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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Die preußisch-italienische Allianz von 1^866

Govone wollte zugleich die Gelegenheit ergreifen, sich dem Kaiser, dein besten
Freund Italiens, dankbar zu erweisen. Er versuchte deshalb, als er nach
Berlin zurückgekehrt war, in diesem Sinn auch dort zu wirken. Am 2. Juni,
also unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges, hatte er seine letzte Unterredung
mit Bismarck, und er berichtete darüber an Lamarmora: Bismarck habe an¬
gedeutet, daß er sich persönlich wohl zu einer Abtretung verstehn könnte
-- es käme nnr darauf an, zu erfahren, was das Minimum der Ansprüche
des Kaisers sei, er wäre bereit, das ganze Land zwischen Rhein und Mosel
an Frankreich abzutreten --, daß aber der König durchaus widerstehe und
sich nur in einem äußersten Augenblick dazu entschließen könnte, wenn es
nämlich in Frage stünde, alles zu gewinnen oder alles zu verlieren. Würde
es sich aber um die ganze Rheingrenze handeln, so wäre es besser, sich mit
Österreich zu vertragen und auf die Herzogtümer und alles andre zu ver¬
zichten. Bismarck hat später, als Lamarmora diesen Bericht veröffentlichte,
und das Zentrum darauf einen Angriff gegen den Reichskanzler gründete, im
Reichstag (Sitzung vom 16. Januar 1874) heftigen Widerspruch gegen die
Dcirstelluug Govones erhoben. Dieser hatte kein Verständnis für das Spiel,
das Bismarck mit der Begehrlichkeit des Kaisers trieb.

Der Ausbruch des Krieges rief Govone wieder um die Spitze seiner
Division. Sobald einmal die Entscheidung der Waffen angerufen war.
mußte Italien aus Loyalität wie im eignen Interesse den Krieg mit allein
Ernst und Nachdruck führen. Dies war wenigstens die Meinung Govones,
der als Diplomat kaum weiter sah als Barral und Lamarmora. sobald es
aber ins Feld ging, ganz Soldat und nnr Soldat war. Noch von Berlin
aus hatte er -- wahrscheinlich im Einverständnis mit den dortigen militärischen
Leitern -- eine Denkschrift an Lamarmora gesandt, worin eine kombinierte
Kriegführung beider Heere vorgeschlagen und begründet war. Lamarmora legte
sie beiseite, er hatte seinen eignen Plan, einen Plan, von dem Govone wenig
erbaut war. Lebhaft tadelte er die von Lamarmora beliebte Zweiteilung der
Armee. Er war für eine energische Aktion des gesamten Heeres, sei es am
Mincio, sei es am untern Po, die von einer unterstützenden Aktion auf Trieft und
von einem in Ungarn zu entfachenden Aufstand begleitet sein sollte, eine Aus¬
dehnung des Kriegsschauplatzes, vor der Lcnnarmoras Gemüt zurückschauderte.
Was eigentlich Lmnarmoras Plan war, das hat Govone. wenigstens nach
Bernhnrdis Darstellung (8. 284). erst durch diesen zwei Jahre später erfahren, als
der Vertrauensmann Moltkes. der preußische "Historiograph." wie Lamarmora
ihn mißächtlich nannte, in seiner zweiten Sendung in Italien verweilte.

An der Schlacht von Custozza hat Govone einen hervorragenden und rühm¬
lichen Anteil genommen. Er führte die neunte Division in dem Armeekorps
della Roeeas und war der Reserve zugeteilt. Im Laufe der Schlacht fiel ihm
aber die Aufgabe zu, Custozza den Österreichern wieder zu entreißen. Das ge¬
lang ihm auch, aber vergebens schickte er nach della Rocca um Verstärkung,
damit er die eroberte Stellung mit frischen Kräften behaupten konnte. Della
Rocca blieb, da er vom Hauptquartier die Weisung erhalten hatte: teuer
orne., ruhig bei Villafranca : statt in den Kampf einzugreifen, der sich un-


Die preußisch-italienische Allianz von 1^866

Govone wollte zugleich die Gelegenheit ergreifen, sich dem Kaiser, dein besten
Freund Italiens, dankbar zu erweisen. Er versuchte deshalb, als er nach
Berlin zurückgekehrt war, in diesem Sinn auch dort zu wirken. Am 2. Juni,
also unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges, hatte er seine letzte Unterredung
mit Bismarck, und er berichtete darüber an Lamarmora: Bismarck habe an¬
gedeutet, daß er sich persönlich wohl zu einer Abtretung verstehn könnte
— es käme nnr darauf an, zu erfahren, was das Minimum der Ansprüche
des Kaisers sei, er wäre bereit, das ganze Land zwischen Rhein und Mosel
an Frankreich abzutreten —, daß aber der König durchaus widerstehe und
sich nur in einem äußersten Augenblick dazu entschließen könnte, wenn es
nämlich in Frage stünde, alles zu gewinnen oder alles zu verlieren. Würde
es sich aber um die ganze Rheingrenze handeln, so wäre es besser, sich mit
Österreich zu vertragen und auf die Herzogtümer und alles andre zu ver¬
zichten. Bismarck hat später, als Lamarmora diesen Bericht veröffentlichte,
und das Zentrum darauf einen Angriff gegen den Reichskanzler gründete, im
Reichstag (Sitzung vom 16. Januar 1874) heftigen Widerspruch gegen die
Dcirstelluug Govones erhoben. Dieser hatte kein Verständnis für das Spiel,
das Bismarck mit der Begehrlichkeit des Kaisers trieb.

Der Ausbruch des Krieges rief Govone wieder um die Spitze seiner
Division. Sobald einmal die Entscheidung der Waffen angerufen war.
mußte Italien aus Loyalität wie im eignen Interesse den Krieg mit allein
Ernst und Nachdruck führen. Dies war wenigstens die Meinung Govones,
der als Diplomat kaum weiter sah als Barral und Lamarmora. sobald es
aber ins Feld ging, ganz Soldat und nnr Soldat war. Noch von Berlin
aus hatte er — wahrscheinlich im Einverständnis mit den dortigen militärischen
Leitern — eine Denkschrift an Lamarmora gesandt, worin eine kombinierte
Kriegführung beider Heere vorgeschlagen und begründet war. Lamarmora legte
sie beiseite, er hatte seinen eignen Plan, einen Plan, von dem Govone wenig
erbaut war. Lebhaft tadelte er die von Lamarmora beliebte Zweiteilung der
Armee. Er war für eine energische Aktion des gesamten Heeres, sei es am
Mincio, sei es am untern Po, die von einer unterstützenden Aktion auf Trieft und
von einem in Ungarn zu entfachenden Aufstand begleitet sein sollte, eine Aus¬
dehnung des Kriegsschauplatzes, vor der Lcnnarmoras Gemüt zurückschauderte.
Was eigentlich Lmnarmoras Plan war, das hat Govone. wenigstens nach
Bernhnrdis Darstellung (8. 284). erst durch diesen zwei Jahre später erfahren, als
der Vertrauensmann Moltkes. der preußische „Historiograph." wie Lamarmora
ihn mißächtlich nannte, in seiner zweiten Sendung in Italien verweilte.

An der Schlacht von Custozza hat Govone einen hervorragenden und rühm¬
lichen Anteil genommen. Er führte die neunte Division in dem Armeekorps
della Roeeas und war der Reserve zugeteilt. Im Laufe der Schlacht fiel ihm
aber die Aufgabe zu, Custozza den Österreichern wieder zu entreißen. Das ge¬
lang ihm auch, aber vergebens schickte er nach della Rocca um Verstärkung,
damit er die eroberte Stellung mit frischen Kräften behaupten konnte. Della
Rocca blieb, da er vom Hauptquartier die Weisung erhalten hatte: teuer
orne., ruhig bei Villafranca : statt in den Kampf einzugreifen, der sich un-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/137>, abgerufen am 27.11.2024.