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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Eine Inselreihe durch das griechische Meer

ins Haus zurück und machte sein letztes Angebot für drei Napoleons. Diese
zahlte Herr K. und zog erfreut mit Gewebe und Vase ab.

Es wurde auch die höchste Zeit, denn wir wollten nun noch ins Theater
gehn. An den Straßenecken hatten wir nämlich angekündigt gelesen: NagM,
de> oxvLÜon ol'Mri, tü uuzZiilu Uhr-rmniKu 8^nZrg.loof LuäsrmMn, "die Magdn,
das hervorragende Werk des großen deutschen Schriftstellers Sudermnnn," zu
Gunsten dis IM1itöoIrlliÄo8 K^rlas (der schönkünstlerischen Dame) ^it^tsriiiö
Lsrons. Die Namen auf dem Pcrsonenverzeichnis hatten recht seltsame Ge¬
stalt bekommen. Der Oberstleutnant a. D. ZwrKö (schwartze) führte den voll-
klingenden Titel MtisMwAilmt-irellis g^ostia-of, aus Max von Wendlowski
war ein Naximos lZsiräoldsKis geworden, gänzlich korrumpiert war der Pastor
Heffterdingk, der war den Griechen offenbar zu barbarisch gewesen, sie hatten
ihn in einen isröts Llnzltsrtin gewandelt, Klebs und Beckmaini erschienen als
Mlzinxs und NxÄMM, und die Frau Ellrich trat in seltsamer Metamorphose
auf als K^rlg, Ouxried.

Wir betraten das Theater, als das Schauspiel schon begonnen hatte. Das
Publikum wußte natürlich, daß wir Deutsche waren, und machte uns, trotz der
Störung, die wir verursachten, muss höflichste und freundlichste Platz, ganze
Reihen erhoben sich, uns durchzulassen. Man ehrte in uns die Landsleute
des "großen Schriftstellers Sudermann." Die Aufführung selbst war gut und
offenbar sorgfältig einstudiert. Höchst interessant war es, die deutschen Ge¬
stalten des Schauspiels hier gleichsam ins Griechische übersetzt zu sehen. Die
Leidenschaft der Sprache, der Bewegungen, des ganzen Gebarens war durch¬
aus südländisch, die Damen gingen mit ihren Fächern um, wie es unsre nie tun,
weder im Leben noch im Schauspiel. Die seltsamste Gestalt war der Pastor
"Cheltertin," der mit wvhlgedrehtem Schnurrbart und kurzem schwarzem
Röckchen erschien. Das Stück erregte das größte Interesse bei dein zahlreich
versammelten griechischen Publikum. Da wir jedoch von den gesprochnen
Worten selbstverständlich nur herzlich wenig verstanden und uns an dem leiden¬
schaftlichen Gebaren der Agierenden bald satt gesehen hatten, verließen wir
nach dem zweiten Akte das Theater wieder und zogen unter fröhlichem deutschem
Gesänge durch die jetzt in weißem Mondlicht liegenden Straßen der Hermes¬
stadt an das Meer, wo die Barke unser wartete. Ein fröhliches Konvivium
im engern Kreise bei frischgekauften Syrawein vereinigte uns noch bis nach
Mitternacht auf Deck unsers Schiffes. Der erste unangenehme Eindruck, den
die Frechheit der Bootsleute auf uns gemacht hatte, war durch die Liebens¬
würdigkeit der Hermupolitaner völlig verwischt worden, und freundlich glänzten
jetzt, wie zum Abschied, die Lichter am Hafen über die leicht bewegte See zu
uns herüber.

Noch vor Sonnenaufgang setzte sich unser Schiff wieder in Bewegung
und fuhr zunächst auf Tinos (das alte Tenos) zu. Hier landeten wir jedoch
nicht, da die Insel keine nennenswerten Neste des Altertums und nicht
einmal ein Museum hat. Um so interessanter wäre freilich ihr Besuch für
deu Freund des griechischen Volkslebens und der griechischen Sitten, wenigstens
zur Zeit der großen Feste. Ans der Insel steht nämlich eines der größten


Eine Inselreihe durch das griechische Meer

ins Haus zurück und machte sein letztes Angebot für drei Napoleons. Diese
zahlte Herr K. und zog erfreut mit Gewebe und Vase ab.

Es wurde auch die höchste Zeit, denn wir wollten nun noch ins Theater
gehn. An den Straßenecken hatten wir nämlich angekündigt gelesen: NagM,
de> oxvLÜon ol'Mri, tü uuzZiilu Uhr-rmniKu 8^nZrg.loof LuäsrmMn, „die Magdn,
das hervorragende Werk des großen deutschen Schriftstellers Sudermnnn," zu
Gunsten dis IM1itöoIrlliÄo8 K^rlas (der schönkünstlerischen Dame) ^it^tsriiiö
Lsrons. Die Namen auf dem Pcrsonenverzeichnis hatten recht seltsame Ge¬
stalt bekommen. Der Oberstleutnant a. D. ZwrKö (schwartze) führte den voll-
klingenden Titel MtisMwAilmt-irellis g^ostia-of, aus Max von Wendlowski
war ein Naximos lZsiräoldsKis geworden, gänzlich korrumpiert war der Pastor
Heffterdingk, der war den Griechen offenbar zu barbarisch gewesen, sie hatten
ihn in einen isröts Llnzltsrtin gewandelt, Klebs und Beckmaini erschienen als
Mlzinxs und NxÄMM, und die Frau Ellrich trat in seltsamer Metamorphose
auf als K^rlg, Ouxried.

Wir betraten das Theater, als das Schauspiel schon begonnen hatte. Das
Publikum wußte natürlich, daß wir Deutsche waren, und machte uns, trotz der
Störung, die wir verursachten, muss höflichste und freundlichste Platz, ganze
Reihen erhoben sich, uns durchzulassen. Man ehrte in uns die Landsleute
des „großen Schriftstellers Sudermann." Die Aufführung selbst war gut und
offenbar sorgfältig einstudiert. Höchst interessant war es, die deutschen Ge¬
stalten des Schauspiels hier gleichsam ins Griechische übersetzt zu sehen. Die
Leidenschaft der Sprache, der Bewegungen, des ganzen Gebarens war durch¬
aus südländisch, die Damen gingen mit ihren Fächern um, wie es unsre nie tun,
weder im Leben noch im Schauspiel. Die seltsamste Gestalt war der Pastor
„Cheltertin," der mit wvhlgedrehtem Schnurrbart und kurzem schwarzem
Röckchen erschien. Das Stück erregte das größte Interesse bei dein zahlreich
versammelten griechischen Publikum. Da wir jedoch von den gesprochnen
Worten selbstverständlich nur herzlich wenig verstanden und uns an dem leiden¬
schaftlichen Gebaren der Agierenden bald satt gesehen hatten, verließen wir
nach dem zweiten Akte das Theater wieder und zogen unter fröhlichem deutschem
Gesänge durch die jetzt in weißem Mondlicht liegenden Straßen der Hermes¬
stadt an das Meer, wo die Barke unser wartete. Ein fröhliches Konvivium
im engern Kreise bei frischgekauften Syrawein vereinigte uns noch bis nach
Mitternacht auf Deck unsers Schiffes. Der erste unangenehme Eindruck, den
die Frechheit der Bootsleute auf uns gemacht hatte, war durch die Liebens¬
würdigkeit der Hermupolitaner völlig verwischt worden, und freundlich glänzten
jetzt, wie zum Abschied, die Lichter am Hafen über die leicht bewegte See zu
uns herüber.

Noch vor Sonnenaufgang setzte sich unser Schiff wieder in Bewegung
und fuhr zunächst auf Tinos (das alte Tenos) zu. Hier landeten wir jedoch
nicht, da die Insel keine nennenswerten Neste des Altertums und nicht
einmal ein Museum hat. Um so interessanter wäre freilich ihr Besuch für
deu Freund des griechischen Volkslebens und der griechischen Sitten, wenigstens
zur Zeit der großen Feste. Ans der Insel steht nämlich eines der größten


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[0104] Eine Inselreihe durch das griechische Meer ins Haus zurück und machte sein letztes Angebot für drei Napoleons. Diese zahlte Herr K. und zog erfreut mit Gewebe und Vase ab. Es wurde auch die höchste Zeit, denn wir wollten nun noch ins Theater gehn. An den Straßenecken hatten wir nämlich angekündigt gelesen: NagM, de> oxvLÜon ol'Mri, tü uuzZiilu Uhr-rmniKu 8^nZrg.loof LuäsrmMn, „die Magdn, das hervorragende Werk des großen deutschen Schriftstellers Sudermnnn," zu Gunsten dis IM1itöoIrlliÄo8 K^rlas (der schönkünstlerischen Dame) ^it^tsriiiö Lsrons. Die Namen auf dem Pcrsonenverzeichnis hatten recht seltsame Ge¬ stalt bekommen. Der Oberstleutnant a. D. ZwrKö (schwartze) führte den voll- klingenden Titel MtisMwAilmt-irellis g^ostia-of, aus Max von Wendlowski war ein Naximos lZsiräoldsKis geworden, gänzlich korrumpiert war der Pastor Heffterdingk, der war den Griechen offenbar zu barbarisch gewesen, sie hatten ihn in einen isröts Llnzltsrtin gewandelt, Klebs und Beckmaini erschienen als Mlzinxs und NxÄMM, und die Frau Ellrich trat in seltsamer Metamorphose auf als K^rlg, Ouxried. Wir betraten das Theater, als das Schauspiel schon begonnen hatte. Das Publikum wußte natürlich, daß wir Deutsche waren, und machte uns, trotz der Störung, die wir verursachten, muss höflichste und freundlichste Platz, ganze Reihen erhoben sich, uns durchzulassen. Man ehrte in uns die Landsleute des „großen Schriftstellers Sudermann." Die Aufführung selbst war gut und offenbar sorgfältig einstudiert. Höchst interessant war es, die deutschen Ge¬ stalten des Schauspiels hier gleichsam ins Griechische übersetzt zu sehen. Die Leidenschaft der Sprache, der Bewegungen, des ganzen Gebarens war durch¬ aus südländisch, die Damen gingen mit ihren Fächern um, wie es unsre nie tun, weder im Leben noch im Schauspiel. Die seltsamste Gestalt war der Pastor „Cheltertin," der mit wvhlgedrehtem Schnurrbart und kurzem schwarzem Röckchen erschien. Das Stück erregte das größte Interesse bei dein zahlreich versammelten griechischen Publikum. Da wir jedoch von den gesprochnen Worten selbstverständlich nur herzlich wenig verstanden und uns an dem leiden¬ schaftlichen Gebaren der Agierenden bald satt gesehen hatten, verließen wir nach dem zweiten Akte das Theater wieder und zogen unter fröhlichem deutschem Gesänge durch die jetzt in weißem Mondlicht liegenden Straßen der Hermes¬ stadt an das Meer, wo die Barke unser wartete. Ein fröhliches Konvivium im engern Kreise bei frischgekauften Syrawein vereinigte uns noch bis nach Mitternacht auf Deck unsers Schiffes. Der erste unangenehme Eindruck, den die Frechheit der Bootsleute auf uns gemacht hatte, war durch die Liebens¬ würdigkeit der Hermupolitaner völlig verwischt worden, und freundlich glänzten jetzt, wie zum Abschied, die Lichter am Hafen über die leicht bewegte See zu uns herüber. Noch vor Sonnenaufgang setzte sich unser Schiff wieder in Bewegung und fuhr zunächst auf Tinos (das alte Tenos) zu. Hier landeten wir jedoch nicht, da die Insel keine nennenswerten Neste des Altertums und nicht einmal ein Museum hat. Um so interessanter wäre freilich ihr Besuch für deu Freund des griechischen Volkslebens und der griechischen Sitten, wenigstens zur Zeit der großen Feste. Ans der Insel steht nämlich eines der größten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/104>, abgerufen am 27.11.2024.