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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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ungangbar. Verfassungsmäßig verfügt die Reichsfinanzwirtschaft noch immer in
den Matrikularbeiträgen der Einzelstaaten über ein "bewegliches Element,"
das für das Reich als solches -- d. h. ohne Rücksicht auf die Staatsfinanzen --
den Ansprüchen genügt, aber freilich die allerschlechteste Form für die gemein¬
same Finanzwirtschnft von Reich und Staateil ist. Es handelt sich deshalb
unsers Einesteils nicht um neue direkte Neichssteuern, sondern um eine Reform
der Matriknlarbeiträge und der Überweisungen, und diese Reform kann in der
Hauptsache mir durch eine gewisse einheitliche Ausgestaltung der Steuerverfassung
der Einzelstaaten erreicht werden, die wieder wesentlich auf dem Gebiet der direkten
Besteuerung liegen müßte. Um dahin zu gelangen, werden unsre Reichsfinanz-
Politiker freilich auch das Vorurteil ablegen müssen, daß Matrikularbeitrüge
überhaupt verwerflich wären, weil das Reich nicht Kostgänger der Bundes¬
staaten bleiben dürfe, vielmehr die Bundesstaaten aus seinen reichen Schüsseln
speisen müsse, mag die Füllung dieser Schüsseln erreicht werden, wie sie wolle.

Es liegt uns natürlich fern-, zu meinen, daß es auch nach der Überwin¬
dung dieser Vorurteile in den ausschlaggebenden Kreisen eine leichte Arbeit
sein würde, die Reichs- und die Staatsfinanzen auf gesunde Füße zu stellen,
aber wenn erst der gute Wille da sein wird, wird anch der Weg nicht fehlen.
Die gemeinsame Arbeit der Staaten und des Reichs zur Gewinnung einer
guten Finanzstatistik wird am besten den Willen zum Guten lenken und zu¬
gleich die Wege weisen. Ihr muß deshalb zunächst ein gedeihlicher Fortgang
und das allgemeinste Interesse gewünscht werden.




T>le Stellung Schwedens und Norwegens
im europäischen Konzert

eit geraumer Zeit haben sich in den Parlamenten und den Regie¬
rungen Schwedens, Norwegens und Dünemarks Bestrebungen
geltend gemacht, die Anerkennung und Garantierung ihrer Neu¬
tralität durch die Großmächte zu erlangen, denn diese nordischen
Reiche hoffen sich dadurch von den großen Ausgaben für die
Wehrmacht und die Landesverteidigung entlasten zu können. Aber nach den
jüngsten Erklärungen des schwedischen Ministers des Auswärtigen müssen diese
Bestrebungen als gescheitert angesehen werden. Auch im dänischen Folkething
hat die Regierung sie zurückgewiesen, "um nicht der Gefahr internationaler
Verpflichtungen zu unterliegen, die es unter Umständen nicht ermöglichen
würden, die eignen Interessen wahrzunehmen, ohne den Neutralitütsvertrag zu
brechen." Dagegen fügte der schwedische Minister des Äußern seiner Ablehnung
hinzu, "daß es der bestimmte und unwandelbare Vorsatz der Negierung sei,
sich unter Wahrung der strengsten Neutralität von jeder Einmischung in die
Streitigkeiten fremder Völker fernzuhalten." Er widerlegte ferner als früherer


ungangbar. Verfassungsmäßig verfügt die Reichsfinanzwirtschaft noch immer in
den Matrikularbeiträgen der Einzelstaaten über ein „bewegliches Element,"
das für das Reich als solches — d. h. ohne Rücksicht auf die Staatsfinanzen —
den Ansprüchen genügt, aber freilich die allerschlechteste Form für die gemein¬
same Finanzwirtschnft von Reich und Staateil ist. Es handelt sich deshalb
unsers Einesteils nicht um neue direkte Neichssteuern, sondern um eine Reform
der Matriknlarbeiträge und der Überweisungen, und diese Reform kann in der
Hauptsache mir durch eine gewisse einheitliche Ausgestaltung der Steuerverfassung
der Einzelstaaten erreicht werden, die wieder wesentlich auf dem Gebiet der direkten
Besteuerung liegen müßte. Um dahin zu gelangen, werden unsre Reichsfinanz-
Politiker freilich auch das Vorurteil ablegen müssen, daß Matrikularbeitrüge
überhaupt verwerflich wären, weil das Reich nicht Kostgänger der Bundes¬
staaten bleiben dürfe, vielmehr die Bundesstaaten aus seinen reichen Schüsseln
speisen müsse, mag die Füllung dieser Schüsseln erreicht werden, wie sie wolle.

Es liegt uns natürlich fern-, zu meinen, daß es auch nach der Überwin¬
dung dieser Vorurteile in den ausschlaggebenden Kreisen eine leichte Arbeit
sein würde, die Reichs- und die Staatsfinanzen auf gesunde Füße zu stellen,
aber wenn erst der gute Wille da sein wird, wird anch der Weg nicht fehlen.
Die gemeinsame Arbeit der Staaten und des Reichs zur Gewinnung einer
guten Finanzstatistik wird am besten den Willen zum Guten lenken und zu¬
gleich die Wege weisen. Ihr muß deshalb zunächst ein gedeihlicher Fortgang
und das allgemeinste Interesse gewünscht werden.




T>le Stellung Schwedens und Norwegens
im europäischen Konzert

eit geraumer Zeit haben sich in den Parlamenten und den Regie¬
rungen Schwedens, Norwegens und Dünemarks Bestrebungen
geltend gemacht, die Anerkennung und Garantierung ihrer Neu¬
tralität durch die Großmächte zu erlangen, denn diese nordischen
Reiche hoffen sich dadurch von den großen Ausgaben für die
Wehrmacht und die Landesverteidigung entlasten zu können. Aber nach den
jüngsten Erklärungen des schwedischen Ministers des Auswärtigen müssen diese
Bestrebungen als gescheitert angesehen werden. Auch im dänischen Folkething
hat die Regierung sie zurückgewiesen, „um nicht der Gefahr internationaler
Verpflichtungen zu unterliegen, die es unter Umständen nicht ermöglichen
würden, die eignen Interessen wahrzunehmen, ohne den Neutralitütsvertrag zu
brechen." Dagegen fügte der schwedische Minister des Äußern seiner Ablehnung
hinzu, „daß es der bestimmte und unwandelbare Vorsatz der Negierung sei,
sich unter Wahrung der strengsten Neutralität von jeder Einmischung in die
Streitigkeiten fremder Völker fernzuhalten." Er widerlegte ferner als früherer


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[0401] ungangbar. Verfassungsmäßig verfügt die Reichsfinanzwirtschaft noch immer in den Matrikularbeiträgen der Einzelstaaten über ein „bewegliches Element," das für das Reich als solches — d. h. ohne Rücksicht auf die Staatsfinanzen — den Ansprüchen genügt, aber freilich die allerschlechteste Form für die gemein¬ same Finanzwirtschnft von Reich und Staateil ist. Es handelt sich deshalb unsers Einesteils nicht um neue direkte Neichssteuern, sondern um eine Reform der Matriknlarbeiträge und der Überweisungen, und diese Reform kann in der Hauptsache mir durch eine gewisse einheitliche Ausgestaltung der Steuerverfassung der Einzelstaaten erreicht werden, die wieder wesentlich auf dem Gebiet der direkten Besteuerung liegen müßte. Um dahin zu gelangen, werden unsre Reichsfinanz- Politiker freilich auch das Vorurteil ablegen müssen, daß Matrikularbeitrüge überhaupt verwerflich wären, weil das Reich nicht Kostgänger der Bundes¬ staaten bleiben dürfe, vielmehr die Bundesstaaten aus seinen reichen Schüsseln speisen müsse, mag die Füllung dieser Schüsseln erreicht werden, wie sie wolle. Es liegt uns natürlich fern-, zu meinen, daß es auch nach der Überwin¬ dung dieser Vorurteile in den ausschlaggebenden Kreisen eine leichte Arbeit sein würde, die Reichs- und die Staatsfinanzen auf gesunde Füße zu stellen, aber wenn erst der gute Wille da sein wird, wird anch der Weg nicht fehlen. Die gemeinsame Arbeit der Staaten und des Reichs zur Gewinnung einer guten Finanzstatistik wird am besten den Willen zum Guten lenken und zu¬ gleich die Wege weisen. Ihr muß deshalb zunächst ein gedeihlicher Fortgang und das allgemeinste Interesse gewünscht werden. T>le Stellung Schwedens und Norwegens im europäischen Konzert eit geraumer Zeit haben sich in den Parlamenten und den Regie¬ rungen Schwedens, Norwegens und Dünemarks Bestrebungen geltend gemacht, die Anerkennung und Garantierung ihrer Neu¬ tralität durch die Großmächte zu erlangen, denn diese nordischen Reiche hoffen sich dadurch von den großen Ausgaben für die Wehrmacht und die Landesverteidigung entlasten zu können. Aber nach den jüngsten Erklärungen des schwedischen Ministers des Auswärtigen müssen diese Bestrebungen als gescheitert angesehen werden. Auch im dänischen Folkething hat die Regierung sie zurückgewiesen, „um nicht der Gefahr internationaler Verpflichtungen zu unterliegen, die es unter Umständen nicht ermöglichen würden, die eignen Interessen wahrzunehmen, ohne den Neutralitütsvertrag zu brechen." Dagegen fügte der schwedische Minister des Äußern seiner Ablehnung hinzu, „daß es der bestimmte und unwandelbare Vorsatz der Negierung sei, sich unter Wahrung der strengsten Neutralität von jeder Einmischung in die Streitigkeiten fremder Völker fernzuhalten." Er widerlegte ferner als früherer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/401>, abgerufen am 24.11.2024.