Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches auch die Frauen der Sänger teilnehmen durften. Daneben gab es einmal im Jahre Der Dreißigjährige Krieg machte vielen Kantoreien ein Ende, und als am Im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts gingen die Kantoreien infolge des Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Maraunrt in Leipzig Maßgebliches und Unmaßgebliches auch die Frauen der Sänger teilnehmen durften. Daneben gab es einmal im Jahre Der Dreißigjährige Krieg machte vielen Kantoreien ein Ende, und als am Im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts gingen die Kantoreien infolge des Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Karl Maraunrt in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0444" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240000"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2322" prev="#ID_2321"> auch die Frauen der Sänger teilnehmen durften. Daneben gab es einmal im Jahre<lb/> eine Hauptversammlung — das convivium —, wobei es nach der Erledigung des<lb/> geschäftlichen Teils hoch herging. Der Verfasser druckt die Schilderung einer solchen<lb/> Festlichkeit der Delitzscher Kantorcigesellschaft aus dem Jahre 1621 ab, die kultur¬<lb/> geschichtlich sehr beachtenswert ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_2323"> Der Dreißigjährige Krieg machte vielen Kantoreien ein Ende, und als am<lb/> 25. Juni 1630 das Jubelfest der Augsburgischen Konfession gefeiert wurde, hielt<lb/> die Eilcnburger Kantorei für längere Zeit eins ihrer letzten Konvivien. Wahr¬<lb/> scheinlich beschenkte nach Werners Ermittlungen bei dieser Gelegenheit der dortige<lb/> Senior der Gesellschaft, Archidiakonus Martin Ninckart, seine Sangesbrüder mit<lb/> dem unsterblichen Tischliede: „Nun danket alle Gott," das also nicht erst, wie man<lb/> öfter liest, im Jahre 1648 beim Friedensschlüsse zum erstenmal vom deutschen<lb/> Volke gesungen worden ist. Als dann ruhigere Zeiten eingetreten waren, regten<lb/> sich auch die Kantoreien wieder, aber es trat allmählich eine Scheidung in vor¬<lb/> nehmere, nicht singende Mitglieder und in ausübende Sänger ein, wobei diese nur<lb/> zu bald in eine untergeordnete Stellung gedrängt wurden, sodaß die Konvivien<lb/> uicht selten mit Zank und Streit endigten. Dazu kam, daß der frühere Gesang<lb/> der Kantorei durch Einführung der Instrumentalmusik, durch vermehrtes Orgelspiel<lb/> und durch den Gemeindegesang immer mehr in den Hintergrund gedrängt wurde.<lb/> Mau sang deshalb schon längst nicht mehr aller Sonntage und hatte Sorge um die<lb/> Beschaffung der Noten und Instrumente, da die Stadtkassen mit ihren Zuschüssen<lb/> zurückhielten, und auch die sonstigen Einnahmequellen nicht reichlich flössen. Trotzdem<lb/> bleibt den Kantoreien dieser Zeit das Verdienst, fast ausschließlich deutsche Musik<lb/> gepflegt zu haben, während die Hofkapellen in Weißenfels, Dresden, Zeitz und<lb/> Querfurt die italienischen Tonsetzer bevorzugten, und deutsches Wesen überhaupt<lb/> mit Füßen getreten wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_2324"> Im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts gingen die Kantoreien infolge des<lb/> herrschenden Pietismus und des später» Nationalismus zu Grunde. Den Pietisten<lb/> galt jede Äußerung der Lebensfreude als ein sündhafter Greuel, sie verabscheuten<lb/> deshalb auch die Kunstmusik und vernichteten damit die reiche Musikpflegc in Sachse«;<lb/> ihrer Meinung nach „zerstreute das künstliche Getöse die Sinne mehr, als es zur<lb/> Innigkeit und Jnbrünstigkeit erweckt und vereinigt." Erst als im Anfange des<lb/> neunzehnten Jahrhunderts der zwei- und dreistimmige Gesang in den Männerchören<lb/> und Liedertafeln angebahnt wurde, als sich das einfache deutsche Lied durch Goethe<lb/> und die Hainbuuddichter überall in deutschen Landen Geltung verschaffte, als die<lb/> kühnen Freiheitsdichter Arndt, Körner und Schenkcndorf ihre vaterländischen Weisen<lb/> erschallen ließen, da fanden sich auch einzelne Kantoreigesellschaften zu neuer Tätigkeit<lb/> zusammen, namentlich als nach dem Wiener Frieden der Kurkreis an Preußen fiel,<lb/> und die preußische Regierung den Kantoreien wohlwollendes Verständnis entgegen¬<lb/> brachte. Jedoch die überall aufblühenden Männergesangvereine mit ihren freiheitliche»<lb/> Anschauungen sagte» den Bürgern mehr zu, als die von der Geistlichkeit beaufsich¬<lb/> tigten Kantoreien mit ihren Zwangsordnungen; sie führte» deshalb »ur ein kümmer¬<lb/> liches Dasein, und wo sie noch gegenwärtig besteh», da werden sie entweder von<lb/> weltlichen Gesangvereinen im Chorgesange unterstützt, oder sie Pflegen selbst rede»<lb/> der geistlichen auch die weltliche Chvrmusik und sind dadurch einfache Gesangvereine<lb/><note type="byline"> R. A.</note> geworden. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig<lb/> Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Karl Maraunrt in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0444]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
auch die Frauen der Sänger teilnehmen durften. Daneben gab es einmal im Jahre
eine Hauptversammlung — das convivium —, wobei es nach der Erledigung des
geschäftlichen Teils hoch herging. Der Verfasser druckt die Schilderung einer solchen
Festlichkeit der Delitzscher Kantorcigesellschaft aus dem Jahre 1621 ab, die kultur¬
geschichtlich sehr beachtenswert ist.
Der Dreißigjährige Krieg machte vielen Kantoreien ein Ende, und als am
25. Juni 1630 das Jubelfest der Augsburgischen Konfession gefeiert wurde, hielt
die Eilcnburger Kantorei für längere Zeit eins ihrer letzten Konvivien. Wahr¬
scheinlich beschenkte nach Werners Ermittlungen bei dieser Gelegenheit der dortige
Senior der Gesellschaft, Archidiakonus Martin Ninckart, seine Sangesbrüder mit
dem unsterblichen Tischliede: „Nun danket alle Gott," das also nicht erst, wie man
öfter liest, im Jahre 1648 beim Friedensschlüsse zum erstenmal vom deutschen
Volke gesungen worden ist. Als dann ruhigere Zeiten eingetreten waren, regten
sich auch die Kantoreien wieder, aber es trat allmählich eine Scheidung in vor¬
nehmere, nicht singende Mitglieder und in ausübende Sänger ein, wobei diese nur
zu bald in eine untergeordnete Stellung gedrängt wurden, sodaß die Konvivien
uicht selten mit Zank und Streit endigten. Dazu kam, daß der frühere Gesang
der Kantorei durch Einführung der Instrumentalmusik, durch vermehrtes Orgelspiel
und durch den Gemeindegesang immer mehr in den Hintergrund gedrängt wurde.
Mau sang deshalb schon längst nicht mehr aller Sonntage und hatte Sorge um die
Beschaffung der Noten und Instrumente, da die Stadtkassen mit ihren Zuschüssen
zurückhielten, und auch die sonstigen Einnahmequellen nicht reichlich flössen. Trotzdem
bleibt den Kantoreien dieser Zeit das Verdienst, fast ausschließlich deutsche Musik
gepflegt zu haben, während die Hofkapellen in Weißenfels, Dresden, Zeitz und
Querfurt die italienischen Tonsetzer bevorzugten, und deutsches Wesen überhaupt
mit Füßen getreten wurde.
Im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts gingen die Kantoreien infolge des
herrschenden Pietismus und des später» Nationalismus zu Grunde. Den Pietisten
galt jede Äußerung der Lebensfreude als ein sündhafter Greuel, sie verabscheuten
deshalb auch die Kunstmusik und vernichteten damit die reiche Musikpflegc in Sachse«;
ihrer Meinung nach „zerstreute das künstliche Getöse die Sinne mehr, als es zur
Innigkeit und Jnbrünstigkeit erweckt und vereinigt." Erst als im Anfange des
neunzehnten Jahrhunderts der zwei- und dreistimmige Gesang in den Männerchören
und Liedertafeln angebahnt wurde, als sich das einfache deutsche Lied durch Goethe
und die Hainbuuddichter überall in deutschen Landen Geltung verschaffte, als die
kühnen Freiheitsdichter Arndt, Körner und Schenkcndorf ihre vaterländischen Weisen
erschallen ließen, da fanden sich auch einzelne Kantoreigesellschaften zu neuer Tätigkeit
zusammen, namentlich als nach dem Wiener Frieden der Kurkreis an Preußen fiel,
und die preußische Regierung den Kantoreien wohlwollendes Verständnis entgegen¬
brachte. Jedoch die überall aufblühenden Männergesangvereine mit ihren freiheitliche»
Anschauungen sagte» den Bürgern mehr zu, als die von der Geistlichkeit beaufsich¬
tigten Kantoreien mit ihren Zwangsordnungen; sie führte» deshalb »ur ein kümmer¬
liches Dasein, und wo sie noch gegenwärtig besteh», da werden sie entweder von
weltlichen Gesangvereinen im Chorgesange unterstützt, oder sie Pflegen selbst rede»
der geistlichen auch die weltliche Chvrmusik und sind dadurch einfache Gesangvereine
R. A. geworden.
Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Karl Maraunrt in Leipzig
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |