Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Die Kunst des Tanzes Vermutlich holte man es am nächsten Tage nach, aber abgesehen von den Erfrischungen Huo wo iÄpi8, koan-rx LLnvews! Meine Absicht war nicht, von längstver¬ Wir -- ich meine damit meine Wirtsleute und mich -- haben eine sehr Doch! Ich war an der rechten Tür. denn unser Dienstmädchen stand Schild- Grenzl'oder I 1908 46
Die Kunst des Tanzes Vermutlich holte man es am nächsten Tage nach, aber abgesehen von den Erfrischungen Huo wo iÄpi8, koan-rx LLnvews! Meine Absicht war nicht, von längstver¬ Wir — ich meine damit meine Wirtsleute und mich — haben eine sehr Doch! Ich war an der rechten Tür. denn unser Dienstmädchen stand Schild- Grenzl'oder I 1908 46
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0365" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239921"/> <fw type="header" place="top"> Die Kunst des Tanzes</fw><lb/> <p xml:id="ID_1767" prev="#ID_1766"> Vermutlich holte man es am nächsten Tage nach, aber abgesehen von den Erfrischungen<lb/> war das Fest für die geladner jungen Damen insofern ideal, als auch von einem<lb/> »ur einmaligen Sitzenbleiben einer geladner Tänzerin prinzipiell ebensowenig die<lb/> Rede sein konnte, als man sich eine Woche ohne Montag vorzustellen imstande ist.<lb/> Das ging so zu. Wer ein junges Mädchen einlud, überreichte ihr, wenn sie den<lb/> Ballsaal betrat, eine Karte, auf der ihre sämtlichen Tänzer einschließlich derer für<lb/> den vierten und fünften eingeschobnen verzeichnet waren; es blieb ihr nichts übrig, als<lb/> die Karte abzutanzen. Friß, Vogel, oder stirb! Man könnte vielleicht an dieser Be-<lb/> handlungsweise etwas nnter dem Vorwande auszusetzen haben, daß ein wenig mehr<lb/> Freiheit'für sogenannte Konfusionen doch auch uicht übel gewesen wäre. Wie wenig<lb/> würde der den Tatsachen gerecht werden, der so urteilen wollte! Die Karte, mit<lb/> deren Zusammenstellung zahllose Freistunden zugebracht wordeu waren, war nichts<lb/> Willkürliches, sondern ein getreues Spiegelbild von Angebot und Nachfrage, bei<lb/> dem auch den berechtigten und — das war das rührende — bekannten Wünschen<lb/> der jungen Dame durchaus Rechnung getragen wurde. Sechs schmort-Cabanas,<lb/> ein Objekt von dreißig Pfennigen, konnte einem bisweilen, wenn man kein zu<lb/> schlechter Tänzer und mit dem, der die Karte machte, gut bekannt war, eine ge¬<lb/> wünschte Polka sichern, aber wenn einer die Polka hatte, von dem es bekannt war,<lb/> daß die junge Dame besonders gern mit ihm tanzte, so hätte die Anwartschaft auf<lb/> das Herzogtum Lauenburg den Verantwortlicher Pollini nicht von seiner Pflicht<lb/> abwendig machen können. Es kann nicht geleugnet werden, es gab Karten, die<lb/> nicht ganz so leicht auszufüllen waren wie andre: für junge Mädchen zum Beispiel,<lb/> von denen man wußte, daß sie kein Gehör hatten und darauf bestanden, Galopp<lb/> zu tanzen, wenn eine Polka-Mazurka gespielt wurde: aber auch da war die<lb/> schmort-Cabana nieist siegreich, alö ut, saltW, oder wenn sich alles gegen einen<lb/> verschwor, durfte man einen Griff in die zum Tanzen noch unberechtigte meins,<lb/> plobs tun und sich für seiue Dame einen möglichst stattlichen Untersekundaner<lb/> hernussucheu. Einmal ist keinmal, hieß es in einem solchen Falle, und die junge<lb/> Dame merkte den Unterschied auch nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1768"> Huo wo iÄpi8, koan-rx LLnvews! Meine Absicht war nicht, von längstver¬<lb/> gangnen Zeiten, sondern von der heutigen Generation zu reden, die natürlich auch<lb/> Tanzunterricht genießt, und soweit ich nach einem mir bekannt gewordnen einzelnen<lb/> Fant urteilen kann, alle Herzöge und Marquis des Wii-as-bout an feiner Lebensart<lb/> in den Schatten stellt. Für den Kreis, von dem ich zu berichten habe, sind<lb/> Strnzzen und Hauptbücher die täglichen Gefechtsfelder, aber niemand braucht bet<lb/> der Jugend dieses Standes — wenigstens in unsrer gesegnete» Stadt — eine<lb/> durch den Pessimismus und die materialistische Richtung unsrer Zeit etwa herbei¬<lb/> geführte noch so geringe Verrohung der Sitten und Gebäuche zu befürchten. Im<lb/> Gegenteil: eine fast unheimliche Verfeinerung hat Platz gegriffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1769"> Wir — ich meine damit meine Wirtsleute und mich — haben eine sehr<lb/> hübsche Tochter, die dieses Jahr an einem gemischten Tanzkursns teilnimmt, gemischt<lb/> natürlich nur in dem Sinne, daß er Männlein und Weiblein umfaßt, im übrigen<lb/> so ungemischt und sclekt als möglich. Ich komme Sonntag Mittag von der Plans-<lb/> 'nusik vor der Wohnung des kommandierender Generals nach Hanse und fahre, in<lb/> der ersten Etage angelangt, plötzlich zurück. Ich muß mich versehen haben. Das<lb/> Ne mahl unser Haus. Das ist der Vorplatz einer Moschee: rings um den Stroh-<lb/> reuer h^um. ehrbar in Paaren nebeneinandergestellt, das Schuhwerk der Gläu¬<lb/> bigen, die ins Heiligtum getreten sind</p><lb/> <p xml:id="ID_1770" next="#ID_1771"> Doch! Ich war an der rechten Tür. denn unser Dienstmädchen stand Schild-<lb/> wache. Was machen Sie denn hier Elise? — Ich gebe Obacht, daß keiner von<lb/> den Überschuhen wegkommt. — Und uun erfuhr ichs. Die am Tauzkursus teil¬<lb/> nehmenden jungen Herren machten der Familie unsrer Tochter ihre Aufwartung,<lb/> eine anmutige Form, um den geschlossenen Kreis anzudeuten, und eine mit Freuden<lb/> ergriffne Gelegenheit, die im'Vorkursus aufgenommene Theorie praktisch zu ver-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzl'oder I 1908 46</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0365]
Die Kunst des Tanzes
Vermutlich holte man es am nächsten Tage nach, aber abgesehen von den Erfrischungen
war das Fest für die geladner jungen Damen insofern ideal, als auch von einem
»ur einmaligen Sitzenbleiben einer geladner Tänzerin prinzipiell ebensowenig die
Rede sein konnte, als man sich eine Woche ohne Montag vorzustellen imstande ist.
Das ging so zu. Wer ein junges Mädchen einlud, überreichte ihr, wenn sie den
Ballsaal betrat, eine Karte, auf der ihre sämtlichen Tänzer einschließlich derer für
den vierten und fünften eingeschobnen verzeichnet waren; es blieb ihr nichts übrig, als
die Karte abzutanzen. Friß, Vogel, oder stirb! Man könnte vielleicht an dieser Be-
handlungsweise etwas nnter dem Vorwande auszusetzen haben, daß ein wenig mehr
Freiheit'für sogenannte Konfusionen doch auch uicht übel gewesen wäre. Wie wenig
würde der den Tatsachen gerecht werden, der so urteilen wollte! Die Karte, mit
deren Zusammenstellung zahllose Freistunden zugebracht wordeu waren, war nichts
Willkürliches, sondern ein getreues Spiegelbild von Angebot und Nachfrage, bei
dem auch den berechtigten und — das war das rührende — bekannten Wünschen
der jungen Dame durchaus Rechnung getragen wurde. Sechs schmort-Cabanas,
ein Objekt von dreißig Pfennigen, konnte einem bisweilen, wenn man kein zu
schlechter Tänzer und mit dem, der die Karte machte, gut bekannt war, eine ge¬
wünschte Polka sichern, aber wenn einer die Polka hatte, von dem es bekannt war,
daß die junge Dame besonders gern mit ihm tanzte, so hätte die Anwartschaft auf
das Herzogtum Lauenburg den Verantwortlicher Pollini nicht von seiner Pflicht
abwendig machen können. Es kann nicht geleugnet werden, es gab Karten, die
nicht ganz so leicht auszufüllen waren wie andre: für junge Mädchen zum Beispiel,
von denen man wußte, daß sie kein Gehör hatten und darauf bestanden, Galopp
zu tanzen, wenn eine Polka-Mazurka gespielt wurde: aber auch da war die
schmort-Cabana nieist siegreich, alö ut, saltW, oder wenn sich alles gegen einen
verschwor, durfte man einen Griff in die zum Tanzen noch unberechtigte meins,
plobs tun und sich für seiue Dame einen möglichst stattlichen Untersekundaner
hernussucheu. Einmal ist keinmal, hieß es in einem solchen Falle, und die junge
Dame merkte den Unterschied auch nicht.
Huo wo iÄpi8, koan-rx LLnvews! Meine Absicht war nicht, von längstver¬
gangnen Zeiten, sondern von der heutigen Generation zu reden, die natürlich auch
Tanzunterricht genießt, und soweit ich nach einem mir bekannt gewordnen einzelnen
Fant urteilen kann, alle Herzöge und Marquis des Wii-as-bout an feiner Lebensart
in den Schatten stellt. Für den Kreis, von dem ich zu berichten habe, sind
Strnzzen und Hauptbücher die täglichen Gefechtsfelder, aber niemand braucht bet
der Jugend dieses Standes — wenigstens in unsrer gesegnete» Stadt — eine
durch den Pessimismus und die materialistische Richtung unsrer Zeit etwa herbei¬
geführte noch so geringe Verrohung der Sitten und Gebäuche zu befürchten. Im
Gegenteil: eine fast unheimliche Verfeinerung hat Platz gegriffen.
Wir — ich meine damit meine Wirtsleute und mich — haben eine sehr
hübsche Tochter, die dieses Jahr an einem gemischten Tanzkursns teilnimmt, gemischt
natürlich nur in dem Sinne, daß er Männlein und Weiblein umfaßt, im übrigen
so ungemischt und sclekt als möglich. Ich komme Sonntag Mittag von der Plans-
'nusik vor der Wohnung des kommandierender Generals nach Hanse und fahre, in
der ersten Etage angelangt, plötzlich zurück. Ich muß mich versehen haben. Das
Ne mahl unser Haus. Das ist der Vorplatz einer Moschee: rings um den Stroh-
reuer h^um. ehrbar in Paaren nebeneinandergestellt, das Schuhwerk der Gläu¬
bigen, die ins Heiligtum getreten sind
Doch! Ich war an der rechten Tür. denn unser Dienstmädchen stand Schild-
wache. Was machen Sie denn hier Elise? — Ich gebe Obacht, daß keiner von
den Überschuhen wegkommt. — Und uun erfuhr ichs. Die am Tauzkursus teil¬
nehmenden jungen Herren machten der Familie unsrer Tochter ihre Aufwartung,
eine anmutige Form, um den geschlossenen Kreis anzudeuten, und eine mit Freuden
ergriffne Gelegenheit, die im'Vorkursus aufgenommene Theorie praktisch zu ver-
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