Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Moderne englische Schutzzöllner der Bevölkerung, den Konsumenten, den Zwischenhändlern im populären Sinne Auch dein Arbeiter habe der Freihändler nichts zu bieten, denn der Ar¬ Moderne englische Schutzzöllner der Bevölkerung, den Konsumenten, den Zwischenhändlern im populären Sinne Auch dein Arbeiter habe der Freihändler nichts zu bieten, denn der Ar¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0518" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240074"/> <fw type="header" place="top"> Moderne englische Schutzzöllner</fw><lb/> <p xml:id="ID_2751" prev="#ID_2750"> der Bevölkerung, den Konsumenten, den Zwischenhändlern im populären Sinne<lb/> (miäcllöinöQ), also hauptsächlich den Angehörigen des Handels- und des Trans-<lb/> portgewerbcs, den Arbeitern und den landwirtschaftlichen Produzenten, von<lb/> Nutzen sei, sind die folgenden Kapitel gewidmet. Der Verfasser bestreitet sogar,<lb/> daß der Freihandel dem Konsumenten nütze. Denn das Schlagwort: „Der<lb/> Freihandel bedeute billige Preise für den Konsumenten" habe nur vorüber<lb/> gehend Geltung; außerdem sei es nicht nachgewiesen, daß bei genauem Ver¬<lb/> gleich die Preise in England niedriger seien als in geschützten Ländern. Es<lb/> gebe sogar zahlreiche Waren, die teurer seien als in andern Ländern. Ander¬<lb/> seits bringe der Freihandel eine gewisse Verschwendung hervor, indem er<lb/> möglichst große Entfernungen zwischen Produzenten und Konsumenten lege und<lb/> zahlreiche Zwischenglieder einschiebe, die man beim Schutzzoll nicht zu unter¬<lb/> halten brauche. Sie seien vielmehr von dem Freihandel erst geschaffen und<lb/> über das nötige Maß hinaus vermehrt worden. Diese sogenannten Middlemen<lb/> seien die einzige Klasse, die aus dem Freihandel Vorteil zöge. Aber ihre Tätig¬<lb/> keit sei für die Volkswirtschaft kein Vorteil; denn sie bevorzuge die anslnn-<lb/> dischen Produzenten, um sich selbst unentbehrlich zu machen und ihre Bezugs¬<lb/> quellen zu verheimlichen; die Middlemen wirkten also schließlich als Kundschafter<lb/> des Auslands in England. Ihre Vermehrung sei nicht wünschenswert, da sich<lb/> keine Nation ausschließlich auf diese Kreise stützen könne, und auch die andern<lb/> Völker immer danach streben würden, den englischen Zwischenhandel möglichst<lb/> auszuschalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2752" next="#ID_2753"> Auch dein Arbeiter habe der Freihändler nichts zu bieten, denn der Ar¬<lb/> beiter beansprucht vor allem guten Lohn und dauernde Beschäftigung. Beides<lb/> aber könne der Fabrikant in einem geschützten Lande dem Arbeiter leichter ver¬<lb/> schaffen, da Vyng von der Einführung des Handelsschutzes eine Vermehrung<lb/> der Produktion erwartet, als in einem Lande, wo der Freihandel die Pro¬<lb/> duktion hemmt, und dem Arbeiter nichts als billige Lebensmittel geboten werden<lb/> könnten. Ja Bhng glaubt sogar, alleil Arbeitern diese Beschäftigung zu einem<lb/> Mindestlohne verbürgen und so die Forderung der von ihn: sehr hoch geachteten<lb/> Gewerkvereine erfüllen zu köunen. Die Streitigkeiten zwischen Arbeitern und<lb/> Fabrikanten würden dann nicht mehr den erbitterten Charakter annehmen,<lb/> der sie in der gegenwärtigen Wirtschaftsperiode kennzeichne, wo jeder Teil um<lb/> seine Existenz kämpfe. Bei einem bessern Verhältnis beider Teile könnten auch<lb/> Streitigkeiten leicht durch Unterhandlungen beigelegt oder sogar den Arbeitern<lb/> ein Einblick in die Geschäftsbücher gewährt werden, ein Verfahren, das sich<lb/> in seiner Fabrik jederzeit bewährt habe. Auch die übrigen zur Hebung der<lb/> Arbeiterklasse und zu ihrer Erziehung als Gehilfen für den Kampf um den<lb/> Weltmarkt notwendigen Maßnahmen, also Besserung der Lebensverhältnisse<lb/> durch gesunde und billige Wohnungen, durch gute Schulbildung, durch Ge¬<lb/> währung ästhetischer Genüsse, glaubt Byng leichter und vor allem erfolgreicher<lb/> unter dem Handelsschutz durchführen zu können. Es müßten also gerade die<lb/> Arbeiter nach seiner Meinung die eifrigsten Vertreter des Schutzes sein- Daß<lb/> sie es noch nicht sind, führt Byng auf die Vorherrschaft der rein politischen<lb/> Interessen in der Gegenwart zurück. Aber auch die Tatsache, daß die Arbeiter</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0518]
Moderne englische Schutzzöllner
der Bevölkerung, den Konsumenten, den Zwischenhändlern im populären Sinne
(miäcllöinöQ), also hauptsächlich den Angehörigen des Handels- und des Trans-
portgewerbcs, den Arbeitern und den landwirtschaftlichen Produzenten, von
Nutzen sei, sind die folgenden Kapitel gewidmet. Der Verfasser bestreitet sogar,
daß der Freihandel dem Konsumenten nütze. Denn das Schlagwort: „Der
Freihandel bedeute billige Preise für den Konsumenten" habe nur vorüber
gehend Geltung; außerdem sei es nicht nachgewiesen, daß bei genauem Ver¬
gleich die Preise in England niedriger seien als in geschützten Ländern. Es
gebe sogar zahlreiche Waren, die teurer seien als in andern Ländern. Ander¬
seits bringe der Freihandel eine gewisse Verschwendung hervor, indem er
möglichst große Entfernungen zwischen Produzenten und Konsumenten lege und
zahlreiche Zwischenglieder einschiebe, die man beim Schutzzoll nicht zu unter¬
halten brauche. Sie seien vielmehr von dem Freihandel erst geschaffen und
über das nötige Maß hinaus vermehrt worden. Diese sogenannten Middlemen
seien die einzige Klasse, die aus dem Freihandel Vorteil zöge. Aber ihre Tätig¬
keit sei für die Volkswirtschaft kein Vorteil; denn sie bevorzuge die anslnn-
dischen Produzenten, um sich selbst unentbehrlich zu machen und ihre Bezugs¬
quellen zu verheimlichen; die Middlemen wirkten also schließlich als Kundschafter
des Auslands in England. Ihre Vermehrung sei nicht wünschenswert, da sich
keine Nation ausschließlich auf diese Kreise stützen könne, und auch die andern
Völker immer danach streben würden, den englischen Zwischenhandel möglichst
auszuschalten.
Auch dein Arbeiter habe der Freihändler nichts zu bieten, denn der Ar¬
beiter beansprucht vor allem guten Lohn und dauernde Beschäftigung. Beides
aber könne der Fabrikant in einem geschützten Lande dem Arbeiter leichter ver¬
schaffen, da Vyng von der Einführung des Handelsschutzes eine Vermehrung
der Produktion erwartet, als in einem Lande, wo der Freihandel die Pro¬
duktion hemmt, und dem Arbeiter nichts als billige Lebensmittel geboten werden
könnten. Ja Bhng glaubt sogar, alleil Arbeitern diese Beschäftigung zu einem
Mindestlohne verbürgen und so die Forderung der von ihn: sehr hoch geachteten
Gewerkvereine erfüllen zu köunen. Die Streitigkeiten zwischen Arbeitern und
Fabrikanten würden dann nicht mehr den erbitterten Charakter annehmen,
der sie in der gegenwärtigen Wirtschaftsperiode kennzeichne, wo jeder Teil um
seine Existenz kämpfe. Bei einem bessern Verhältnis beider Teile könnten auch
Streitigkeiten leicht durch Unterhandlungen beigelegt oder sogar den Arbeitern
ein Einblick in die Geschäftsbücher gewährt werden, ein Verfahren, das sich
in seiner Fabrik jederzeit bewährt habe. Auch die übrigen zur Hebung der
Arbeiterklasse und zu ihrer Erziehung als Gehilfen für den Kampf um den
Weltmarkt notwendigen Maßnahmen, also Besserung der Lebensverhältnisse
durch gesunde und billige Wohnungen, durch gute Schulbildung, durch Ge¬
währung ästhetischer Genüsse, glaubt Byng leichter und vor allem erfolgreicher
unter dem Handelsschutz durchführen zu können. Es müßten also gerade die
Arbeiter nach seiner Meinung die eifrigsten Vertreter des Schutzes sein- Daß
sie es noch nicht sind, führt Byng auf die Vorherrschaft der rein politischen
Interessen in der Gegenwart zurück. Aber auch die Tatsache, daß die Arbeiter
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