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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Feuer!
Erinnerung aus den, russischen jDolizcileben
Alexander Andreas von(Fortsetzung)
2

uf der Straße blieb ich zögernd stehn. Ich hatte vergessen zu fragen,
ob ich mich bei dem Polizeimeister melden müsse.

Wohin befehlen Sie, Euer Wohlgeboren? fragte Jegorow.

Ich sprach meinen Zweifel aus und sah den Wachtmeister prüfend
um. Was würde er, den der Aufseher als beschränkt bezeichnet hatte,
wohl zu der Sache sagen?

Er hieb den Knoten ohne Bedenken durch.

Hat der Aufseher Ihnen keine Anweisung gegeben, Euer Wohlgeboren?
fragte er.

Nein.

Dann belieben Sie nicht hinzugehn, Euer Wohlgeboren.

Der Aufseher wird nicht daran gedacht haben.

Er lächelte überlegen.

Euer Wohlgeboren, der Aufseher denkt an alles. Der vergißt nie etwas. Wenn
er nichts davon gesprochen hat, ist es nicht nötig, daß Sie hingehn.

Sei es, wie du gesagt hast, Jegorow, antwortete ich und machte ihn mit
meinen Wünschen wegen eines Logis bekannt. Er blickte nachdenklich die Straße
auf und ab, nickte plötzlich befriedigt mit den- Kopfe und führte mich an den Rand
der Stadt zu einem Gemüsegärtner, der ein Gartenhnnschen von zwei Stübchen
und einem kleinen Vorzimmer zu vermieten hatte. Die Wohnung lag freilich etwas
weit von dem Stadtteilhause und ganz am Ende des Stadtteils, aber das Hänschen
stand so freundlich und still zwischen alten Obstbäumen, das Innere war reinlich,
und der Preis so gering, daß ich gleich den Handel abschloß. In kaum zwei
Stunden besorgte Jegorow einen jungen Schutzmann als Burschen, schaffte ungewöhu-
uch billig ein gebrauchtes eisernes Bett und die notwendigsten Geräte an, und es
our uoch lange nicht Abend, so lag ich schon völlig eingerichtet in der eignen
-Wohnung und schlief fest und zufrieden.

Als Jegorow am folgenden Morgen gegen sieben Uhr zu mir eintrat und
much schon fertig zum Ausgehn fand, konnte'er sich nicht enthalten, mit beifälligem
lächeln zu bemerkein

Euer Wohlgeboren, Sie werden mit Jemeljan Afanasjewitsch gut auskommen.

Wir machten die Runde durch den Stadtteil. Er wies mir die Wachtposten
und schaute sehr befriedigt drein, als ich gleich von vornherein den wachthabenden
Schutzleuten Bemerkungen wegen ihrer Unsnnberkeit und nnmilitärischen Haltung
zukommen ließ. Er lenkte meine Aufmerksamkeit auf Schenken und Vergnügungs¬
lokale, die wegen verschiednen Unfugs in Verdacht standen. Er deutete im Vor-
übergehn mit Ingrimm auf einige Hänser, deren Besitzer ihm beständigen Ärger
verursachten, weil sie sich den Vorschriften für das Reinigen der Straßen und Höfe
nur mit Widerstreben unterzogen oder sich gar dagegen auflehnten. Er ließ dabei




Feuer!
Erinnerung aus den, russischen jDolizcileben
Alexander Andreas von(Fortsetzung)
2

uf der Straße blieb ich zögernd stehn. Ich hatte vergessen zu fragen,
ob ich mich bei dem Polizeimeister melden müsse.

Wohin befehlen Sie, Euer Wohlgeboren? fragte Jegorow.

Ich sprach meinen Zweifel aus und sah den Wachtmeister prüfend
um. Was würde er, den der Aufseher als beschränkt bezeichnet hatte,
wohl zu der Sache sagen?

Er hieb den Knoten ohne Bedenken durch.

Hat der Aufseher Ihnen keine Anweisung gegeben, Euer Wohlgeboren?
fragte er.

Nein.

Dann belieben Sie nicht hinzugehn, Euer Wohlgeboren.

Der Aufseher wird nicht daran gedacht haben.

Er lächelte überlegen.

Euer Wohlgeboren, der Aufseher denkt an alles. Der vergißt nie etwas. Wenn
er nichts davon gesprochen hat, ist es nicht nötig, daß Sie hingehn.

Sei es, wie du gesagt hast, Jegorow, antwortete ich und machte ihn mit
meinen Wünschen wegen eines Logis bekannt. Er blickte nachdenklich die Straße
auf und ab, nickte plötzlich befriedigt mit den- Kopfe und führte mich an den Rand
der Stadt zu einem Gemüsegärtner, der ein Gartenhnnschen von zwei Stübchen
und einem kleinen Vorzimmer zu vermieten hatte. Die Wohnung lag freilich etwas
weit von dem Stadtteilhause und ganz am Ende des Stadtteils, aber das Hänschen
stand so freundlich und still zwischen alten Obstbäumen, das Innere war reinlich,
und der Preis so gering, daß ich gleich den Handel abschloß. In kaum zwei
Stunden besorgte Jegorow einen jungen Schutzmann als Burschen, schaffte ungewöhu-
uch billig ein gebrauchtes eisernes Bett und die notwendigsten Geräte an, und es
our uoch lange nicht Abend, so lag ich schon völlig eingerichtet in der eignen
-Wohnung und schlief fest und zufrieden.

Als Jegorow am folgenden Morgen gegen sieben Uhr zu mir eintrat und
much schon fertig zum Ausgehn fand, konnte'er sich nicht enthalten, mit beifälligem
lächeln zu bemerkein

Euer Wohlgeboren, Sie werden mit Jemeljan Afanasjewitsch gut auskommen.

Wir machten die Runde durch den Stadtteil. Er wies mir die Wachtposten
und schaute sehr befriedigt drein, als ich gleich von vornherein den wachthabenden
Schutzleuten Bemerkungen wegen ihrer Unsnnberkeit und nnmilitärischen Haltung
zukommen ließ. Er lenkte meine Aufmerksamkeit auf Schenken und Vergnügungs¬
lokale, die wegen verschiednen Unfugs in Verdacht standen. Er deutete im Vor-
übergehn mit Ingrimm auf einige Hänser, deren Besitzer ihm beständigen Ärger
verursachten, weil sie sich den Vorschriften für das Reinigen der Straßen und Höfe
nur mit Widerstreben unterzogen oder sich gar dagegen auflehnten. Er ließ dabei


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[0111] [Abbildung] Feuer! Erinnerung aus den, russischen jDolizcileben Alexander Andreas von(Fortsetzung) 2 uf der Straße blieb ich zögernd stehn. Ich hatte vergessen zu fragen, ob ich mich bei dem Polizeimeister melden müsse. Wohin befehlen Sie, Euer Wohlgeboren? fragte Jegorow. Ich sprach meinen Zweifel aus und sah den Wachtmeister prüfend um. Was würde er, den der Aufseher als beschränkt bezeichnet hatte, wohl zu der Sache sagen? Er hieb den Knoten ohne Bedenken durch. Hat der Aufseher Ihnen keine Anweisung gegeben, Euer Wohlgeboren? fragte er. Nein. Dann belieben Sie nicht hinzugehn, Euer Wohlgeboren. Der Aufseher wird nicht daran gedacht haben. Er lächelte überlegen. Euer Wohlgeboren, der Aufseher denkt an alles. Der vergißt nie etwas. Wenn er nichts davon gesprochen hat, ist es nicht nötig, daß Sie hingehn. Sei es, wie du gesagt hast, Jegorow, antwortete ich und machte ihn mit meinen Wünschen wegen eines Logis bekannt. Er blickte nachdenklich die Straße auf und ab, nickte plötzlich befriedigt mit den- Kopfe und führte mich an den Rand der Stadt zu einem Gemüsegärtner, der ein Gartenhnnschen von zwei Stübchen und einem kleinen Vorzimmer zu vermieten hatte. Die Wohnung lag freilich etwas weit von dem Stadtteilhause und ganz am Ende des Stadtteils, aber das Hänschen stand so freundlich und still zwischen alten Obstbäumen, das Innere war reinlich, und der Preis so gering, daß ich gleich den Handel abschloß. In kaum zwei Stunden besorgte Jegorow einen jungen Schutzmann als Burschen, schaffte ungewöhu- uch billig ein gebrauchtes eisernes Bett und die notwendigsten Geräte an, und es our uoch lange nicht Abend, so lag ich schon völlig eingerichtet in der eignen -Wohnung und schlief fest und zufrieden. Als Jegorow am folgenden Morgen gegen sieben Uhr zu mir eintrat und much schon fertig zum Ausgehn fand, konnte'er sich nicht enthalten, mit beifälligem lächeln zu bemerkein Euer Wohlgeboren, Sie werden mit Jemeljan Afanasjewitsch gut auskommen. Wir machten die Runde durch den Stadtteil. Er wies mir die Wachtposten und schaute sehr befriedigt drein, als ich gleich von vornherein den wachthabenden Schutzleuten Bemerkungen wegen ihrer Unsnnberkeit und nnmilitärischen Haltung zukommen ließ. Er lenkte meine Aufmerksamkeit auf Schenken und Vergnügungs¬ lokale, die wegen verschiednen Unfugs in Verdacht standen. Er deutete im Vor- übergehn mit Ingrimm auf einige Hänser, deren Besitzer ihm beständigen Ärger verursachten, weil sie sich den Vorschriften für das Reinigen der Straßen und Höfe nur mit Widerstreben unterzogen oder sich gar dagegen auflehnten. Er ließ dabei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/111>, abgerufen am 24.11.2024.