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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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aber, wie es scheint, keine Mönche mehr beherbergt. An dem Kreuzgange
sahen wir die Reste der alten byzantinischen Grabanlagen, schöne marmorne
Monumente, auf denen ehemals die Sarkophage gestanden hatten; auf ihnen
waren dann noch Dächer mit Aufsätzen, und auf diesen wieder Büsten oder
Gruppen. In der Nähe lag anch das kleine Museum für die am Ort gemachten
Funde. In diesem interessierte uns besonders das obenerwähnte Stück des
sogenannten parischen Marmors, das erst drei Jahre vorher entdeckt und in
der Fachliteratur beschrieben worden war. Es steckt ein Stück Geschichte der
Diadochenzeit darin. Das Hnuptstück dieses geschichtlichen Denkmals, das jetzt
in London aufbewahrt wird, ist in Smyrna aufgefunden, aber sofort als aus
Paros stammend erkannt worden. Schon die Marmorart wies auf den Ur^
sprungsort hin.

Diesem berühmten parischen Marmor wollten um? die Unteruehmendcrn
einen Besuch abstatten, während die Mehrzahl einen Spaziergnng in der Ebne
zu irgendeinem Bau aus dem Altertum vorzog. Ich schloß mich der Gebirgs-
expcdition an, weil sie mir das interessantere Ziel zu haben schien, und ich
sollte mich nicht getäuscht haben. Professor Philippsohn übernahm als Gev
graph von Fach die Leitung und Erklärung. Es wurde also in die Stadt
nach Reittieren gesandt, und diese kamen dann auch recht gemächlich an-
getrottet. Da es an Maultieren gebrach, so mußte ich dieses mal mit einem
alten Esel vorlieb nehmen, der noch dazu lähmte; es war eine traurige Nosi-
nante, auf der ich die Zielscheibe des Witzes der jüngern Damen werden
mußte. Zwischen Gärten und Weinbergen ging es auf schmalen, steinigen
Wegen aufwärts, bis wir auf eine öde Hochfläche kamen, wo Steinhaufen und
Schutthalden einen frühern bergiuäuuischen Betrieb bezeugten. Auch gab es
hier noch verfallne Förderhäuschen, Gerätschuppen und mancherlei verrostendes
Eiscngerät, denn es war erst wenig Jahre her, daß eine griechische Gesell¬
schaft den Versuch gemacht hatte, die antiken Marmorbrüche wieder zu eröffnen.
Bald waren ihr jedoch die Mittel ausgegangen, und der Betrieb war wieder
eingestellt worden, noch ehe er recht begonnen hatte. Das ist ja das Elend
in Agrarstnnten, wie Griechenland einer ist. Es fehlt zu allen großen Unter¬
nehmungen an dem nötigen Kapital, und wenn die Leute etwas beginnen, so
haben sie nicht das Geld, das Angefangne auszuführen. Da müssen daun
andre zahlungsfähigere Völker einspringen. Auch diese alten Brüche warten
nnr auf den belebenden goldnen Regen, und sofort werden sie wieder reichen
Ertrag liefern. Eine englische Gesellschaft, hieß es, wolle sich der Sache an¬
nehmen. Welcher Sache auf dem weiten Erdenrund nähmen sich die Engländer
anch nicht an!

Nachdem wir abgestiegen waren, trug uns Herr Philippsohn das Wissens¬
werteste über die geologischen Verhältnisse des Marmors vor. Die Kykladen
bestehn aus zwei Gruppen von Urgestein, aus Gneis und aus Glimmerschiefer.
In beiden Gruppen kommen Marmorlager vor, oft Hunderte von Metern weit.
Die Marmorarten, die sich im Gneis finden, sind älter, klarer und schöner,
die im Glimmerschiefer jünger, trüber und weniger schön. Die Kuppen der
Berge bestehn ebenfalls ans Marmor, daher stammen die langweiligen, sanften


aber, wie es scheint, keine Mönche mehr beherbergt. An dem Kreuzgange
sahen wir die Reste der alten byzantinischen Grabanlagen, schöne marmorne
Monumente, auf denen ehemals die Sarkophage gestanden hatten; auf ihnen
waren dann noch Dächer mit Aufsätzen, und auf diesen wieder Büsten oder
Gruppen. In der Nähe lag anch das kleine Museum für die am Ort gemachten
Funde. In diesem interessierte uns besonders das obenerwähnte Stück des
sogenannten parischen Marmors, das erst drei Jahre vorher entdeckt und in
der Fachliteratur beschrieben worden war. Es steckt ein Stück Geschichte der
Diadochenzeit darin. Das Hnuptstück dieses geschichtlichen Denkmals, das jetzt
in London aufbewahrt wird, ist in Smyrna aufgefunden, aber sofort als aus
Paros stammend erkannt worden. Schon die Marmorart wies auf den Ur^
sprungsort hin.

Diesem berühmten parischen Marmor wollten um? die Unteruehmendcrn
einen Besuch abstatten, während die Mehrzahl einen Spaziergnng in der Ebne
zu irgendeinem Bau aus dem Altertum vorzog. Ich schloß mich der Gebirgs-
expcdition an, weil sie mir das interessantere Ziel zu haben schien, und ich
sollte mich nicht getäuscht haben. Professor Philippsohn übernahm als Gev
graph von Fach die Leitung und Erklärung. Es wurde also in die Stadt
nach Reittieren gesandt, und diese kamen dann auch recht gemächlich an-
getrottet. Da es an Maultieren gebrach, so mußte ich dieses mal mit einem
alten Esel vorlieb nehmen, der noch dazu lähmte; es war eine traurige Nosi-
nante, auf der ich die Zielscheibe des Witzes der jüngern Damen werden
mußte. Zwischen Gärten und Weinbergen ging es auf schmalen, steinigen
Wegen aufwärts, bis wir auf eine öde Hochfläche kamen, wo Steinhaufen und
Schutthalden einen frühern bergiuäuuischen Betrieb bezeugten. Auch gab es
hier noch verfallne Förderhäuschen, Gerätschuppen und mancherlei verrostendes
Eiscngerät, denn es war erst wenig Jahre her, daß eine griechische Gesell¬
schaft den Versuch gemacht hatte, die antiken Marmorbrüche wieder zu eröffnen.
Bald waren ihr jedoch die Mittel ausgegangen, und der Betrieb war wieder
eingestellt worden, noch ehe er recht begonnen hatte. Das ist ja das Elend
in Agrarstnnten, wie Griechenland einer ist. Es fehlt zu allen großen Unter¬
nehmungen an dem nötigen Kapital, und wenn die Leute etwas beginnen, so
haben sie nicht das Geld, das Angefangne auszuführen. Da müssen daun
andre zahlungsfähigere Völker einspringen. Auch diese alten Brüche warten
nnr auf den belebenden goldnen Regen, und sofort werden sie wieder reichen
Ertrag liefern. Eine englische Gesellschaft, hieß es, wolle sich der Sache an¬
nehmen. Welcher Sache auf dem weiten Erdenrund nähmen sich die Engländer
anch nicht an!

Nachdem wir abgestiegen waren, trug uns Herr Philippsohn das Wissens¬
werteste über die geologischen Verhältnisse des Marmors vor. Die Kykladen
bestehn aus zwei Gruppen von Urgestein, aus Gneis und aus Glimmerschiefer.
In beiden Gruppen kommen Marmorlager vor, oft Hunderte von Metern weit.
Die Marmorarten, die sich im Gneis finden, sind älter, klarer und schöner,
die im Glimmerschiefer jünger, trüber und weniger schön. Die Kuppen der
Berge bestehn ebenfalls ans Marmor, daher stammen die langweiligen, sanften


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/350>, abgerufen am 24.11.2024.