Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Der Reichshanshalt und die Finanzen der Bundesstaaten anVon den drei Hansestädten ist hier ganz abzusehen. In ihnen spielt Wenn die Denkschrift, nachdem sie die Finanznot des Reichs richtig auf Ein ganz andres Bild bieten nun allerdings die Zahlen der nenn zu Grenzboten I 1903 50
Der Reichshanshalt und die Finanzen der Bundesstaaten anVon den drei Hansestädten ist hier ganz abzusehen. In ihnen spielt Wenn die Denkschrift, nachdem sie die Finanznot des Reichs richtig auf Ein ganz andres Bild bieten nun allerdings die Zahlen der nenn zu Grenzboten I 1903 50
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Der Reichshanshalt und die Finanzen der Bundesstaaten
anVon den drei Hansestädten ist hier ganz abzusehen. In ihnen spielt
namentlich in Bremen und Hamburg — die direkte Besteuerung eine ganz
ßerordentlich große Rolle, doch sind die vorhandnen Zahlen schon wegen
der Uncntwirrbarkeit der Staats- und Gemeindefinanzen mit den Zahlen aller
andern Bundesstaaten absolut nicht vergleichbar. Auch die Denkschrift des
Reichsschatzamts hat übrigens an sie wohl am wenigsten gedacht.
Wenn die Denkschrift, nachdem sie die Finanznot des Reichs richtig auf
die Natur seiner ausschließlich in Zöllen und indirekten Steuern bestehenden
Einnahmen zurückgeführt hat. eine angeblich noch größere Finanznot der
^undesstaaten in der Hauptsache darauf zu schieben sucht, daß ihre Finanzen auf
„direkten" Steuern beruhn, so erweisen die Zahlen der Reichsstatistik, daß das
unrichtig ist. Handgreiflich liegt es vor Augen, daß die augenblickliche Fincmz-
not der deutschen Einzelstaaten in der Hauptsache davon herrührt, daß ihre
Finanzen zu einem so großen Teil ans „Erwerbscinkünften" beruhn, die — so
wertvoll ihr Vorhandensein an sich für die Gesundheit der Finanzen auch
ist — ebenso wie die Zölle und die indirekten Steuern des Reichs unmittelbar
von der Gunst und der Ungunst der wirtschaftlichen Lage abhängen und sich
dem wechselnden Staatsbedürfnis nicht anpassen können. Sie haben zwar auch
eine Beweglichkeit, aber eine, die uicht voraus berechnet werden kann; nicht
die finanzwissenschaftlich gewünschte Beweglichkeit, die ctatsgesetzlich reguliert
werden kann, sodaß Einnahmen und Bedarf in Übereinstimmung gebracht
werden. In Bayern ganz besonders, aber auch in Baden, Württemberg, Hessen
und Sachsen ist auch der Anteil der „sonstigen" Steuern bedeutsam für den
peinlichen Einfluß der schlechten Zeiten auf die Finanzen, während ein solcher
Einfluß auf die direkten Steuern Wohl in keinem der zuerst aufgeführten drei¬
zehn Bundesstaaten bis jetzt besonders peinlich bemerkbar geworden sein wird.
Für Preußen z. B. beweist die kürzlich veröffentlichte Statistik der Einkommen-
und Ergänzungssteuer für 1902 trotz des Jahr und Tag andauernden wirt¬
schaftlichen Drucks eine erfreuliche Entwicklung dieser Einnahmequellen, und
der preußische Finanzminister denkt auch nicht daran, die preußische Finanznot
den direkten Steuern — d. h. hier überhaupt den Steuern — in die Schuhe
zu schieben. Hier sind es namentlich die Ausfälle an Eisenbahnüberschüssen,
die peinlich empfunden werden.
Ein ganz andres Bild bieten nun allerdings die Zahlen der nenn zu
zweit aufgeführten Bundesstaaten dar, namentlich die Waldecks, der beiden
Reuß und der beiden Lippe. Daß hier der Ertrag der „direkten" Steuern
— die in den zuletzt genannten fünf Staaten so gut wie allein den Geldbedarf
decken müssen — durch den herrschenden wirtschaftlichen Druck schon stark un¬
günstig beeinflußt waren, ist absolut noch nicht bewiesen. In diesen Staaten
handelt es sich überhaupt nicht um eine gelegentliche Finanznot, sondern um
eine chronische, die im wesentlichen darauf zurückgeführt werden muß, daß die
vorhandnen „Erwerbseinkünfte" (Forsten und Domänen) nicht ins Staatseigen¬
tum, sondern in den Besitz der Fürsten übergegangen sind. Es ist deshalb
auch hier falsch, der direkten Besteuerung die Schuld an der Zahlungsunfähig¬
keit der Staaten dem Reich gegenüber in die Schuhe zu schieben. Ein Blick
Grenzboten I 1903 50
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