternden
Zeitschrift „Archiv" und „Neues Archiv der Gesellschaft für'ältere deutsche Geschichts-
kunde" vorhanden — und noch ist kein Ende der Arbeiten abzusehen. Die Be¬
sorgnis, daß die wohlbekannte deutsche Gründlichkeit hier wieder einmal über das
Maß des Erträglichen hinausgehn könnte, ist schon 1884 im Bundesrat laut ge¬
worden, und infolgedessen Waitz durch den Staatssekretär von Bötticher veranlaßt
worden, sich gutachtlich über den Abschluß des Werkes zu äußern. Waitz hat
darauf den Bericht erstattet, der im „Neuen Archiv" XIII, 259 bis 268 abgedruckt
ist, aber, weil damals eben nur eine allgemeine Frage vorlag, auch nur eine all¬
gemeine Autwort erteilt, gegen die kaum etwas einzuwenden ist. Inzwischen sind
folgende Bedenken gegen die allzuweite Ausdehnung des Nahmens im einzelnen
bezeichnet worden, die der Zeutraldircktion zu sorgsamer Erwägung empfohlen seien.

Das erste Bedenken betrifft die Schriftstücke und Schriften, die sich auf die
Papstgeschichte beziehn.

Im Jahre 1823 war es Pers gelungen, Zutritt zu dem sonst gesperrten
Vatikanischen Archiv zu erhalten und aus den Registerbüchern der Päpste des drei¬
zehnten Jahrhunderts etwa 1800 Briefe, die für die Reichsgeschichte von Belang
waren, abzuschreiben oder abschreiben zu lassen. Wären die Schriftstücke damals
sofort veröffentlicht worden, so hätten sie der Wissenschaft wertvolle Dienste geleistet?
statt dessen lagerten sie sechzig Jahre in den Schränken der Uouumouta, bis Waitz
sich entschloß, sie veröffentlichen zu lassen, obwohl er wissen mußte, daß statt dieser
Auswahl die vollständigen Register zur Ausgabe in der von der französischen Ne¬
gierung fundierten lZib1iotbLa.no clss izeolss train^isLs et'^tbünos ot alö Roms be¬
stimmt waren. So ist es gekommen, daß ungefähr die nämliche Arbeit zu der¬
selben Zeit von deutscher und von französischer Seite geleistet wurde. Der an sich
ja nicht tadelnswerte Grundsatz: jede Vorarbeit zu einer Ausgabe auszunutzen, hat
aber noch weiter Sparsamkeit in Verschwendung verwandelt. Im Jahre 1884
hatte das Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften Louis Duchesne deu
lubor vontitwalis, eine Sammlung vieler von Zeitgenossen verfaßter Papstbiographien,
die auch für die fränkisch-deutsche Geschichte von großer Wichtigkeit sind, in neuer
kritischer Ausgabe bekannt gemacht. Nun war dieselbe Biographiensammlung auch
für die NonuiusntA von lauger Hand zur Ausgabe vorbereitet; anstatt aber die
Vorarbeiten auf sich beruhn zu lassen, entschloß man sich, trotz der brauchbaren
französischen Ausgabe noch eine deutsche zu veranstalten; ja man hat mit dem leider
xoutiüoalis eine eigne Abteilung „Quellen für die Papstgeschichte" eröffnet (Vosta,
xontilicuiu Romcurorum), scheint also, was nicht gebilligt werden kann, systematisch
fortfahren zu wollen mit der Ausgabe von Schriften, die nicht als wesentlich
deutsche Geschichtsquellen anzusprechen sind und zugleich auch in Frankreich eine
tatkräftige Teilnahme finden.

Das zweite Bedenken richtet sich gegen die Deutschland betreffenden Auszüge
aus den ausländischen Geschichtswerken, denen schon vier stattliche Folivbände ge¬
widmet sind. Man findet darin sogar Auszüge aus isländischen Sagas in alt¬
isländischer Mundart, von einem im Altnordischen bewanderten Gelehrten heraus¬
gegeben und in das Lateinische übersetzt und von Holder-Egger trotz ihrer für
deutsche Geschichte augenscheinlichen Dürftigkeit mit einer Andacht kommentiert,
der man sein Bedauern anmerkt, daß nicht auch die Eskimos geschichtliche, Deutsch¬
land berührende Aufzeichnungen haben. Wohin soll denn dieser auf die aus¬
ländischen Geschichtsquellen gewandte Trieb noch führen? Wenn man folgerichtig
zu Werke geht, müßten auch die arabischen Berichte, die die Beziehungen Ottos
des Ersten zu dem spanischen Sarazenenreiche betreffen, in die Monumente auf¬
genommen werden, ja sogar chinesische, da gewiß Tschingiskhcm, dessen Mongolen-
Horden 1241 auf der Wahlstatt bei Liegnitz vor den Waffen der schlesischen Herzöge
umkehrten, von chinesischen Historikern gewürdigt worden ist! Dazu kommt, daß
Auszüge, auf die der Herausgeber fast ebensoviel Zeit und Mühe wie auf das voll-


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[0550] Die Ncmninvillts. (Zormauisg lüstoriva, ihre bisherige Leitung und Leistung zu können, sind jetzt schon neunzig Folio- oder Quartbände der großen Ausgabe, fünfzig Oktavhefte oder -Bände der Handausgabe und vierzig Bände der erläuternden Zeitschrift „Archiv" und „Neues Archiv der Gesellschaft für'ältere deutsche Geschichts- kunde" vorhanden — und noch ist kein Ende der Arbeiten abzusehen. Die Be¬ sorgnis, daß die wohlbekannte deutsche Gründlichkeit hier wieder einmal über das Maß des Erträglichen hinausgehn könnte, ist schon 1884 im Bundesrat laut ge¬ worden, und infolgedessen Waitz durch den Staatssekretär von Bötticher veranlaßt worden, sich gutachtlich über den Abschluß des Werkes zu äußern. Waitz hat darauf den Bericht erstattet, der im „Neuen Archiv" XIII, 259 bis 268 abgedruckt ist, aber, weil damals eben nur eine allgemeine Frage vorlag, auch nur eine all¬ gemeine Autwort erteilt, gegen die kaum etwas einzuwenden ist. Inzwischen sind folgende Bedenken gegen die allzuweite Ausdehnung des Nahmens im einzelnen bezeichnet worden, die der Zeutraldircktion zu sorgsamer Erwägung empfohlen seien. Das erste Bedenken betrifft die Schriftstücke und Schriften, die sich auf die Papstgeschichte beziehn. Im Jahre 1823 war es Pers gelungen, Zutritt zu dem sonst gesperrten Vatikanischen Archiv zu erhalten und aus den Registerbüchern der Päpste des drei¬ zehnten Jahrhunderts etwa 1800 Briefe, die für die Reichsgeschichte von Belang waren, abzuschreiben oder abschreiben zu lassen. Wären die Schriftstücke damals sofort veröffentlicht worden, so hätten sie der Wissenschaft wertvolle Dienste geleistet? statt dessen lagerten sie sechzig Jahre in den Schränken der Uouumouta, bis Waitz sich entschloß, sie veröffentlichen zu lassen, obwohl er wissen mußte, daß statt dieser Auswahl die vollständigen Register zur Ausgabe in der von der französischen Ne¬ gierung fundierten lZib1iotbLa.no clss izeolss train^isLs et'^tbünos ot alö Roms be¬ stimmt waren. So ist es gekommen, daß ungefähr die nämliche Arbeit zu der¬ selben Zeit von deutscher und von französischer Seite geleistet wurde. Der an sich ja nicht tadelnswerte Grundsatz: jede Vorarbeit zu einer Ausgabe auszunutzen, hat aber noch weiter Sparsamkeit in Verschwendung verwandelt. Im Jahre 1884 hatte das Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften Louis Duchesne deu lubor vontitwalis, eine Sammlung vieler von Zeitgenossen verfaßter Papstbiographien, die auch für die fränkisch-deutsche Geschichte von großer Wichtigkeit sind, in neuer kritischer Ausgabe bekannt gemacht. Nun war dieselbe Biographiensammlung auch für die NonuiusntA von lauger Hand zur Ausgabe vorbereitet; anstatt aber die Vorarbeiten auf sich beruhn zu lassen, entschloß man sich, trotz der brauchbaren französischen Ausgabe noch eine deutsche zu veranstalten; ja man hat mit dem leider xoutiüoalis eine eigne Abteilung „Quellen für die Papstgeschichte" eröffnet (Vosta, xontilicuiu Romcurorum), scheint also, was nicht gebilligt werden kann, systematisch fortfahren zu wollen mit der Ausgabe von Schriften, die nicht als wesentlich deutsche Geschichtsquellen anzusprechen sind und zugleich auch in Frankreich eine tatkräftige Teilnahme finden. Das zweite Bedenken richtet sich gegen die Deutschland betreffenden Auszüge aus den ausländischen Geschichtswerken, denen schon vier stattliche Folivbände ge¬ widmet sind. Man findet darin sogar Auszüge aus isländischen Sagas in alt¬ isländischer Mundart, von einem im Altnordischen bewanderten Gelehrten heraus¬ gegeben und in das Lateinische übersetzt und von Holder-Egger trotz ihrer für deutsche Geschichte augenscheinlichen Dürftigkeit mit einer Andacht kommentiert, der man sein Bedauern anmerkt, daß nicht auch die Eskimos geschichtliche, Deutsch¬ land berührende Aufzeichnungen haben. Wohin soll denn dieser auf die aus¬ ländischen Geschichtsquellen gewandte Trieb noch führen? Wenn man folgerichtig zu Werke geht, müßten auch die arabischen Berichte, die die Beziehungen Ottos des Ersten zu dem spanischen Sarazenenreiche betreffen, in die Monumente auf¬ genommen werden, ja sogar chinesische, da gewiß Tschingiskhcm, dessen Mongolen- Horden 1241 auf der Wahlstatt bei Liegnitz vor den Waffen der schlesischen Herzöge umkehrten, von chinesischen Historikern gewürdigt worden ist! Dazu kommt, daß Auszüge, auf die der Herausgeber fast ebensoviel Zeit und Mühe wie auf das voll-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/550>, abgerufen am 24.11.2024.