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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Fmlor!

sogar einen kleinen Seitenhieb gegen Jemeljan Afanasjewitsch fallen, weil dieser
kein Freund davon sei, wegen solcher Kleinigkeiten, wie er sie zu nennen beliebe,
Protokolle aufzunehmen.

Wir kamen allmählich zu der Mitte unsers Stadtteils, die von zwei geraden,
nebeneinander hinlaufenden Straßen durchschnitten wurde, der Berkündigungsstraße
mit der Verkündigungskirche und dem Stadtteilhause und der Steinstraße, der freund¬
lichsten und reinlichsten von allen. Die Straße führte ihren Namen von dem Um¬
stände her, daß sie noch vor kurzem die einzige gepflasterte im Stadtteile gewesen
war. Diese Auskunft erhielt ich später. Jegorow wußte nichts davon. Für den
hatten solche historischen Notizen kein Interesse und keinen praktischen Wert. Beide
Straßen führten zum Flusse, an dessen andern, Ufer der dritte Stadtteil lag, und
vereinigten sich in der entgegengesetzten Richtung außerhalb der Stadt zu einem
großen Landwege. Keine der beiden Straßen wurde durch eine Brücke mit dem
dritten Stadtteile verbunden. Die Brücke war weiter unten, nicht fern von der
Grenze der beide" diesseitigen Stadtteile.

Als wir uns am Ufer hingehend den beiden Straßen näherten, sprachen wir
eben von der Häufigkeit der Feuersbrünste. Jegorow betonte mit Stolz, daß es
in unserm Stadtteile fast gar nicht brenne. Meine Frage, was nach seiner Meinung
als die Hauptursache des Feuers anzusehen sei, schien ihn sehr in Verlegenheit
zu setzen. Diese Frage hatte er sich offenbar noch nie vorgelegt. Die Frage hatte
nach seinen Begriffen wohl auch gar nichts mit dem Dienste zu tun und erschien
ihm vielleicht gar unpassend und naseweis, denn er sah mich unsicher und gewisser¬
maßen tadelnd an, schneuzte sich in ein reines blankarriertes Taschentuch, rückte den
Säbel zurecht und antwortete erst nach langem Bedenken.

Euer Wohlgeboren, sagte er, wie soll man das sagen! Davon ist im Befehl
nichts gewesen. Es fängt an zu brennen, und dann brennt es.

Sollten vielleicht Leute, die ihre Häuser hoch versichert haben, das Feuer
anlegen?

Wir können es nicht wissen, Euer Wohlgeboren. Natürlich, alles ist möglich.

Euer Wohlgeboren, rief er Plötzlich erfreut, vielleicht belieben Sie etwas
darüber zu hören. Bei unserm Richter liegt eben heute eine Sache über Brand¬
stiftung vor.

Eine städtische Sache?

Jawohl, Euer Wohlgeboren, aus unserm Stadtteile.'

Und wer führt die Anklage? Jemand von uns oder von der Hcmptpolizei-
verwaltuug?

Nein, Euer Wohlgeboren, eine Privatklage.

Es war gerade Sitzungszeit. Das Gerichtslokal war, wie Jegorow sagte, in
der Steinstraße. Ich entließ also den Wachtmeister, damit er sich zum Stadtteil¬
hause begebe, und wanderte allein weiter.

Vom Flusse aus kam ich in der Steinstraße an einer Anzahl ziemlich eleganter
Steinhäuser vorbei, die sich zu beiden Seiten hinzogen und nach den Toranfschriften
Edelleuten oder Beamten gehörten. Dann sah ich größere und kleinere Holz¬
gebäude vor mir, die durch Zäune geschieden waren, hinter denen Obstbäume
emporragten. Eines der ersten Holzhäuser zur linken Hand trug den Adler des
Richters. Ich trat ein.

Vorbei an einem Schutzmann in voller Ausrüstung mit Säbel und Revolver
und einem Dorfzehntner mit dem Messingadler auf der Brust, vorbei an den zur
Sitznngszeit für jeden Fall anwesenden Vertretern der Stadt- und der Landpolizei,
gelangte ich aus dem Vorzimmer in den Gerichtssaal. Ich blieb um der Tür stehn,
um nicht zu stören, denn es war gerade ein Verhör im Gange. Es handelte sich
um einen unbedeutenden Diebstahl.

Ich sah mich im Saale um. Vor dem Tische des Richters standen die an
der vorliegenden Sache Beteiligten. Im Zuhörerraum saßen mehrere gutgekleidete


Fmlor!

sogar einen kleinen Seitenhieb gegen Jemeljan Afanasjewitsch fallen, weil dieser
kein Freund davon sei, wegen solcher Kleinigkeiten, wie er sie zu nennen beliebe,
Protokolle aufzunehmen.

Wir kamen allmählich zu der Mitte unsers Stadtteils, die von zwei geraden,
nebeneinander hinlaufenden Straßen durchschnitten wurde, der Berkündigungsstraße
mit der Verkündigungskirche und dem Stadtteilhause und der Steinstraße, der freund¬
lichsten und reinlichsten von allen. Die Straße führte ihren Namen von dem Um¬
stände her, daß sie noch vor kurzem die einzige gepflasterte im Stadtteile gewesen
war. Diese Auskunft erhielt ich später. Jegorow wußte nichts davon. Für den
hatten solche historischen Notizen kein Interesse und keinen praktischen Wert. Beide
Straßen führten zum Flusse, an dessen andern, Ufer der dritte Stadtteil lag, und
vereinigten sich in der entgegengesetzten Richtung außerhalb der Stadt zu einem
großen Landwege. Keine der beiden Straßen wurde durch eine Brücke mit dem
dritten Stadtteile verbunden. Die Brücke war weiter unten, nicht fern von der
Grenze der beide» diesseitigen Stadtteile.

Als wir uns am Ufer hingehend den beiden Straßen näherten, sprachen wir
eben von der Häufigkeit der Feuersbrünste. Jegorow betonte mit Stolz, daß es
in unserm Stadtteile fast gar nicht brenne. Meine Frage, was nach seiner Meinung
als die Hauptursache des Feuers anzusehen sei, schien ihn sehr in Verlegenheit
zu setzen. Diese Frage hatte er sich offenbar noch nie vorgelegt. Die Frage hatte
nach seinen Begriffen wohl auch gar nichts mit dem Dienste zu tun und erschien
ihm vielleicht gar unpassend und naseweis, denn er sah mich unsicher und gewisser¬
maßen tadelnd an, schneuzte sich in ein reines blankarriertes Taschentuch, rückte den
Säbel zurecht und antwortete erst nach langem Bedenken.

Euer Wohlgeboren, sagte er, wie soll man das sagen! Davon ist im Befehl
nichts gewesen. Es fängt an zu brennen, und dann brennt es.

Sollten vielleicht Leute, die ihre Häuser hoch versichert haben, das Feuer
anlegen?

Wir können es nicht wissen, Euer Wohlgeboren. Natürlich, alles ist möglich.

Euer Wohlgeboren, rief er Plötzlich erfreut, vielleicht belieben Sie etwas
darüber zu hören. Bei unserm Richter liegt eben heute eine Sache über Brand¬
stiftung vor.

Eine städtische Sache?

Jawohl, Euer Wohlgeboren, aus unserm Stadtteile.'

Und wer führt die Anklage? Jemand von uns oder von der Hcmptpolizei-
verwaltuug?

Nein, Euer Wohlgeboren, eine Privatklage.

Es war gerade Sitzungszeit. Das Gerichtslokal war, wie Jegorow sagte, in
der Steinstraße. Ich entließ also den Wachtmeister, damit er sich zum Stadtteil¬
hause begebe, und wanderte allein weiter.

Vom Flusse aus kam ich in der Steinstraße an einer Anzahl ziemlich eleganter
Steinhäuser vorbei, die sich zu beiden Seiten hinzogen und nach den Toranfschriften
Edelleuten oder Beamten gehörten. Dann sah ich größere und kleinere Holz¬
gebäude vor mir, die durch Zäune geschieden waren, hinter denen Obstbäume
emporragten. Eines der ersten Holzhäuser zur linken Hand trug den Adler des
Richters. Ich trat ein.

Vorbei an einem Schutzmann in voller Ausrüstung mit Säbel und Revolver
und einem Dorfzehntner mit dem Messingadler auf der Brust, vorbei an den zur
Sitznngszeit für jeden Fall anwesenden Vertretern der Stadt- und der Landpolizei,
gelangte ich aus dem Vorzimmer in den Gerichtssaal. Ich blieb um der Tür stehn,
um nicht zu stören, denn es war gerade ein Verhör im Gange. Es handelte sich
um einen unbedeutenden Diebstahl.

Ich sah mich im Saale um. Vor dem Tische des Richters standen die an
der vorliegenden Sache Beteiligten. Im Zuhörerraum saßen mehrere gutgekleidete


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/112>, abgerufen am 27.11.2024.