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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Line Inselreihe durch das griechische Meer

die allergrößte Zurückhaltung und Sittsamkeit, und nur ihre souuenhaft
leuchtenden großen Augen schweiften mit einem leichten Auflug von Neugier
zu den europäischen Männern und mehr noch zu den Damen hinüber.

Einer von uns, ein schon älterer Herr, brach bei dem Anblick eines ganz
auffallend schönen Mädchens unwillkürlich in die bewundernden Worte aus:
Diese hier ist die eigentliche Schönheit von Mykonos.

Darauf erwiderte Herr Philippsohu erregt: Ich werde hier als Gast¬
freund betrachtet und mich Sie deswegen bitten, solche Äußerungen zu unter¬
lassen. Man kann gar nicht wissen, wie viel Deutsch hier verstanden wird.

Glauben Sie denn, antwortete der Getadelte, daß ein solches Lob, auch
wenn es verstanden würde, bei der Jungfrau Anstoß erregen würde? ,

Allerdings. Sie wissen gar nicht, wie zartfühlend diese Griechinnen sind,
zumal auf deu Juselu.

Es war inzwischen so finster geworden, daß nicht einmal die leuchtende
Schönheit der zartfühleudeu Mykouierinnen die Dunkelheit mehr zu durch¬
dringen vermochte. Auch zogen sich die Frauen jetzt allmählich zurück. Es
blieben nur die Männer und einige halbwüchsige Bengel, die sich alsbald zu
prügeln anfingen. Das hatte für uns keinen Reiz, wir fuhren zum Schiffe
zurück.

Hier erlebten wir bald darauf ein bemerkenswertes Beispiel griechischer
Gastfreundschaft. Einer unsrer Ungarn hatte sich beim Baden im Meer -- die
südlichen Gewässer haben ungeahnte Tücken, wie anch ich sehr bald am eignen
Leib erfahren sollte -- eine Muschel in den Fuß getreten und eine ziemlich
tiefe halbkreisförmige Wunde davongetragen. Anfangs hatten ihn seine Lands¬
leute verbunden, aber die Sache ließ sich doch zu bedenklich an, als daß mau
es bei so dilettantischen Bemühungen hätte bewenden lassen können. Da es
nun in Mykonos einen brauchbaren Arzt geben sollte, so wurde unser Boot
uoch einmal zurückgesandt, diesen Äskulap an Bord zu holen. Er erschien,
verrichtete seine Arbeit und weigerte sich dann, für seine Bemühungen etwas
zu nehmen. Das verbiete ihm die xuiloxemig.. Und doch war er bei nacht¬
schlafender Zeit geholt worden, hatte eine lange Fahrt gemacht und wieder
zurück zu machen -- denn unser Schiff lag ziemlich weit draußen -- und
hatte außerdem sein eignes Verbandzeug mitgebracht. Dennoch ließ er sich
nur mit Mühe bewegen, eine entsprechende Gratifikation anzunehmen. Der
Ungar hatte übrigens großen Nachteil von seinem unheilvollen Bad. Er
mußte beständig an Bord bleiben und den Fuß hochlegen. Von all den Inseln,
die wir noch besuchten, hat er keine betreten. Amphitrite war dem Stcppensohne
nicht hold.




Line Inselreihe durch das griechische Meer

die allergrößte Zurückhaltung und Sittsamkeit, und nur ihre souuenhaft
leuchtenden großen Augen schweiften mit einem leichten Auflug von Neugier
zu den europäischen Männern und mehr noch zu den Damen hinüber.

Einer von uns, ein schon älterer Herr, brach bei dem Anblick eines ganz
auffallend schönen Mädchens unwillkürlich in die bewundernden Worte aus:
Diese hier ist die eigentliche Schönheit von Mykonos.

Darauf erwiderte Herr Philippsohu erregt: Ich werde hier als Gast¬
freund betrachtet und mich Sie deswegen bitten, solche Äußerungen zu unter¬
lassen. Man kann gar nicht wissen, wie viel Deutsch hier verstanden wird.

Glauben Sie denn, antwortete der Getadelte, daß ein solches Lob, auch
wenn es verstanden würde, bei der Jungfrau Anstoß erregen würde? ,

Allerdings. Sie wissen gar nicht, wie zartfühlend diese Griechinnen sind,
zumal auf deu Juselu.

Es war inzwischen so finster geworden, daß nicht einmal die leuchtende
Schönheit der zartfühleudeu Mykouierinnen die Dunkelheit mehr zu durch¬
dringen vermochte. Auch zogen sich die Frauen jetzt allmählich zurück. Es
blieben nur die Männer und einige halbwüchsige Bengel, die sich alsbald zu
prügeln anfingen. Das hatte für uns keinen Reiz, wir fuhren zum Schiffe
zurück.

Hier erlebten wir bald darauf ein bemerkenswertes Beispiel griechischer
Gastfreundschaft. Einer unsrer Ungarn hatte sich beim Baden im Meer — die
südlichen Gewässer haben ungeahnte Tücken, wie anch ich sehr bald am eignen
Leib erfahren sollte — eine Muschel in den Fuß getreten und eine ziemlich
tiefe halbkreisförmige Wunde davongetragen. Anfangs hatten ihn seine Lands¬
leute verbunden, aber die Sache ließ sich doch zu bedenklich an, als daß mau
es bei so dilettantischen Bemühungen hätte bewenden lassen können. Da es
nun in Mykonos einen brauchbaren Arzt geben sollte, so wurde unser Boot
uoch einmal zurückgesandt, diesen Äskulap an Bord zu holen. Er erschien,
verrichtete seine Arbeit und weigerte sich dann, für seine Bemühungen etwas
zu nehmen. Das verbiete ihm die xuiloxemig.. Und doch war er bei nacht¬
schlafender Zeit geholt worden, hatte eine lange Fahrt gemacht und wieder
zurück zu machen — denn unser Schiff lag ziemlich weit draußen — und
hatte außerdem sein eignes Verbandzeug mitgebracht. Dennoch ließ er sich
nur mit Mühe bewegen, eine entsprechende Gratifikation anzunehmen. Der
Ungar hatte übrigens großen Nachteil von seinem unheilvollen Bad. Er
mußte beständig an Bord bleiben und den Fuß hochlegen. Von all den Inseln,
die wir noch besuchten, hat er keine betreten. Amphitrite war dem Stcppensohne
nicht hold.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/110>, abgerufen am 01.09.2024.