""> die Stellung des "Kollegen" so gründlich wie möglich zu untergraben, sind an der Tagesordnung, Namentlich treten die sogenannte Krakauer Rich¬ tung, die echte Schlachtzizeupartei, und die Lemberger Richtung, die eine etwas demokratischere Färbung trägt, hervor, Denn der Polenklnb besteht längst nicht mehr aus lauter Schlachtzizen.
Obwohl der Mittelstand ursprünglich keine altpoluische Einrichtung war, hat doch die fortschreitende Kultur in allen drei polnischen "Anteilen," am meisten in den preußischen Polenprovinzen, am wenigsten in Galizien, eine Art Mittel- stand hervorgebracht, der namentlich in denen seiner Glieder, die eine höhere Bil¬ dung genossen haben, nach politischem Einfluß strebt. Um diesen zu gewinnen, war es notwendig, die bei den Polen allein wirksame Saite, die nationale, anzuspannen. Es ist darum auch in alleu polnischen Gebieten, seitdem Leute aus dem Mittel¬ stände zur Geltung gekommen sind, das Anwachsen der polnischen Agitation zu bemerken. Dieser demokratische Flügel der Polen ist nicht neu, er hat sich schon in frühern Polenbewegungen gezeigt und meist Spaltungen hervorgerufen. Die Schlachtn ist selbstverständlich sein natürlicher Feind, muß aber mehr und '"ehr mit ihm paktieren, will sie überhaupt die Leitung der polnischen Be¬ wegung behalten, und sie muß, um ihn zu übertrumpfen, selbst chauvinistischer auftreten. Das läßt sich in deu letzten Jahren immer deutlicher beobachten. Nach dem Scheitern des Aufstandes von 1363 war man in den leitenden Pvlenkreisen voll der frühern Praxis der "ungefähr aller fünfzehn Jahre sich wiederholenden Insurrektionen zur Auffrischung der Gefühle" -- wie Graf Bismarck sich am 16. März 1867 ausdrückte -- abgekommen und hatte eine neue Taktik eingeschlagen. Zunächst wurde der Krieg gegen drei Fronten auf¬ gegeben, und dann sollte in dem duldsamer Österreich eine einflußreiche politische Stellung geschaffen werden, von der ans man mit desto größerm Nachdruck gegen Rußland lind Preußen vorgehn konnte. Wie sehr das dcutschlibcrale Regime den Polen dabei unbewußt entgegengekommen ist, haben wir schon dargetan. In den siebziger Jahren war es auch schon fast so weit, daß durch polnische Intrigen Österreich und Rußlnud in einen Krieg verwickelt worden wären. Der russisch-türkische Krieg und danach das Bündnis zwischen Deutsch¬ land und Österreich schafften diese politische Lage aus der Welt, und es läßt sich nicht verkennen, daß dieses Bündnis nicht ohne Erwägung der Einwirkung auf die polnische Propaganda abgeschlossen worden ist. Darum hat auch letzthin in Berlin das Auftreten der galizischen Polen wegen der Vorgänge in Wreschen unangenehm berührt. Die galizische Schlachtn war freilich am wenigsten schuld daran. Die eigentlichen Führer, die meist zugleich in Rußland und Galizien begütert sind, haben keineswegs dein großpolnischen Gedanken entsagt, aber sie halten die das Volk dezimierenden Revolten für unklug, da¬ gegen würden sie nichts gegen einen Krieg der Ostmächte untereinander haben, weil dabei der Gedanke der Wiederaufrichtung Polens eine Stelle finden könnte. Zunächst halten sie Preußen für den gefährlichsten Gegner, doch liegt hierin uicht der eigentliche Grund für das Auftreten gegen Preußen, sondern darin, daß dort die Partei der Schlachtzizen, die sogenannte polnische Hofpartei, durch die polnische Demokratie ans allem Einfluß verdrängt worden ist. Darum
»»> die Stellung des „Kollegen" so gründlich wie möglich zu untergraben, sind an der Tagesordnung, Namentlich treten die sogenannte Krakauer Rich¬ tung, die echte Schlachtzizeupartei, und die Lemberger Richtung, die eine etwas demokratischere Färbung trägt, hervor, Denn der Polenklnb besteht längst nicht mehr aus lauter Schlachtzizen.
Obwohl der Mittelstand ursprünglich keine altpoluische Einrichtung war, hat doch die fortschreitende Kultur in allen drei polnischen „Anteilen," am meisten in den preußischen Polenprovinzen, am wenigsten in Galizien, eine Art Mittel- stand hervorgebracht, der namentlich in denen seiner Glieder, die eine höhere Bil¬ dung genossen haben, nach politischem Einfluß strebt. Um diesen zu gewinnen, war es notwendig, die bei den Polen allein wirksame Saite, die nationale, anzuspannen. Es ist darum auch in alleu polnischen Gebieten, seitdem Leute aus dem Mittel¬ stände zur Geltung gekommen sind, das Anwachsen der polnischen Agitation zu bemerken. Dieser demokratische Flügel der Polen ist nicht neu, er hat sich schon in frühern Polenbewegungen gezeigt und meist Spaltungen hervorgerufen. Die Schlachtn ist selbstverständlich sein natürlicher Feind, muß aber mehr und '»ehr mit ihm paktieren, will sie überhaupt die Leitung der polnischen Be¬ wegung behalten, und sie muß, um ihn zu übertrumpfen, selbst chauvinistischer auftreten. Das läßt sich in deu letzten Jahren immer deutlicher beobachten. Nach dem Scheitern des Aufstandes von 1363 war man in den leitenden Pvlenkreisen voll der frühern Praxis der „ungefähr aller fünfzehn Jahre sich wiederholenden Insurrektionen zur Auffrischung der Gefühle" — wie Graf Bismarck sich am 16. März 1867 ausdrückte — abgekommen und hatte eine neue Taktik eingeschlagen. Zunächst wurde der Krieg gegen drei Fronten auf¬ gegeben, und dann sollte in dem duldsamer Österreich eine einflußreiche politische Stellung geschaffen werden, von der ans man mit desto größerm Nachdruck gegen Rußland lind Preußen vorgehn konnte. Wie sehr das dcutschlibcrale Regime den Polen dabei unbewußt entgegengekommen ist, haben wir schon dargetan. In den siebziger Jahren war es auch schon fast so weit, daß durch polnische Intrigen Österreich und Rußlnud in einen Krieg verwickelt worden wären. Der russisch-türkische Krieg und danach das Bündnis zwischen Deutsch¬ land und Österreich schafften diese politische Lage aus der Welt, und es läßt sich nicht verkennen, daß dieses Bündnis nicht ohne Erwägung der Einwirkung auf die polnische Propaganda abgeschlossen worden ist. Darum hat auch letzthin in Berlin das Auftreten der galizischen Polen wegen der Vorgänge in Wreschen unangenehm berührt. Die galizische Schlachtn war freilich am wenigsten schuld daran. Die eigentlichen Führer, die meist zugleich in Rußland und Galizien begütert sind, haben keineswegs dein großpolnischen Gedanken entsagt, aber sie halten die das Volk dezimierenden Revolten für unklug, da¬ gegen würden sie nichts gegen einen Krieg der Ostmächte untereinander haben, weil dabei der Gedanke der Wiederaufrichtung Polens eine Stelle finden könnte. Zunächst halten sie Preußen für den gefährlichsten Gegner, doch liegt hierin uicht der eigentliche Grund für das Auftreten gegen Preußen, sondern darin, daß dort die Partei der Schlachtzizen, die sogenannte polnische Hofpartei, durch die polnische Demokratie ans allem Einfluß verdrängt worden ist. Darum
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»»> die Stellung des „Kollegen" so gründlich wie möglich zu untergraben,
sind an der Tagesordnung, Namentlich treten die sogenannte Krakauer Rich¬
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demokratischere Färbung trägt, hervor, Denn der Polenklnb besteht längst nicht
mehr aus lauter Schlachtzizen.
Obwohl der Mittelstand ursprünglich keine altpoluische Einrichtung war, hat
doch die fortschreitende Kultur in allen drei polnischen „Anteilen," am meisten
in den preußischen Polenprovinzen, am wenigsten in Galizien, eine Art Mittel-
stand hervorgebracht, der namentlich in denen seiner Glieder, die eine höhere Bil¬
dung genossen haben, nach politischem Einfluß strebt. Um diesen zu gewinnen, war
es notwendig, die bei den Polen allein wirksame Saite, die nationale, anzuspannen.
Es ist darum auch in alleu polnischen Gebieten, seitdem Leute aus dem Mittel¬
stände zur Geltung gekommen sind, das Anwachsen der polnischen Agitation zu
bemerken. Dieser demokratische Flügel der Polen ist nicht neu, er hat sich schon
in frühern Polenbewegungen gezeigt und meist Spaltungen hervorgerufen.
Die Schlachtn ist selbstverständlich sein natürlicher Feind, muß aber mehr und
'»ehr mit ihm paktieren, will sie überhaupt die Leitung der polnischen Be¬
wegung behalten, und sie muß, um ihn zu übertrumpfen, selbst chauvinistischer
auftreten. Das läßt sich in deu letzten Jahren immer deutlicher beobachten.
Nach dem Scheitern des Aufstandes von 1363 war man in den leitenden
Pvlenkreisen voll der frühern Praxis der „ungefähr aller fünfzehn Jahre sich
wiederholenden Insurrektionen zur Auffrischung der Gefühle" — wie Graf
Bismarck sich am 16. März 1867 ausdrückte — abgekommen und hatte eine
neue Taktik eingeschlagen. Zunächst wurde der Krieg gegen drei Fronten auf¬
gegeben, und dann sollte in dem duldsamer Österreich eine einflußreiche politische
Stellung geschaffen werden, von der ans man mit desto größerm Nachdruck
gegen Rußland lind Preußen vorgehn konnte. Wie sehr das dcutschlibcrale
Regime den Polen dabei unbewußt entgegengekommen ist, haben wir schon
dargetan. In den siebziger Jahren war es auch schon fast so weit, daß durch
polnische Intrigen Österreich und Rußlnud in einen Krieg verwickelt worden
wären. Der russisch-türkische Krieg und danach das Bündnis zwischen Deutsch¬
land und Österreich schafften diese politische Lage aus der Welt, und es läßt
sich nicht verkennen, daß dieses Bündnis nicht ohne Erwägung der Einwirkung
auf die polnische Propaganda abgeschlossen worden ist. Darum hat auch
letzthin in Berlin das Auftreten der galizischen Polen wegen der Vorgänge
in Wreschen unangenehm berührt. Die galizische Schlachtn war freilich am
wenigsten schuld daran. Die eigentlichen Führer, die meist zugleich in Rußland
und Galizien begütert sind, haben keineswegs dein großpolnischen Gedanken
entsagt, aber sie halten die das Volk dezimierenden Revolten für unklug, da¬
gegen würden sie nichts gegen einen Krieg der Ostmächte untereinander haben,
weil dabei der Gedanke der Wiederaufrichtung Polens eine Stelle finden könnte.
Zunächst halten sie Preußen für den gefährlichsten Gegner, doch liegt hierin
uicht der eigentliche Grund für das Auftreten gegen Preußen, sondern darin,
daß dort die Partei der Schlachtzizen, die sogenannte polnische Hofpartei, durch
die polnische Demokratie ans allem Einfluß verdrängt worden ist. Darum
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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/345>, abgerufen am 24.11.2024.
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