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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Das Goldne Vlies;

Den heiligen Andreas, der den Herzögen von Burgund ein Kreuz von
der besondern Form der sogenannten Andreas- oder burgundischen Kreuze ge¬
schenkt haben sollte, sah Herzog Philipp als seinen eigensten Schutz- und Schirm-
Herrn an <Mou so^s Lkünot ^närisu nannte er ihn). Man vermutet, daß sein
Wnhlspruch ^.rckrö n'aur^, der in Goldstickerei ausgeführt mit dem seines Sohnes
Karls des Kühnen: sinpris auf den weißen Atlassäumen des purpurnen
Ordensmantels abwechselt, seine ausschließliche Verehrung dieses Heiligen feierlich
bekräftigen sollte.

Unter dein Goldner Vließ, das der Spruch des Ordens mit einen: Clau-
dianschen Zitat als: ?rst.wir tadorna non vllo bezeichnet, war im Sinne der
Zeit der Lohn ritterlicher Abenteuer und Heldentaten verstanden, eine An¬
schauung, die sich an die Mythe des von Jason und seinen Genossen nach Be¬
stellung so vieler Fährlichkeiten aus Kolchis zurückgebrachten goldnen Widder¬
fells anschloß. Man dürfte kaum irren, wenn man den Wahlspruch des Sohns
-is l'in smxris dahin deutet, daß auch er dem vom Vater aufgestellten Ziel
ritterlich tapfrer Unternehmungen habe zustreben wollen. Dafür, daß das ver¬
altete Zeitwort <zwpr<znclr<z mit sutrsprenärs gleichbedeutend und namentlich
dann im Gebrauche war, wenn es sich um ein Ausgehn auf ritterliche Unter¬
nehmungen handelte, scheint die vou Littre aus Ronsard (Seite 684) für das
Hauptwort oinprlsö angeführte Stelle zu sprechen, wo es heißt: Ug-räis isroni.
et"Zs <zmvi'i.8"zö si böllss, <)us 1ö visil tginxs n'en ssra 1s v^ineiulzur. Auch was
Littre über l'e-inxrjss I'son xsnäiuit sagt, scheint diese Annahme zu bestätigen.

Die blan emaillierten Feuersteine mit Feuerzungen, die nach beiden Seiten
hervorschlagen, diese Feuersteine, ans denen im Wechsel mit ornamentierten Feuer¬
stählen die Ordenskctte der Vließritter zusammengestellt sein sollte, waren das
Emblem der Herzöge von Burgund. Es wurde durch den Sinnsprnch ^.illo dörn
Pnrin et-urunn. urieg-t erläutert, und für die Schwcrtmcigen eines Hauses, das sich
nie wohler fühlte, als wenn es seine und seiner Gegner Helme und Rüstungen
unter den Schlägen der Toledoklingen in hellen Funken aufblitzen sah, Hütte
auch kein Sinnbild bezeichnender sein können als dieses. Uns vom nachge-
kommnen Geschlecht ist nicht bloß diese Art des Bnhurds, sondern auch der
als reichverziertes Handgerät behandelte Feuerstahl so wenig geläufig, daß die
Glieder der Kette dem einen und dem andern neuern Schriftsteller als will¬
kürlich gewählte "Ornamente" gelten. Namentlich ist dies der Fall mit der
obern Hälfte des Anhängers (xiznäslo^us), die bei dem österreichischen Orden
mit einem Drachentöter verziert ist, und von der das durch einen Ring gezogne
goldne Widderfell herabhängt. Auch in einem Handbuche neuern Datums wird
sie uicht als ornmncutierter Fenerstahl, sondern als "gewundner Knoten" be¬
schrieben.

Mag das bei tuit air<Z8s getragne Ordenszeichen vom Goldschmied noch so
klein und zierlich hergestellt worden sein, es beweist doch immer, wenn man
es irgendwo am roten Bande auf eine Hemdenbrust herabhängen sieht, daß
der neben einem stehende schwarze Frack nicht so banal ist, wie man sonst
vielleicht geglaubt hätte, dem: wenn ein Vließritter nicht geradezu Mitglied
eines souveränen Hnnses ist, kann man doch darauf rechnen, daß sein Name


Das Goldne Vlies;

Den heiligen Andreas, der den Herzögen von Burgund ein Kreuz von
der besondern Form der sogenannten Andreas- oder burgundischen Kreuze ge¬
schenkt haben sollte, sah Herzog Philipp als seinen eigensten Schutz- und Schirm-
Herrn an <Mou so^s Lkünot ^närisu nannte er ihn). Man vermutet, daß sein
Wnhlspruch ^.rckrö n'aur^, der in Goldstickerei ausgeführt mit dem seines Sohnes
Karls des Kühnen: sinpris auf den weißen Atlassäumen des purpurnen
Ordensmantels abwechselt, seine ausschließliche Verehrung dieses Heiligen feierlich
bekräftigen sollte.

Unter dein Goldner Vließ, das der Spruch des Ordens mit einen: Clau-
dianschen Zitat als: ?rst.wir tadorna non vllo bezeichnet, war im Sinne der
Zeit der Lohn ritterlicher Abenteuer und Heldentaten verstanden, eine An¬
schauung, die sich an die Mythe des von Jason und seinen Genossen nach Be¬
stellung so vieler Fährlichkeiten aus Kolchis zurückgebrachten goldnen Widder¬
fells anschloß. Man dürfte kaum irren, wenn man den Wahlspruch des Sohns
-is l'in smxris dahin deutet, daß auch er dem vom Vater aufgestellten Ziel
ritterlich tapfrer Unternehmungen habe zustreben wollen. Dafür, daß das ver¬
altete Zeitwort <zwpr<znclr<z mit sutrsprenärs gleichbedeutend und namentlich
dann im Gebrauche war, wenn es sich um ein Ausgehn auf ritterliche Unter¬
nehmungen handelte, scheint die vou Littre aus Ronsard (Seite 684) für das
Hauptwort oinprlsö angeführte Stelle zu sprechen, wo es heißt: Ug-räis isroni.
et«Zs <zmvi'i.8«zö si böllss, <)us 1ö visil tginxs n'en ssra 1s v^ineiulzur. Auch was
Littre über l'e-inxrjss I'son xsnäiuit sagt, scheint diese Annahme zu bestätigen.

Die blan emaillierten Feuersteine mit Feuerzungen, die nach beiden Seiten
hervorschlagen, diese Feuersteine, ans denen im Wechsel mit ornamentierten Feuer¬
stählen die Ordenskctte der Vließritter zusammengestellt sein sollte, waren das
Emblem der Herzöge von Burgund. Es wurde durch den Sinnsprnch ^.illo dörn
Pnrin et-urunn. urieg-t erläutert, und für die Schwcrtmcigen eines Hauses, das sich
nie wohler fühlte, als wenn es seine und seiner Gegner Helme und Rüstungen
unter den Schlägen der Toledoklingen in hellen Funken aufblitzen sah, Hütte
auch kein Sinnbild bezeichnender sein können als dieses. Uns vom nachge-
kommnen Geschlecht ist nicht bloß diese Art des Bnhurds, sondern auch der
als reichverziertes Handgerät behandelte Feuerstahl so wenig geläufig, daß die
Glieder der Kette dem einen und dem andern neuern Schriftsteller als will¬
kürlich gewählte „Ornamente" gelten. Namentlich ist dies der Fall mit der
obern Hälfte des Anhängers (xiznäslo^us), die bei dem österreichischen Orden
mit einem Drachentöter verziert ist, und von der das durch einen Ring gezogne
goldne Widderfell herabhängt. Auch in einem Handbuche neuern Datums wird
sie uicht als ornmncutierter Fenerstahl, sondern als „gewundner Knoten" be¬
schrieben.

Mag das bei tuit air<Z8s getragne Ordenszeichen vom Goldschmied noch so
klein und zierlich hergestellt worden sein, es beweist doch immer, wenn man
es irgendwo am roten Bande auf eine Hemdenbrust herabhängen sieht, daß
der neben einem stehende schwarze Frack nicht so banal ist, wie man sonst
vielleicht geglaubt hätte, dem: wenn ein Vließritter nicht geradezu Mitglied
eines souveränen Hnnses ist, kann man doch darauf rechnen, daß sein Name


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[0027] Das Goldne Vlies; Den heiligen Andreas, der den Herzögen von Burgund ein Kreuz von der besondern Form der sogenannten Andreas- oder burgundischen Kreuze ge¬ schenkt haben sollte, sah Herzog Philipp als seinen eigensten Schutz- und Schirm- Herrn an <Mou so^s Lkünot ^närisu nannte er ihn). Man vermutet, daß sein Wnhlspruch ^.rckrö n'aur^, der in Goldstickerei ausgeführt mit dem seines Sohnes Karls des Kühnen: sinpris auf den weißen Atlassäumen des purpurnen Ordensmantels abwechselt, seine ausschließliche Verehrung dieses Heiligen feierlich bekräftigen sollte. Unter dein Goldner Vließ, das der Spruch des Ordens mit einen: Clau- dianschen Zitat als: ?rst.wir tadorna non vllo bezeichnet, war im Sinne der Zeit der Lohn ritterlicher Abenteuer und Heldentaten verstanden, eine An¬ schauung, die sich an die Mythe des von Jason und seinen Genossen nach Be¬ stellung so vieler Fährlichkeiten aus Kolchis zurückgebrachten goldnen Widder¬ fells anschloß. Man dürfte kaum irren, wenn man den Wahlspruch des Sohns -is l'in smxris dahin deutet, daß auch er dem vom Vater aufgestellten Ziel ritterlich tapfrer Unternehmungen habe zustreben wollen. Dafür, daß das ver¬ altete Zeitwort <zwpr<znclr<z mit sutrsprenärs gleichbedeutend und namentlich dann im Gebrauche war, wenn es sich um ein Ausgehn auf ritterliche Unter¬ nehmungen handelte, scheint die vou Littre aus Ronsard (Seite 684) für das Hauptwort oinprlsö angeführte Stelle zu sprechen, wo es heißt: Ug-räis isroni. et«Zs <zmvi'i.8«zö si böllss, <)us 1ö visil tginxs n'en ssra 1s v^ineiulzur. Auch was Littre über l'e-inxrjss I'son xsnäiuit sagt, scheint diese Annahme zu bestätigen. Die blan emaillierten Feuersteine mit Feuerzungen, die nach beiden Seiten hervorschlagen, diese Feuersteine, ans denen im Wechsel mit ornamentierten Feuer¬ stählen die Ordenskctte der Vließritter zusammengestellt sein sollte, waren das Emblem der Herzöge von Burgund. Es wurde durch den Sinnsprnch ^.illo dörn Pnrin et-urunn. urieg-t erläutert, und für die Schwcrtmcigen eines Hauses, das sich nie wohler fühlte, als wenn es seine und seiner Gegner Helme und Rüstungen unter den Schlägen der Toledoklingen in hellen Funken aufblitzen sah, Hütte auch kein Sinnbild bezeichnender sein können als dieses. Uns vom nachge- kommnen Geschlecht ist nicht bloß diese Art des Bnhurds, sondern auch der als reichverziertes Handgerät behandelte Feuerstahl so wenig geläufig, daß die Glieder der Kette dem einen und dem andern neuern Schriftsteller als will¬ kürlich gewählte „Ornamente" gelten. Namentlich ist dies der Fall mit der obern Hälfte des Anhängers (xiznäslo^us), die bei dem österreichischen Orden mit einem Drachentöter verziert ist, und von der das durch einen Ring gezogne goldne Widderfell herabhängt. Auch in einem Handbuche neuern Datums wird sie uicht als ornmncutierter Fenerstahl, sondern als „gewundner Knoten" be¬ schrieben. Mag das bei tuit air<Z8s getragne Ordenszeichen vom Goldschmied noch so klein und zierlich hergestellt worden sein, es beweist doch immer, wenn man es irgendwo am roten Bande auf eine Hemdenbrust herabhängen sieht, daß der neben einem stehende schwarze Frack nicht so banal ist, wie man sonst vielleicht geglaubt hätte, dem: wenn ein Vließritter nicht geradezu Mitglied eines souveränen Hnnses ist, kann man doch darauf rechnen, daß sein Name

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/27>, abgerufen am 24.11.2024.