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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Babel und Bibel

barung Gottes in der Welt! Denn Er erschien im Sohne selbst; Christus ist
Gott; Gott in menschlicher Gestalt. Er erlöste uns, Er feuert uns an, es
lockt uus ihm zu folgen, wir fühlen sein Feuer in uns brennen, sein Mitleid
uns starken, seine Unzufriedenheit uns vernichten, aber auch seine Fürsprache
uns retten. siegesgewiß, allein auf Sein Wort bauend, gehen wir durch
Arbeit, Hohn, Jammer, Elend und Tod, denn wir haben in Ihm Gottes
offenbartes Wort und er lügt niemals.

Das ist meine Ansicht über diese Frage. Das Wort ist insbesondere für
uns Evangelische Alles durch Luther geworden, und als guter Theologe mußte
doch Delitzsch nicht vergessen, daß unser großer Luther uns singen und glauben
gelehrt: "Das Wort sie sollen lassen Stahr!" Es versteht sich für mich von
selbst, daß das alte Testament eine große Anzahl von Abschnitten enthält,
welche rein menschlich historischer Natur sind und nicht "Gottes geoffenbartes
Wort." Es sind rein historische Schilderungen voll Vorgängen aller Art,
welche sich in dem Leben des Volkes Israel auf politischem, religiösem, sitt¬
lichem und geistigem Gebiet des Volkes vollziehen. Wie z. B. der Akt der
Gesetzgebung am Sinai nur symbolisch als von Gott inspirirt angesehen werden
kann, als Moses zu einer Auffrischung vielleicht allbekannter Gesetzesparci-
graphen (möglicherweise den: Kodex Hammurabis entstammend) greifen mußte,
um das in seiner Zusammensetzung lockere und wenig widerstandsfähige Ge-
füge seines Volkes zusammenzufassen und zu binden. Hier kann der Historiker
aus Sinn oder Wortlaut vielleicht einen Zusammenhang mit den Gesetzen
Hammurabis, des Freundes Abrahams, konstruiren, der logisch vielleicht richtig
wäre; das würde aber niemals der Thatsache Eintrag thun, daß Gott Moses
dazu angeregt und insofern sich dem Volke Israel geoffenbart hat. --

Daher ist es meine Auffassung, daß unser guter Professor hinfürder lieber
die Religion als solche bei seinen Vorträgen in unserer Gesellschaft anzu¬
führen und zu behandeln vermeidet. Dagegen was die Religion, Sitten ete.
der Babhlonier ete. in Beziehung zum alten Testament bringt, ruhig schildern
möge. Für mich ergiebt sich daraus die nachstehende Schlußfolgerung:

a) Ich glaube an Einen, Einigen Gott.
v) Wir Menschen brauchen, um ihn zu lehren, eine Form, zumal für
unsere Kinder.
v) Diese Form ist bisher das alte Testament in seiner jetzigen Über¬
lieferung gewesen. Diese Form wird unter der Forschung und den
Inschriften und Grabungen sich entschieden wesentlich ändern; das
schadet nichts, auch daß dadurch viel vom Nimbus des auserwählten
Volks verloren geht, schadet nichts. Der Kern und Inhalt bleibt
immer derselbe, Gott und Sein Wirken!

Nie war Religion ein Ergebniß der Wissenschaft, sondern ein Ausfluß
des Herzens und Seins des Menschen aus seinem Verkehr mit Gott.


Mit herzlichsten Dank und vielen Grüßen
stets Ihr treuer Freund
gez.: Wilhelm ^. K.

?. 8. Sie können von diesen Zeilen den ausgiebigsten Gebrauch machen,
wer will, kann sie lesen.




Babel und Bibel

barung Gottes in der Welt! Denn Er erschien im Sohne selbst; Christus ist
Gott; Gott in menschlicher Gestalt. Er erlöste uns, Er feuert uns an, es
lockt uus ihm zu folgen, wir fühlen sein Feuer in uns brennen, sein Mitleid
uns starken, seine Unzufriedenheit uns vernichten, aber auch seine Fürsprache
uns retten. siegesgewiß, allein auf Sein Wort bauend, gehen wir durch
Arbeit, Hohn, Jammer, Elend und Tod, denn wir haben in Ihm Gottes
offenbartes Wort und er lügt niemals.

Das ist meine Ansicht über diese Frage. Das Wort ist insbesondere für
uns Evangelische Alles durch Luther geworden, und als guter Theologe mußte
doch Delitzsch nicht vergessen, daß unser großer Luther uns singen und glauben
gelehrt: „Das Wort sie sollen lassen Stahr!" Es versteht sich für mich von
selbst, daß das alte Testament eine große Anzahl von Abschnitten enthält,
welche rein menschlich historischer Natur sind und nicht „Gottes geoffenbartes
Wort." Es sind rein historische Schilderungen voll Vorgängen aller Art,
welche sich in dem Leben des Volkes Israel auf politischem, religiösem, sitt¬
lichem und geistigem Gebiet des Volkes vollziehen. Wie z. B. der Akt der
Gesetzgebung am Sinai nur symbolisch als von Gott inspirirt angesehen werden
kann, als Moses zu einer Auffrischung vielleicht allbekannter Gesetzesparci-
graphen (möglicherweise den: Kodex Hammurabis entstammend) greifen mußte,
um das in seiner Zusammensetzung lockere und wenig widerstandsfähige Ge-
füge seines Volkes zusammenzufassen und zu binden. Hier kann der Historiker
aus Sinn oder Wortlaut vielleicht einen Zusammenhang mit den Gesetzen
Hammurabis, des Freundes Abrahams, konstruiren, der logisch vielleicht richtig
wäre; das würde aber niemals der Thatsache Eintrag thun, daß Gott Moses
dazu angeregt und insofern sich dem Volke Israel geoffenbart hat. —

Daher ist es meine Auffassung, daß unser guter Professor hinfürder lieber
die Religion als solche bei seinen Vorträgen in unserer Gesellschaft anzu¬
führen und zu behandeln vermeidet. Dagegen was die Religion, Sitten ete.
der Babhlonier ete. in Beziehung zum alten Testament bringt, ruhig schildern
möge. Für mich ergiebt sich daraus die nachstehende Schlußfolgerung:

a) Ich glaube an Einen, Einigen Gott.
v) Wir Menschen brauchen, um ihn zu lehren, eine Form, zumal für
unsere Kinder.
v) Diese Form ist bisher das alte Testament in seiner jetzigen Über¬
lieferung gewesen. Diese Form wird unter der Forschung und den
Inschriften und Grabungen sich entschieden wesentlich ändern; das
schadet nichts, auch daß dadurch viel vom Nimbus des auserwählten
Volks verloren geht, schadet nichts. Der Kern und Inhalt bleibt
immer derselbe, Gott und Sein Wirken!

Nie war Religion ein Ergebniß der Wissenschaft, sondern ein Ausfluß
des Herzens und Seins des Menschen aus seinem Verkehr mit Gott.


Mit herzlichsten Dank und vielen Grüßen
stets Ihr treuer Freund
gez.: Wilhelm ^. K.

?. 8. Sie können von diesen Zeilen den ausgiebigsten Gebrauch machen,
wer will, kann sie lesen.




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[0504] Babel und Bibel barung Gottes in der Welt! Denn Er erschien im Sohne selbst; Christus ist Gott; Gott in menschlicher Gestalt. Er erlöste uns, Er feuert uns an, es lockt uus ihm zu folgen, wir fühlen sein Feuer in uns brennen, sein Mitleid uns starken, seine Unzufriedenheit uns vernichten, aber auch seine Fürsprache uns retten. siegesgewiß, allein auf Sein Wort bauend, gehen wir durch Arbeit, Hohn, Jammer, Elend und Tod, denn wir haben in Ihm Gottes offenbartes Wort und er lügt niemals. Das ist meine Ansicht über diese Frage. Das Wort ist insbesondere für uns Evangelische Alles durch Luther geworden, und als guter Theologe mußte doch Delitzsch nicht vergessen, daß unser großer Luther uns singen und glauben gelehrt: „Das Wort sie sollen lassen Stahr!" Es versteht sich für mich von selbst, daß das alte Testament eine große Anzahl von Abschnitten enthält, welche rein menschlich historischer Natur sind und nicht „Gottes geoffenbartes Wort." Es sind rein historische Schilderungen voll Vorgängen aller Art, welche sich in dem Leben des Volkes Israel auf politischem, religiösem, sitt¬ lichem und geistigem Gebiet des Volkes vollziehen. Wie z. B. der Akt der Gesetzgebung am Sinai nur symbolisch als von Gott inspirirt angesehen werden kann, als Moses zu einer Auffrischung vielleicht allbekannter Gesetzesparci- graphen (möglicherweise den: Kodex Hammurabis entstammend) greifen mußte, um das in seiner Zusammensetzung lockere und wenig widerstandsfähige Ge- füge seines Volkes zusammenzufassen und zu binden. Hier kann der Historiker aus Sinn oder Wortlaut vielleicht einen Zusammenhang mit den Gesetzen Hammurabis, des Freundes Abrahams, konstruiren, der logisch vielleicht richtig wäre; das würde aber niemals der Thatsache Eintrag thun, daß Gott Moses dazu angeregt und insofern sich dem Volke Israel geoffenbart hat. — Daher ist es meine Auffassung, daß unser guter Professor hinfürder lieber die Religion als solche bei seinen Vorträgen in unserer Gesellschaft anzu¬ führen und zu behandeln vermeidet. Dagegen was die Religion, Sitten ete. der Babhlonier ete. in Beziehung zum alten Testament bringt, ruhig schildern möge. Für mich ergiebt sich daraus die nachstehende Schlußfolgerung: a) Ich glaube an Einen, Einigen Gott. v) Wir Menschen brauchen, um ihn zu lehren, eine Form, zumal für unsere Kinder. v) Diese Form ist bisher das alte Testament in seiner jetzigen Über¬ lieferung gewesen. Diese Form wird unter der Forschung und den Inschriften und Grabungen sich entschieden wesentlich ändern; das schadet nichts, auch daß dadurch viel vom Nimbus des auserwählten Volks verloren geht, schadet nichts. Der Kern und Inhalt bleibt immer derselbe, Gott und Sein Wirken! Nie war Religion ein Ergebniß der Wissenschaft, sondern ein Ausfluß des Herzens und Seins des Menschen aus seinem Verkehr mit Gott. Mit herzlichsten Dank und vielen Grüßen stets Ihr treuer Freund gez.: Wilhelm ^. K. ?. 8. Sie können von diesen Zeilen den ausgiebigsten Gebrauch machen, wer will, kann sie lesen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/504>, abgerufen am 24.11.2024.