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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Die preußisch-italienische Allianz von

erwarteterweise nach dem rechten Flügel der Italiener hinübergezogen hatte,
vertrieb er sich die Zeit damit, daß er, wie Bernhardi wiederholt erzählt, in
einem Cafe saß, sich an Sorbett erfrischte und mit einem seiner Offiziere
Billard spielte. Es gelang Govone, auch noch die Höhe des Belvedere zu er¬
stürmen, und wieder wandte er sich um Verstärkung für seine völlig erschöpften
Truppen an della Rocen. Wieder dieselbe Antwort. In den dringendsten
Worten hatte er den General aufgefordert, aber auch die Ungeduld Bixios und
des Kronprinzen, die gleichfalls unter della Noccas Kommando standen, blieb
ohne Eindruck auf diesen. So gingen bei einem neuen Angriff der verstärkten
Österreicher die eroberten Stellungen wieder verloren, worauf der allgemeine
Rückzug angetreten wurde. Govoue war außer sich; er war überzeugt, daß
er, Hütte er die dringend verlangten Verstärkungen erhalten, Custozza Hütte be
Häupten können, und daß den Österreichern der Sieg entrissen worden wäre. Die
Erregung, in der er war, da er, wie er glaubte, um den Sieg betrogen war,
spiegelt sich lebendig in seinen Tagebuchaufzeichnungen wieder, und ebenso die
unglaubliche Konfusion, in der die Armeelcitung nach Custozza war. Vergebens
riet Govone, den Rückzug aufzuhalten und sofort die Offensive wieder auf¬
zunehmen. Er machte Lamarmora eine heftige Szene, so daß dieser -- es
war in der Nacht vom 25. zum 26. Juni -- zornig aufbrauste. "Ich gehe, er¬
zählt Govone, zu Lamarmora, bitte ihn, beschwöre ihn, mache ihm Vorstellungen,
aber er bleibt beim Rückzug." -- "Sie haben, sagt er, immer Ihren eignen Kopf.
Sie haben ausgezeichnete Ideen, aber Sie sind noch schlimmer als Cialdini. Lassen
Sie die andern auch gelte". Sie haben einen Charakter, der alle Ihre guten
Eigenschaften verdirbt." Auch mit Petitti, dem Generalstabschef Lamarmoras,
gab es erregte Auftritte. Man sagte von Govone, er sei rasend, und wollte
ihn gar nicht mehr anhören. Dem General della Roecu hat er es niemals
verziehn, daß er während der Schlacht, anstatt ihm Hilfe zu schicken, im Cafe
zu Villafranca gesessen hatte. Es entspann sich daraus ein erbitterter Feder¬
krieg, und von seiner dauernden Verfeindung mit della Rocca kann man so¬
wohl in dessen ^utobio^rAtig, al un Vötsrgno wie in dem vorliegenden Buche
zahlreiche Spuren finden.

Auch das tadelte er, daß der Krieg, als eS sich nach Custozza um die
Wiederaufnahme der Operationen handelte, nicht in größerm Stil geführt
wurde. Im Einverständnis mit Bixio legte er den größten Wert auf einen
Vorstoß Garibaldis gegen Trieft, während Cialdini mit dem Hauptheer rasch
durch das Venetianische ins Innere der österreichischen Monarchie Vordringen
sollte. Das war aber ganz gegen den Kopf Lamarmoras, der aus den be
kannten Gründen einer nachdrücklichen Kriegführung widerstrebte und damit eben
das herbeiführte, was Govone vermeiden wollte, nämlich daß Italien vom
Frieden überrascht würde, bevor die Niederlage wieder ausgewetzt wäre. Die
erste (noch verfrühte) Nachricht von der Annahme eines Waffenstillstands durch
Preußen rief in Italien die größte Bestürzung hervor. Govone selbst schrieb
in einem Privatbrief vom 10- Juli: "Gott gebe, daß es nicht wahr sei, aber
ich fürchte nur zu sehr! Eine so gut eingefädelte politische Frage, eine so
günstige militärische und politische Lage -- durch all das einen Strich gemacht


Die preußisch-italienische Allianz von

erwarteterweise nach dem rechten Flügel der Italiener hinübergezogen hatte,
vertrieb er sich die Zeit damit, daß er, wie Bernhardi wiederholt erzählt, in
einem Cafe saß, sich an Sorbett erfrischte und mit einem seiner Offiziere
Billard spielte. Es gelang Govone, auch noch die Höhe des Belvedere zu er¬
stürmen, und wieder wandte er sich um Verstärkung für seine völlig erschöpften
Truppen an della Rocen. Wieder dieselbe Antwort. In den dringendsten
Worten hatte er den General aufgefordert, aber auch die Ungeduld Bixios und
des Kronprinzen, die gleichfalls unter della Noccas Kommando standen, blieb
ohne Eindruck auf diesen. So gingen bei einem neuen Angriff der verstärkten
Österreicher die eroberten Stellungen wieder verloren, worauf der allgemeine
Rückzug angetreten wurde. Govoue war außer sich; er war überzeugt, daß
er, Hütte er die dringend verlangten Verstärkungen erhalten, Custozza Hütte be
Häupten können, und daß den Österreichern der Sieg entrissen worden wäre. Die
Erregung, in der er war, da er, wie er glaubte, um den Sieg betrogen war,
spiegelt sich lebendig in seinen Tagebuchaufzeichnungen wieder, und ebenso die
unglaubliche Konfusion, in der die Armeelcitung nach Custozza war. Vergebens
riet Govone, den Rückzug aufzuhalten und sofort die Offensive wieder auf¬
zunehmen. Er machte Lamarmora eine heftige Szene, so daß dieser — es
war in der Nacht vom 25. zum 26. Juni — zornig aufbrauste. „Ich gehe, er¬
zählt Govone, zu Lamarmora, bitte ihn, beschwöre ihn, mache ihm Vorstellungen,
aber er bleibt beim Rückzug." — „Sie haben, sagt er, immer Ihren eignen Kopf.
Sie haben ausgezeichnete Ideen, aber Sie sind noch schlimmer als Cialdini. Lassen
Sie die andern auch gelte». Sie haben einen Charakter, der alle Ihre guten
Eigenschaften verdirbt." Auch mit Petitti, dem Generalstabschef Lamarmoras,
gab es erregte Auftritte. Man sagte von Govone, er sei rasend, und wollte
ihn gar nicht mehr anhören. Dem General della Roecu hat er es niemals
verziehn, daß er während der Schlacht, anstatt ihm Hilfe zu schicken, im Cafe
zu Villafranca gesessen hatte. Es entspann sich daraus ein erbitterter Feder¬
krieg, und von seiner dauernden Verfeindung mit della Rocca kann man so¬
wohl in dessen ^utobio^rAtig, al un Vötsrgno wie in dem vorliegenden Buche
zahlreiche Spuren finden.

Auch das tadelte er, daß der Krieg, als eS sich nach Custozza um die
Wiederaufnahme der Operationen handelte, nicht in größerm Stil geführt
wurde. Im Einverständnis mit Bixio legte er den größten Wert auf einen
Vorstoß Garibaldis gegen Trieft, während Cialdini mit dem Hauptheer rasch
durch das Venetianische ins Innere der österreichischen Monarchie Vordringen
sollte. Das war aber ganz gegen den Kopf Lamarmoras, der aus den be
kannten Gründen einer nachdrücklichen Kriegführung widerstrebte und damit eben
das herbeiführte, was Govone vermeiden wollte, nämlich daß Italien vom
Frieden überrascht würde, bevor die Niederlage wieder ausgewetzt wäre. Die
erste (noch verfrühte) Nachricht von der Annahme eines Waffenstillstands durch
Preußen rief in Italien die größte Bestürzung hervor. Govone selbst schrieb
in einem Privatbrief vom 10- Juli: „Gott gebe, daß es nicht wahr sei, aber
ich fürchte nur zu sehr! Eine so gut eingefädelte politische Frage, eine so
günstige militärische und politische Lage — durch all das einen Strich gemacht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/138>, abgerufen am 27.11.2024.