Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Line Inselreihe durch das griechische Meer Damm untergebracht waren, waren an sich nicht schlecht, aber natürlich sehr Besondre Schwierigkeiten machte es einem, die Sachen gehörig zu ver Am Morgen galt es, möglichst früh auf die Beine zu kommen, bevor War man mit seiner Toilette glücklich fertig, so verließ man aufatmend Line Inselreihe durch das griechische Meer Damm untergebracht waren, waren an sich nicht schlecht, aber natürlich sehr Besondre Schwierigkeiten machte es einem, die Sachen gehörig zu ver Am Morgen galt es, möglichst früh auf die Beine zu kommen, bevor War man mit seiner Toilette glücklich fertig, so verließ man aufatmend <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239911"/> <fw type="header" place="top"> Line Inselreihe durch das griechische Meer</fw><lb/> <p xml:id="ID_1724" prev="#ID_1723"> Damm untergebracht waren, waren an sich nicht schlecht, aber natürlich sehr<lb/> eng- Es hat immer seine Unbequemlichkeiten, zu dreien oder zu vieren in einer<lb/> Schiffskabine zu logieren, und gar manchesmal habe ich den unter mir hän¬<lb/> genden Professor Sieglin beim Aufstehn unsanft getreten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1725"> Besondre Schwierigkeiten machte es einem, die Sachen gehörig zu ver<lb/> stauen, und seinem Koffer etwas zu entnehmen, war mit so vielen Umständen ver¬<lb/> knüpft, daß einer meiner Kabiuengenossen, wie er selbst offen eingestand, es vor¬<lb/> zog, sich die jedesmal nötigen Ntenstlien, wenn irgend möglich, zu leihen,<lb/> anstatt selbst den Koffer zu öffnen. In der Nacht litt man unter der entsetzlichen<lb/> Luft, die sich sofort entwickelte, wenn das ovale Kabinenfenster geschlossen<lb/> wurde; öffnete man es aber, so traf die kalte Nachtluft den darunter Lie<lb/> gerben sehr empfindlich. Jnsektenpulver dürfte natürlich nicht geschont werden,<lb/> half jedoch nicht durchgreifend, sodaß der junge Tag gewöhnlich mit Reiben<lb/> und Jucken eingeweiht wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1726"> Am Morgen galt es, möglichst früh auf die Beine zu kommen, bevor<lb/> die große Masse der Schläfer aufstand. Denn nur dann konnte man einiger¬<lb/> maßen rasch und glatt mit der Toilette und dem Frühstück fertig werden. In<lb/> der Kabine gab es nur ein Waschgefäß, kein Wasser und kein Glas, beides<lb/> mußte immer erst aus der Küche verlangt werden. Deswegen und wegen der<lb/> Engigkeit des Raumes konnte sich immer nur einer anziehn; dieser hatte dann<lb/> die Verpflichtung, für seinen Nachfolger neues Trink- und Waschwnsser zu<lb/> besorgen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1727" next="#ID_1728"> War man mit seiner Toilette glücklich fertig, so verließ man aufatmend<lb/> den dumpfen, engen Raum, trat in den „Salon" und setzte sich zum Früh¬<lb/> stück nieder. Dies war noch die beste Mahlzeit des Tages. Der Kaffee<lb/> allerdings, der ja sonst im Orient nicht übel ist, war wegen seiner dicken Satz<lb/> 'nassen als Frühstücksgetrünk nicht zu brauchen und wurde nur wenig verlangt;<lb/> der vou den meisten vorgezogne Tee wurde, wie es schien, aus Heu bereitet,<lb/> und die „Butter" war wohl mehr ein Produkt aus Hammelfett als aus Kuhmilch,<lb/> dafür aber waren die Eier immer gut und frisch, lind der Honig, wirklicher<lb/> Honig vom Hymettos oder wenigstens aus Attika, goldklar, sämig und würzig<lb/> vom Dufte der Bergblumen, nicht ein Absud aus Birnensaft und Zucker, wie<lb/> der sogenannte „Honig" in den Schweizer Hotels. Beides, Eier und Honig,<lb/> wurden denn auch massenhaft konsumiert. Leider ging in der stiefmütterlich<lb/> behandelten zweiten Klasse, die ihren eignen Frühstücktisch hatte, der Honig<lb/> sehr bald ans. Als er nnn eures schönen Morgens plötzlich fehlte, raffte ein<lb/> junger, liebenswürdiger, feinen Tafelgenüssen keineswegs abholder Österreicher sein<lb/> bestes Griechisch zusammen und fragte den Aufwärter mit möglichst strenger<lb/> Stimme: ?u mirs to usu? (Wo ist der Honig?) Der Gefragte zuckte die<lb/> Achseln und erwiderte gelassen: Uhu tlxotö! (Honig, nichts.) Die Miene des<lb/> Österreichers soll bei dieser Antwort ein höchst komisches Gemisch von Ent¬<lb/> täuschung und Entrüstung gezeigt haben, und diese Komik der Situation war<lb/> Wohl der Grund, daß die Frage: I'n Juno w usu? und die Antwort: Roll<lb/> ttMo bei uns zu geflügelten Worten wurden, obwohl sie doch weder witzig<lb/> noch auch mir merkwürdig oder absonderlich sind. Unznhligemale und bei allen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0355]
Line Inselreihe durch das griechische Meer
Damm untergebracht waren, waren an sich nicht schlecht, aber natürlich sehr
eng- Es hat immer seine Unbequemlichkeiten, zu dreien oder zu vieren in einer
Schiffskabine zu logieren, und gar manchesmal habe ich den unter mir hän¬
genden Professor Sieglin beim Aufstehn unsanft getreten.
Besondre Schwierigkeiten machte es einem, die Sachen gehörig zu ver
stauen, und seinem Koffer etwas zu entnehmen, war mit so vielen Umständen ver¬
knüpft, daß einer meiner Kabiuengenossen, wie er selbst offen eingestand, es vor¬
zog, sich die jedesmal nötigen Ntenstlien, wenn irgend möglich, zu leihen,
anstatt selbst den Koffer zu öffnen. In der Nacht litt man unter der entsetzlichen
Luft, die sich sofort entwickelte, wenn das ovale Kabinenfenster geschlossen
wurde; öffnete man es aber, so traf die kalte Nachtluft den darunter Lie
gerben sehr empfindlich. Jnsektenpulver dürfte natürlich nicht geschont werden,
half jedoch nicht durchgreifend, sodaß der junge Tag gewöhnlich mit Reiben
und Jucken eingeweiht wurde.
Am Morgen galt es, möglichst früh auf die Beine zu kommen, bevor
die große Masse der Schläfer aufstand. Denn nur dann konnte man einiger¬
maßen rasch und glatt mit der Toilette und dem Frühstück fertig werden. In
der Kabine gab es nur ein Waschgefäß, kein Wasser und kein Glas, beides
mußte immer erst aus der Küche verlangt werden. Deswegen und wegen der
Engigkeit des Raumes konnte sich immer nur einer anziehn; dieser hatte dann
die Verpflichtung, für seinen Nachfolger neues Trink- und Waschwnsser zu
besorgen.
War man mit seiner Toilette glücklich fertig, so verließ man aufatmend
den dumpfen, engen Raum, trat in den „Salon" und setzte sich zum Früh¬
stück nieder. Dies war noch die beste Mahlzeit des Tages. Der Kaffee
allerdings, der ja sonst im Orient nicht übel ist, war wegen seiner dicken Satz
'nassen als Frühstücksgetrünk nicht zu brauchen und wurde nur wenig verlangt;
der vou den meisten vorgezogne Tee wurde, wie es schien, aus Heu bereitet,
und die „Butter" war wohl mehr ein Produkt aus Hammelfett als aus Kuhmilch,
dafür aber waren die Eier immer gut und frisch, lind der Honig, wirklicher
Honig vom Hymettos oder wenigstens aus Attika, goldklar, sämig und würzig
vom Dufte der Bergblumen, nicht ein Absud aus Birnensaft und Zucker, wie
der sogenannte „Honig" in den Schweizer Hotels. Beides, Eier und Honig,
wurden denn auch massenhaft konsumiert. Leider ging in der stiefmütterlich
behandelten zweiten Klasse, die ihren eignen Frühstücktisch hatte, der Honig
sehr bald ans. Als er nnn eures schönen Morgens plötzlich fehlte, raffte ein
junger, liebenswürdiger, feinen Tafelgenüssen keineswegs abholder Österreicher sein
bestes Griechisch zusammen und fragte den Aufwärter mit möglichst strenger
Stimme: ?u mirs to usu? (Wo ist der Honig?) Der Gefragte zuckte die
Achseln und erwiderte gelassen: Uhu tlxotö! (Honig, nichts.) Die Miene des
Österreichers soll bei dieser Antwort ein höchst komisches Gemisch von Ent¬
täuschung und Entrüstung gezeigt haben, und diese Komik der Situation war
Wohl der Grund, daß die Frage: I'n Juno w usu? und die Antwort: Roll
ttMo bei uns zu geflügelten Worten wurden, obwohl sie doch weder witzig
noch auch mir merkwürdig oder absonderlich sind. Unznhligemale und bei allen
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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