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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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den sein Oheim mit einem glühenden Kupferbecken hatte blenden lassen, war
zu den Spaniern geflohen, deren Ärzte ihm die Augenlider lösten, die die Glut
des Veckeus nur zusammengeklebt hatte, sodaß der Geblendete das Augenlicht
wieder erlangte; zum Danke dafür zeigte er ihnen geheime Wege, aus denen
sie dem Feind in den Rücken kommen konnten. Auf dreißig Schiffen verluden
die Spanier die Schätze aus deu Sultanspalästen und deu Moscheen; alles Gold
und Silber, Säulen, Faheneen, Holzschnitzereien sollte nach Spanien gebracht
werden. Als aber die schwer beladuen Schiffe ans dem Hafen ausliefen, wurden
sie von einem schrecklichen Sturm überfallen, und die meisten von ihnen wurden
mit ihren Schätzen vom Meere verschlungen. Im Jahre 1555 begann die Herr¬
schaft der Türken. Dn fiel denn die Herrlichkeit Bougies vollends in Trümmer,
und so bliebs bis in das vorige Jahrhundert. Statt der vormaligen hundert¬
tausend hatte die Stadt 1830 nur noch 2000 Einwohner.

Eine neue Zeit brach an, als sich im Jahre 1833 die Franzosen des
Gebiets bemächtigten, und wie dann am 7. Juni 1865 ein wirklicher Napoleon,
nämlich Kaiser Napoleon der Dritte, mit seinem stolzen Panzergeschwader in
Bougie landete, da konnte das kaiserliche Urteil über die Stadt schon lauten:
Lono'is ssra 6v v6rils uns ach xlu" elmrmg,rak<zö villss as l'^IZeris. Gegen¬
wärtig beträgt die Bevölkerungszahl der Stadt mit Einschluß der nüchstgelegnen
Duars 14000, und sie ist in stetem Wachstum begriffen, besonders seit Bongie
in seinem Wert als Sommers und Winters so überaus angenehmer und ge¬
sunder Kurort ersten Ranges immer mehr erkannt wird.

Die kaiserliche Prophezeiung schien uns in vollem Maß erfüllt zu sein,
als wir mit dem erwachenden Morgen von Bongie weg stundenlang immer
am Rand des Golfs auf die blauen zackigen Berge des Kap Aokas zuführen,
und wir dehnten das darin liegende Lob der Stadt ohne weiteres aus auf
die Berge und Täter, die Wälder lind Wiesen, die Felsen und Klippen, die
uns in wundervollem Wandelbild vors Auge traten. In einem Jahrzehnt,
vielleicht noch früher, wird man überall in der reisenden Kulturwelt wissen,
daß diese Meerstraße von Bongie bis Kap Aokas die berühmtesten Niviera-
straßen an Schönheit erreicht, wenn nicht übertrifft.

Der Weg führt über den Sehet oder Sumannefluß. Fast nordisch heimat¬
lich sehen die Ufer aus, so sorgfältig angebaut und ausgenützt ist alles, wohin
mau schaut. Die Felder alle kanalisiert, unabsehbare Weinpflanzungen in der
Ebne, die die etwas weinfrohe ethnologische Kühnheit eher begreiflich machen
können, wonach von "Bougie" sowohl Siegel als Pfropfen, bonZis und
bouokon, herkommen sollen tdoussiö ^ Wachslicht; Wachs wurde in der Tat
im Mittelalter besonders viel von da ausgeführt). Dieses ganze Gelände
war zur Zeit der französischen Besetzung versumpft. Jetzt konnten wir wohl
dieselbe Üppigkeit und dieselbe landwirtschaftliche Sorgfalt bewundern, wie
sie in der Blütezeit des alten maurischen Bugia oder En-Naccria vorhanden
gewesen sein mochte, und wir glaubten es aufs Wort, daß die besten Orangen
in Algerien hier um Bongie herum gezogen werden.

Auf Pferden und auf Eseln zogen die kabylischen Bauern einher, um ihre
vortrefflichen Erzeugnisse zur Stadt zu bringen- Schwerbeladne Kamele wandeln


Grenzboten I 1903 37

den sein Oheim mit einem glühenden Kupferbecken hatte blenden lassen, war
zu den Spaniern geflohen, deren Ärzte ihm die Augenlider lösten, die die Glut
des Veckeus nur zusammengeklebt hatte, sodaß der Geblendete das Augenlicht
wieder erlangte; zum Danke dafür zeigte er ihnen geheime Wege, aus denen
sie dem Feind in den Rücken kommen konnten. Auf dreißig Schiffen verluden
die Spanier die Schätze aus deu Sultanspalästen und deu Moscheen; alles Gold
und Silber, Säulen, Faheneen, Holzschnitzereien sollte nach Spanien gebracht
werden. Als aber die schwer beladuen Schiffe ans dem Hafen ausliefen, wurden
sie von einem schrecklichen Sturm überfallen, und die meisten von ihnen wurden
mit ihren Schätzen vom Meere verschlungen. Im Jahre 1555 begann die Herr¬
schaft der Türken. Dn fiel denn die Herrlichkeit Bougies vollends in Trümmer,
und so bliebs bis in das vorige Jahrhundert. Statt der vormaligen hundert¬
tausend hatte die Stadt 1830 nur noch 2000 Einwohner.

Eine neue Zeit brach an, als sich im Jahre 1833 die Franzosen des
Gebiets bemächtigten, und wie dann am 7. Juni 1865 ein wirklicher Napoleon,
nämlich Kaiser Napoleon der Dritte, mit seinem stolzen Panzergeschwader in
Bougie landete, da konnte das kaiserliche Urteil über die Stadt schon lauten:
Lono'is ssra 6v v6rils uns ach xlu» elmrmg,rak<zö villss as l'^IZeris. Gegen¬
wärtig beträgt die Bevölkerungszahl der Stadt mit Einschluß der nüchstgelegnen
Duars 14000, und sie ist in stetem Wachstum begriffen, besonders seit Bongie
in seinem Wert als Sommers und Winters so überaus angenehmer und ge¬
sunder Kurort ersten Ranges immer mehr erkannt wird.

Die kaiserliche Prophezeiung schien uns in vollem Maß erfüllt zu sein,
als wir mit dem erwachenden Morgen von Bongie weg stundenlang immer
am Rand des Golfs auf die blauen zackigen Berge des Kap Aokas zuführen,
und wir dehnten das darin liegende Lob der Stadt ohne weiteres aus auf
die Berge und Täter, die Wälder lind Wiesen, die Felsen und Klippen, die
uns in wundervollem Wandelbild vors Auge traten. In einem Jahrzehnt,
vielleicht noch früher, wird man überall in der reisenden Kulturwelt wissen,
daß diese Meerstraße von Bongie bis Kap Aokas die berühmtesten Niviera-
straßen an Schönheit erreicht, wenn nicht übertrifft.

Der Weg führt über den Sehet oder Sumannefluß. Fast nordisch heimat¬
lich sehen die Ufer aus, so sorgfältig angebaut und ausgenützt ist alles, wohin
mau schaut. Die Felder alle kanalisiert, unabsehbare Weinpflanzungen in der
Ebne, die die etwas weinfrohe ethnologische Kühnheit eher begreiflich machen
können, wonach von „Bougie" sowohl Siegel als Pfropfen, bonZis und
bouokon, herkommen sollen tdoussiö ^ Wachslicht; Wachs wurde in der Tat
im Mittelalter besonders viel von da ausgeführt). Dieses ganze Gelände
war zur Zeit der französischen Besetzung versumpft. Jetzt konnten wir wohl
dieselbe Üppigkeit und dieselbe landwirtschaftliche Sorgfalt bewundern, wie
sie in der Blütezeit des alten maurischen Bugia oder En-Naccria vorhanden
gewesen sein mochte, und wir glaubten es aufs Wort, daß die besten Orangen
in Algerien hier um Bongie herum gezogen werden.

Auf Pferden und auf Eseln zogen die kabylischen Bauern einher, um ihre
vortrefflichen Erzeugnisse zur Stadt zu bringen- Schwerbeladne Kamele wandeln


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/293>, abgerufen am 24.11.2024.