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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Feuer!

Ich schwieg und sah ihn ein. Es kam mir vor, als ob ans seiner Stimme
Unzufriedenheit dnrchklänge.

Sagen Sie, soll ich die Leute entlassen, wegjagen? fragte er ungeduldig.

Ich zuckte die Achseln.

Warum gleich wegjage"!

Was sonst? Durch Gagenabzug strafen? Verweise erteilen? Den Polizei¬
meister um Arrestbefehl bitten?

Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte die Frage nicht erwartet.
Das war ja doch seine Sache. Ich hatte ihm Bericht zu erstatten.

Ich bitte um Antwort, sagte er ziemlich scharf und blieb stehn.

Was war das? Wollte er plötzlich den Vorgesetzten herauskehren, in den
dienstlichen Ton übergehn? Mir sollte es recht sein. Wie man in den Wald
schreit, so hallt es wieder. Ich rückte die Hacken zusammen und legte die Hand
an die Mütze.

Ich habe die Ehre gehabt, meine Meldung zu machen, Herr Aufseher.

Er sah mir scharf in das Gesicht. Dann schüttelte er den Kopf und lächelte.

Wissen Sie, Alexander Andrejewitsch, Sie werden mit der Zeit ein schrecklich
geriebner Polizeibeamter werden. Aber bei mir kommen Sie damit nicht durch.
Zieh" Sie sich uicht hinter das Dienstverhältnis zurück, sondern sagen Sie mir
Ihre Meinung über die Sache. Was würden Sie an meiner Stelle mit den
Leuten tun? Daß Sie sie nicht wegjagen würden, glaube ich schon verstanden
zu haben.

Meine Privatmeinung?

Ach, seien Sie nicht langweilig. Privat oder offiziell, wie Sie wollen, mir
Ihre Meinung.

Dann denke ich, Jemeljan Afanasjewitsch, daß man von den rohen, unge¬
bildeten Leuten tadellosen und selbständig pünktlichen Dienst kaum verlangen darf.
Wenn die Leute aber erst wissen, daß sie immer nnter strenger Aufsicht stehn,
werde" die meiste" von ihnen, hoffe ich, ganz brauchbare Schutzleute sein.

Gott sei Dank! rief er, Sie können sich nicht denken, wie wohl es tut, endlich
einmal ans einen vernünftigen Menschen zu stoßen. Damit liege ich dem Polizei¬
meister immer in den Ohren. Das Wegjagen taugt nichts. Belehren muß man die
Leute, erziehn. Der Mensch versäumt in seinem Unverstand den Dienst. Man
jagt ihn weg, nimmt an seine Stelle einen ebenso Unverständigen und kommt nie
über den Unverstand hinaus. Ich sehe, wir verstehn uns, Alexander Andrejewitsch.
Darum werde ich tun, als ob ich nichts von Ihnen erfahren hätte. Gehn Sie
nach Hause, schlafen Sie bis zum Mittag, und kommen Sie um ein Uhr in das
Stadtteilhaus. Die Leute, die den Stndtdienst gehabt haben, werden dann ver¬
sammelt sein, um zum Nachmittagsdienst kommandiert zu werden. Reden Sie dann
selbst mit ihnen. Loben Sie die, die um ihren Plätzen waren. Ermahnen Sie
die, die schliefen, und so weiter, nach Ihren- Ermessen. Den schlimmsten Exem¬
plaren drohn Sie, daß Sie nächstens mir Meldung machen würden. Die Bestie
aus dem Trinklokal besehen Sie sich. Scheint es Ihnen, daß von dem Kerl keine
Besserung zu erwarten ist, so schreiben Sie den offiziellen Rapport, und ich werde
ihm den Spaß versalzen. Ja so, was den Wirt betrifft -- seien Sie so freundlich,
sprechen Sie im Stadtteilhausc vor, und beauftragen Sie Guido, er solle ihm in
meinem Namen sagen, falls sein Lokal noch einmal über die bestimmte Zeit offen
sei, würde ich es ihm für immer schließen. Und nnn machen Sie, daß Sie zur
Ruhe kommen. (Fortsetzung folgt)




Feuer!

Ich schwieg und sah ihn ein. Es kam mir vor, als ob ans seiner Stimme
Unzufriedenheit dnrchklänge.

Sagen Sie, soll ich die Leute entlassen, wegjagen? fragte er ungeduldig.

Ich zuckte die Achseln.

Warum gleich wegjage»!

Was sonst? Durch Gagenabzug strafen? Verweise erteilen? Den Polizei¬
meister um Arrestbefehl bitten?

Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte die Frage nicht erwartet.
Das war ja doch seine Sache. Ich hatte ihm Bericht zu erstatten.

Ich bitte um Antwort, sagte er ziemlich scharf und blieb stehn.

Was war das? Wollte er plötzlich den Vorgesetzten herauskehren, in den
dienstlichen Ton übergehn? Mir sollte es recht sein. Wie man in den Wald
schreit, so hallt es wieder. Ich rückte die Hacken zusammen und legte die Hand
an die Mütze.

Ich habe die Ehre gehabt, meine Meldung zu machen, Herr Aufseher.

Er sah mir scharf in das Gesicht. Dann schüttelte er den Kopf und lächelte.

Wissen Sie, Alexander Andrejewitsch, Sie werden mit der Zeit ein schrecklich
geriebner Polizeibeamter werden. Aber bei mir kommen Sie damit nicht durch.
Zieh» Sie sich uicht hinter das Dienstverhältnis zurück, sondern sagen Sie mir
Ihre Meinung über die Sache. Was würden Sie an meiner Stelle mit den
Leuten tun? Daß Sie sie nicht wegjagen würden, glaube ich schon verstanden
zu haben.

Meine Privatmeinung?

Ach, seien Sie nicht langweilig. Privat oder offiziell, wie Sie wollen, mir
Ihre Meinung.

Dann denke ich, Jemeljan Afanasjewitsch, daß man von den rohen, unge¬
bildeten Leuten tadellosen und selbständig pünktlichen Dienst kaum verlangen darf.
Wenn die Leute aber erst wissen, daß sie immer nnter strenger Aufsicht stehn,
werde» die meiste» von ihnen, hoffe ich, ganz brauchbare Schutzleute sein.

Gott sei Dank! rief er, Sie können sich nicht denken, wie wohl es tut, endlich
einmal ans einen vernünftigen Menschen zu stoßen. Damit liege ich dem Polizei¬
meister immer in den Ohren. Das Wegjagen taugt nichts. Belehren muß man die
Leute, erziehn. Der Mensch versäumt in seinem Unverstand den Dienst. Man
jagt ihn weg, nimmt an seine Stelle einen ebenso Unverständigen und kommt nie
über den Unverstand hinaus. Ich sehe, wir verstehn uns, Alexander Andrejewitsch.
Darum werde ich tun, als ob ich nichts von Ihnen erfahren hätte. Gehn Sie
nach Hause, schlafen Sie bis zum Mittag, und kommen Sie um ein Uhr in das
Stadtteilhaus. Die Leute, die den Stndtdienst gehabt haben, werden dann ver¬
sammelt sein, um zum Nachmittagsdienst kommandiert zu werden. Reden Sie dann
selbst mit ihnen. Loben Sie die, die um ihren Plätzen waren. Ermahnen Sie
die, die schliefen, und so weiter, nach Ihren- Ermessen. Den schlimmsten Exem¬
plaren drohn Sie, daß Sie nächstens mir Meldung machen würden. Die Bestie
aus dem Trinklokal besehen Sie sich. Scheint es Ihnen, daß von dem Kerl keine
Besserung zu erwarten ist, so schreiben Sie den offiziellen Rapport, und ich werde
ihm den Spaß versalzen. Ja so, was den Wirt betrifft — seien Sie so freundlich,
sprechen Sie im Stadtteilhausc vor, und beauftragen Sie Guido, er solle ihm in
meinem Namen sagen, falls sein Lokal noch einmal über die bestimmte Zeit offen
sei, würde ich es ihm für immer schließen. Und nnn machen Sie, daß Sie zur
Ruhe kommen. (Fortsetzung folgt)




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[0308] Feuer! Ich schwieg und sah ihn ein. Es kam mir vor, als ob ans seiner Stimme Unzufriedenheit dnrchklänge. Sagen Sie, soll ich die Leute entlassen, wegjagen? fragte er ungeduldig. Ich zuckte die Achseln. Warum gleich wegjage»! Was sonst? Durch Gagenabzug strafen? Verweise erteilen? Den Polizei¬ meister um Arrestbefehl bitten? Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte die Frage nicht erwartet. Das war ja doch seine Sache. Ich hatte ihm Bericht zu erstatten. Ich bitte um Antwort, sagte er ziemlich scharf und blieb stehn. Was war das? Wollte er plötzlich den Vorgesetzten herauskehren, in den dienstlichen Ton übergehn? Mir sollte es recht sein. Wie man in den Wald schreit, so hallt es wieder. Ich rückte die Hacken zusammen und legte die Hand an die Mütze. Ich habe die Ehre gehabt, meine Meldung zu machen, Herr Aufseher. Er sah mir scharf in das Gesicht. Dann schüttelte er den Kopf und lächelte. Wissen Sie, Alexander Andrejewitsch, Sie werden mit der Zeit ein schrecklich geriebner Polizeibeamter werden. Aber bei mir kommen Sie damit nicht durch. Zieh» Sie sich uicht hinter das Dienstverhältnis zurück, sondern sagen Sie mir Ihre Meinung über die Sache. Was würden Sie an meiner Stelle mit den Leuten tun? Daß Sie sie nicht wegjagen würden, glaube ich schon verstanden zu haben. Meine Privatmeinung? Ach, seien Sie nicht langweilig. Privat oder offiziell, wie Sie wollen, mir Ihre Meinung. Dann denke ich, Jemeljan Afanasjewitsch, daß man von den rohen, unge¬ bildeten Leuten tadellosen und selbständig pünktlichen Dienst kaum verlangen darf. Wenn die Leute aber erst wissen, daß sie immer nnter strenger Aufsicht stehn, werde» die meiste» von ihnen, hoffe ich, ganz brauchbare Schutzleute sein. Gott sei Dank! rief er, Sie können sich nicht denken, wie wohl es tut, endlich einmal ans einen vernünftigen Menschen zu stoßen. Damit liege ich dem Polizei¬ meister immer in den Ohren. Das Wegjagen taugt nichts. Belehren muß man die Leute, erziehn. Der Mensch versäumt in seinem Unverstand den Dienst. Man jagt ihn weg, nimmt an seine Stelle einen ebenso Unverständigen und kommt nie über den Unverstand hinaus. Ich sehe, wir verstehn uns, Alexander Andrejewitsch. Darum werde ich tun, als ob ich nichts von Ihnen erfahren hätte. Gehn Sie nach Hause, schlafen Sie bis zum Mittag, und kommen Sie um ein Uhr in das Stadtteilhaus. Die Leute, die den Stndtdienst gehabt haben, werden dann ver¬ sammelt sein, um zum Nachmittagsdienst kommandiert zu werden. Reden Sie dann selbst mit ihnen. Loben Sie die, die um ihren Plätzen waren. Ermahnen Sie die, die schliefen, und so weiter, nach Ihren- Ermessen. Den schlimmsten Exem¬ plaren drohn Sie, daß Sie nächstens mir Meldung machen würden. Die Bestie aus dem Trinklokal besehen Sie sich. Scheint es Ihnen, daß von dem Kerl keine Besserung zu erwarten ist, so schreiben Sie den offiziellen Rapport, und ich werde ihm den Spaß versalzen. Ja so, was den Wirt betrifft — seien Sie so freundlich, sprechen Sie im Stadtteilhausc vor, und beauftragen Sie Guido, er solle ihm in meinem Namen sagen, falls sein Lokal noch einmal über die bestimmte Zeit offen sei, würde ich es ihm für immer schließen. Und nnn machen Sie, daß Sie zur Ruhe kommen. (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/308>, abgerufen am 27.11.2024.