Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Nordafrikanische Streifzüge

lauten die possierlichsten Sprünge aus, wobei sich hauptsächlich die großen
Männchen hervortun. Wie sich dann die Sonne dreht, so wandern mich sie
weiter und suchen andre Plätze auf. Besonders früh am Morgen, wenn alles
ruht, und weit und breit kein Laut zu hören ist, kaun man sie leicht sehen, manch¬
mal in ganzen Scharen, und es ist ein wahres Vergnügen, sie zu belauschen.
Jede Minute nehmen sie eine andre Stellung ein. Da sitzen sie und kratzen
sich ganz gemütlich und fressen die großen Eicheln oder zerschlagen andre
Früchte, bald verzehren sie irgendwelche Insekten, in deren Fang sie außer-
ordentlich geschickt sind, und von denen hauptsächlich die Heuschrecken ihnen
ein willkommner Leckerbissen sind; oder sie gähnen lang und tief und kauern
sich schließlich auf einer Felsenkante zusammen. Zuweilen hört man die kleine
Bande vor Behaglichkeit schnurren und knurren -- plötzlich wird das Alarm¬
zeichen gegeben, behutsam erheben sich die ältern und sehen aufmerksam in
die Runde, was es Verdächtiges gebe, während sich die jüngern noch un¬
bekümmert dem Spiel hingeben. Dann ein kurzer gellender Laut der Alten,
und husch! sind sie blitzschnell verschwunden in weiten Sätzen die Felsen hinan,
wo sie sich in einer Höhle verbergen, aus der sie wieder behutsam heraus¬
kriechen, sobald es still geworden ist. -- Ehrlich gesagt, wir sahen keinen
nnzigen Affen, auch wenn wir noch so sehr danach ausgespäht hätten, was
>zur aber nicht taten, denn die auf der Straße vor uns sich immer wieder in
neuen Bildern entwickelnde Szenerie machte wahrhaftig Affen und sogar Löwen
vergessen.

Nach ein paar Stunden wandten wir uns scharf rechts, landeinwärts, in
das Tal des Ueb Agrium, das sich weit gegen den Golf hin öffnet und
gleich beim Eingang einen vollen Blick in seine Waldespracht gewährt, hier
meilenweit nichts als Korkeichen, eine wahre Goldgrube für die Besitzer, die
Kabyleu, die im Schmuck ihrer werktäglichen Burnusse oder halb europäischer
Fetzen wirklichen Goldgräbern nicht unähnlich sehen. Baum für Baum steht
da von stark Mannshöhe ab nach unten entrindet, und man wundert sich,
daß die Bäume diese Behandlung überstehn. Kühl weht es uns entgegen aus
des Tales Gründen, das sich in der Mitte des 112 Kilometer laugen Wegs
(von Bougie bis setis) zu den berühmten 6orA68 ac <ÜQg,g,be4 et ^.Krg. (oder
Akhira), der Schlucht des Todes, Lapin as ig, niort oder I)Mo cle Ironie
genannt, verengt.

Schäumend wälzt der Agrium seine gletschergrünen Wellen dem nahen
Meere zu. Wären nicht die meist fremdartigen Bäume und dann vor allein
die nicht enden "vollenden phantastisch-malerischen Gruppen von Kabulen mit
Kamelen, Pferden, Eseln, die uns immer wieder begegnen, so könnte man sich
in ein schönes waldreiches Tal des Harzes oder des Schwarzwaldes versetzt
fühlen, zumal da, je höher mau kommt, die Luft umso mehr ihr afrikanisches
Wesen abstreift und regelrecht abendländisch kühl und kalt wird.

Die Straße führte uns anfangs auf dem linken Ufer des Flusses, immer
im Bereich des herrlichen Waldes, vor dessen Zweigen wir nicht selten unsre
Hüte schützen mußten, während auf der andern Seite oft in völlig alpiner Tiefe
der Fluß über Felsblöcke dahintoste.


Nordafrikanische Streifzüge

lauten die possierlichsten Sprünge aus, wobei sich hauptsächlich die großen
Männchen hervortun. Wie sich dann die Sonne dreht, so wandern mich sie
weiter und suchen andre Plätze auf. Besonders früh am Morgen, wenn alles
ruht, und weit und breit kein Laut zu hören ist, kaun man sie leicht sehen, manch¬
mal in ganzen Scharen, und es ist ein wahres Vergnügen, sie zu belauschen.
Jede Minute nehmen sie eine andre Stellung ein. Da sitzen sie und kratzen
sich ganz gemütlich und fressen die großen Eicheln oder zerschlagen andre
Früchte, bald verzehren sie irgendwelche Insekten, in deren Fang sie außer-
ordentlich geschickt sind, und von denen hauptsächlich die Heuschrecken ihnen
ein willkommner Leckerbissen sind; oder sie gähnen lang und tief und kauern
sich schließlich auf einer Felsenkante zusammen. Zuweilen hört man die kleine
Bande vor Behaglichkeit schnurren und knurren — plötzlich wird das Alarm¬
zeichen gegeben, behutsam erheben sich die ältern und sehen aufmerksam in
die Runde, was es Verdächtiges gebe, während sich die jüngern noch un¬
bekümmert dem Spiel hingeben. Dann ein kurzer gellender Laut der Alten,
und husch! sind sie blitzschnell verschwunden in weiten Sätzen die Felsen hinan,
wo sie sich in einer Höhle verbergen, aus der sie wieder behutsam heraus¬
kriechen, sobald es still geworden ist. — Ehrlich gesagt, wir sahen keinen
nnzigen Affen, auch wenn wir noch so sehr danach ausgespäht hätten, was
>zur aber nicht taten, denn die auf der Straße vor uns sich immer wieder in
neuen Bildern entwickelnde Szenerie machte wahrhaftig Affen und sogar Löwen
vergessen.

Nach ein paar Stunden wandten wir uns scharf rechts, landeinwärts, in
das Tal des Ueb Agrium, das sich weit gegen den Golf hin öffnet und
gleich beim Eingang einen vollen Blick in seine Waldespracht gewährt, hier
meilenweit nichts als Korkeichen, eine wahre Goldgrube für die Besitzer, die
Kabyleu, die im Schmuck ihrer werktäglichen Burnusse oder halb europäischer
Fetzen wirklichen Goldgräbern nicht unähnlich sehen. Baum für Baum steht
da von stark Mannshöhe ab nach unten entrindet, und man wundert sich,
daß die Bäume diese Behandlung überstehn. Kühl weht es uns entgegen aus
des Tales Gründen, das sich in der Mitte des 112 Kilometer laugen Wegs
(von Bougie bis setis) zu den berühmten 6orA68 ac <ÜQg,g,be4 et ^.Krg. (oder
Akhira), der Schlucht des Todes, Lapin as ig, niort oder I)Mo cle Ironie
genannt, verengt.

Schäumend wälzt der Agrium seine gletschergrünen Wellen dem nahen
Meere zu. Wären nicht die meist fremdartigen Bäume und dann vor allein
die nicht enden »vollenden phantastisch-malerischen Gruppen von Kabulen mit
Kamelen, Pferden, Eseln, die uns immer wieder begegnen, so könnte man sich
in ein schönes waldreiches Tal des Harzes oder des Schwarzwaldes versetzt
fühlen, zumal da, je höher mau kommt, die Luft umso mehr ihr afrikanisches
Wesen abstreift und regelrecht abendländisch kühl und kalt wird.

Die Straße führte uns anfangs auf dem linken Ufer des Flusses, immer
im Bereich des herrlichen Waldes, vor dessen Zweigen wir nicht selten unsre
Hüte schützen mußten, während auf der andern Seite oft in völlig alpiner Tiefe
der Fluß über Felsblöcke dahintoste.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0295" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239851"/>
            <fw type="header" place="top"> Nordafrikanische Streifzüge</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1397" prev="#ID_1396"> lauten die possierlichsten Sprünge aus, wobei sich hauptsächlich die großen<lb/>
Männchen hervortun. Wie sich dann die Sonne dreht, so wandern mich sie<lb/>
weiter und suchen andre Plätze auf. Besonders früh am Morgen, wenn alles<lb/>
ruht, und weit und breit kein Laut zu hören ist, kaun man sie leicht sehen, manch¬<lb/>
mal in ganzen Scharen, und es ist ein wahres Vergnügen, sie zu belauschen.<lb/>
Jede Minute nehmen sie eine andre Stellung ein. Da sitzen sie und kratzen<lb/>
sich ganz gemütlich und fressen die großen Eicheln oder zerschlagen andre<lb/>
Früchte, bald verzehren sie irgendwelche Insekten, in deren Fang sie außer-<lb/>
ordentlich geschickt sind, und von denen hauptsächlich die Heuschrecken ihnen<lb/>
ein willkommner Leckerbissen sind; oder sie gähnen lang und tief und kauern<lb/>
sich schließlich auf einer Felsenkante zusammen. Zuweilen hört man die kleine<lb/>
Bande vor Behaglichkeit schnurren und knurren &#x2014; plötzlich wird das Alarm¬<lb/>
zeichen gegeben, behutsam erheben sich die ältern und sehen aufmerksam in<lb/>
die Runde, was es Verdächtiges gebe, während sich die jüngern noch un¬<lb/>
bekümmert dem Spiel hingeben. Dann ein kurzer gellender Laut der Alten,<lb/>
und husch! sind sie blitzschnell verschwunden in weiten Sätzen die Felsen hinan,<lb/>
wo sie sich in einer Höhle verbergen, aus der sie wieder behutsam heraus¬<lb/>
kriechen, sobald es still geworden ist. &#x2014; Ehrlich gesagt, wir sahen keinen<lb/>
nnzigen Affen, auch wenn wir noch so sehr danach ausgespäht hätten, was<lb/>
&gt;zur aber nicht taten, denn die auf der Straße vor uns sich immer wieder in<lb/>
neuen Bildern entwickelnde Szenerie machte wahrhaftig Affen und sogar Löwen<lb/>
vergessen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1398"> Nach ein paar Stunden wandten wir uns scharf rechts, landeinwärts, in<lb/>
das Tal des Ueb Agrium, das sich weit gegen den Golf hin öffnet und<lb/>
gleich beim Eingang einen vollen Blick in seine Waldespracht gewährt, hier<lb/>
meilenweit nichts als Korkeichen, eine wahre Goldgrube für die Besitzer, die<lb/>
Kabyleu, die im Schmuck ihrer werktäglichen Burnusse oder halb europäischer<lb/>
Fetzen wirklichen Goldgräbern nicht unähnlich sehen. Baum für Baum steht<lb/>
da von stark Mannshöhe ab nach unten entrindet, und man wundert sich,<lb/>
daß die Bäume diese Behandlung überstehn. Kühl weht es uns entgegen aus<lb/>
des Tales Gründen, das sich in der Mitte des 112 Kilometer laugen Wegs<lb/>
(von Bougie bis setis) zu den berühmten 6orA68 ac &lt;ÜQg,g,be4 et ^.Krg. (oder<lb/>
Akhira), der Schlucht des Todes, Lapin as ig, niort oder I)Mo cle Ironie<lb/>
genannt, verengt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1399"> Schäumend wälzt der Agrium seine gletschergrünen Wellen dem nahen<lb/>
Meere zu. Wären nicht die meist fremdartigen Bäume und dann vor allein<lb/>
die nicht enden »vollenden phantastisch-malerischen Gruppen von Kabulen mit<lb/>
Kamelen, Pferden, Eseln, die uns immer wieder begegnen, so könnte man sich<lb/>
in ein schönes waldreiches Tal des Harzes oder des Schwarzwaldes versetzt<lb/>
fühlen, zumal da, je höher mau kommt, die Luft umso mehr ihr afrikanisches<lb/>
Wesen abstreift und regelrecht abendländisch kühl und kalt wird.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1400"> Die Straße führte uns anfangs auf dem linken Ufer des Flusses, immer<lb/>
im Bereich des herrlichen Waldes, vor dessen Zweigen wir nicht selten unsre<lb/>
Hüte schützen mußten, während auf der andern Seite oft in völlig alpiner Tiefe<lb/>
der Fluß über Felsblöcke dahintoste.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0295] Nordafrikanische Streifzüge lauten die possierlichsten Sprünge aus, wobei sich hauptsächlich die großen Männchen hervortun. Wie sich dann die Sonne dreht, so wandern mich sie weiter und suchen andre Plätze auf. Besonders früh am Morgen, wenn alles ruht, und weit und breit kein Laut zu hören ist, kaun man sie leicht sehen, manch¬ mal in ganzen Scharen, und es ist ein wahres Vergnügen, sie zu belauschen. Jede Minute nehmen sie eine andre Stellung ein. Da sitzen sie und kratzen sich ganz gemütlich und fressen die großen Eicheln oder zerschlagen andre Früchte, bald verzehren sie irgendwelche Insekten, in deren Fang sie außer- ordentlich geschickt sind, und von denen hauptsächlich die Heuschrecken ihnen ein willkommner Leckerbissen sind; oder sie gähnen lang und tief und kauern sich schließlich auf einer Felsenkante zusammen. Zuweilen hört man die kleine Bande vor Behaglichkeit schnurren und knurren — plötzlich wird das Alarm¬ zeichen gegeben, behutsam erheben sich die ältern und sehen aufmerksam in die Runde, was es Verdächtiges gebe, während sich die jüngern noch un¬ bekümmert dem Spiel hingeben. Dann ein kurzer gellender Laut der Alten, und husch! sind sie blitzschnell verschwunden in weiten Sätzen die Felsen hinan, wo sie sich in einer Höhle verbergen, aus der sie wieder behutsam heraus¬ kriechen, sobald es still geworden ist. — Ehrlich gesagt, wir sahen keinen nnzigen Affen, auch wenn wir noch so sehr danach ausgespäht hätten, was >zur aber nicht taten, denn die auf der Straße vor uns sich immer wieder in neuen Bildern entwickelnde Szenerie machte wahrhaftig Affen und sogar Löwen vergessen. Nach ein paar Stunden wandten wir uns scharf rechts, landeinwärts, in das Tal des Ueb Agrium, das sich weit gegen den Golf hin öffnet und gleich beim Eingang einen vollen Blick in seine Waldespracht gewährt, hier meilenweit nichts als Korkeichen, eine wahre Goldgrube für die Besitzer, die Kabyleu, die im Schmuck ihrer werktäglichen Burnusse oder halb europäischer Fetzen wirklichen Goldgräbern nicht unähnlich sehen. Baum für Baum steht da von stark Mannshöhe ab nach unten entrindet, und man wundert sich, daß die Bäume diese Behandlung überstehn. Kühl weht es uns entgegen aus des Tales Gründen, das sich in der Mitte des 112 Kilometer laugen Wegs (von Bougie bis setis) zu den berühmten 6orA68 ac <ÜQg,g,be4 et ^.Krg. (oder Akhira), der Schlucht des Todes, Lapin as ig, niort oder I)Mo cle Ironie genannt, verengt. Schäumend wälzt der Agrium seine gletschergrünen Wellen dem nahen Meere zu. Wären nicht die meist fremdartigen Bäume und dann vor allein die nicht enden »vollenden phantastisch-malerischen Gruppen von Kabulen mit Kamelen, Pferden, Eseln, die uns immer wieder begegnen, so könnte man sich in ein schönes waldreiches Tal des Harzes oder des Schwarzwaldes versetzt fühlen, zumal da, je höher mau kommt, die Luft umso mehr ihr afrikanisches Wesen abstreift und regelrecht abendländisch kühl und kalt wird. Die Straße führte uns anfangs auf dem linken Ufer des Flusses, immer im Bereich des herrlichen Waldes, vor dessen Zweigen wir nicht selten unsre Hüte schützen mußten, während auf der andern Seite oft in völlig alpiner Tiefe der Fluß über Felsblöcke dahintoste.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/295
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/295>, abgerufen am 24.11.2024.