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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Line Inselreihe durch das griechische Meer

noch durch die schönen Palmen auf der Platia verstärkt wird. Hier erquickten
wir uns bei rauschendem Regen an Kaffee, Wein und Lukumi. Dann gings
natürlich in das Museum, wo uns ein uralter Grabstein mit pflugsörmiger
Inschrift erbaute. Auch Kirchen wurden besichtigt. Zum Besteigen eines der
beiden Stadthügel war jedoch keine Zeit vorhanden. Nachdem ich noch mit
zwei wackern Genossen in einer von oben bis unten mit Fässern und Flaschen¬
regalen besetzten engen Hafenkneipe gesessen, mit den Hermnpolitancrn frater¬
nisiert und eine große ehemalige Petroleumflasche zu meinem Privatgebrauch
voll feurigen Syraweins hatte füllen lassen, kehrten wir, um das Abendbrot
nicht zu versäumen, zum Schiffe zurück.

Nach Tische wurde eine zweite Expedition an Land veranstaltet. Herr
Bruckner hatte einen Spazierstock, der mit 1,25 Drachmen ausgezeichnet war,
mit 1,50 bezahlt und wollte nun einmal sehen, ob die geschäftliche Ehrlichkeit
der Hermupolitcmer soweit ginge, daß man ihm die 25 Lepta (etwa 13 Pfennige)
zurückgäbe. Er erlangte das auch durch Berufung auf die vielgerühmte
griechische "Philoxenia" (Gastfreundschaft), in Italien Hütte man ein solches
Ansinnen unter höflichsten Wortschwall abgelehnt. Darauf kam ein zweiter
Handel an die Reihe. Es war nämlich samt seiner freundlichen Gattin ein
schon ziemlich betagter, aber noch recht rüstiger Herr K. bei uns, ein Seiden¬
fabrikant aus der Rheinprovinz, der mit Glücksgütern einigermaßen gesegnet
war. Dieser besaß eine Sammlung merkwürdiger Kunstgewebe und bat Herrn
Bruckner, er möge sich doch, da er des Griechischen mächtig sei, erkundigen,
ob hier irgendwo solche Arbeiten käuflich seien. Man brachte uns zu einem
Hause, dessen Besitzer uns, da die Ladentür schon geschlossen war, durch das
Schlafzimmer in die gute Stube führte. In der Kammer lagen zwei kleine
Inselgriechen schon in den Betten. Ihre Mutter küßte sie mit einem lieb¬
kosenden in-es'A imo. (meine Augen) und schloß sich uns dann an. Sie war
eine prachtvolle Erscheinung, groß und schlank wie das Palmreis, das Odysseus
einst auf Delos gesehen hatte, und der Hera vergleichbar durch die strahlende
Größe ihrer Augen. Durch diese leitete sie, an der Tür stehend, den ganzen
sich nun entwickelndei, Handel. Ihr Mann brachte einige herrliche Hand¬
webereien und Stickereien herbei, die sicher über hundert Jahre alt waren
und Herrn K. offenbar in die Augen stachen. Außerdem bot er einen schönen
Dolch und eine Vase mit seltsamen, silbernem Mundstück zum Verkauf an.
Das Geschäft kam aber nur sehr langsam vom Fleck. Der Mann schaute
immer nach den Augen seiner Frau und beobachtete ängstlich, ob sie die
Brauen verneinend hochzog oder bejahend senkte. Meistens tat sie das erste,
sowie sich aber Herr K. an sie direkt wandte, wehrte sie mit einem loin"
(ich bin nur die Gattin) ab. Ist dies nicht die Art der Frauen
bei allen Völkern und in allen Zeitaltern? Sie regieren, vermeiden aber
ängstlich den Schein des Regierens. 5err K. gab die Waffe schließlich ans.
weil sie allein hundert Goldfranken kosten sollte, für das Gewebe und die Vase
sollte er fünf Napoleons zahlen, wollte aber nur zwei geben. Wir waren
schon wieder auf der Straße und hatten die Abschiedsgrüße ausgetauscht, da
zog der Grieche, jedenfalls auf einen Wink seiner Gattin, Herrn K. noch einmal


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noch durch die schönen Palmen auf der Platia verstärkt wird. Hier erquickten
wir uns bei rauschendem Regen an Kaffee, Wein und Lukumi. Dann gings
natürlich in das Museum, wo uns ein uralter Grabstein mit pflugsörmiger
Inschrift erbaute. Auch Kirchen wurden besichtigt. Zum Besteigen eines der
beiden Stadthügel war jedoch keine Zeit vorhanden. Nachdem ich noch mit
zwei wackern Genossen in einer von oben bis unten mit Fässern und Flaschen¬
regalen besetzten engen Hafenkneipe gesessen, mit den Hermnpolitancrn frater¬
nisiert und eine große ehemalige Petroleumflasche zu meinem Privatgebrauch
voll feurigen Syraweins hatte füllen lassen, kehrten wir, um das Abendbrot
nicht zu versäumen, zum Schiffe zurück.

Nach Tische wurde eine zweite Expedition an Land veranstaltet. Herr
Bruckner hatte einen Spazierstock, der mit 1,25 Drachmen ausgezeichnet war,
mit 1,50 bezahlt und wollte nun einmal sehen, ob die geschäftliche Ehrlichkeit
der Hermupolitcmer soweit ginge, daß man ihm die 25 Lepta (etwa 13 Pfennige)
zurückgäbe. Er erlangte das auch durch Berufung auf die vielgerühmte
griechische „Philoxenia" (Gastfreundschaft), in Italien Hütte man ein solches
Ansinnen unter höflichsten Wortschwall abgelehnt. Darauf kam ein zweiter
Handel an die Reihe. Es war nämlich samt seiner freundlichen Gattin ein
schon ziemlich betagter, aber noch recht rüstiger Herr K. bei uns, ein Seiden¬
fabrikant aus der Rheinprovinz, der mit Glücksgütern einigermaßen gesegnet
war. Dieser besaß eine Sammlung merkwürdiger Kunstgewebe und bat Herrn
Bruckner, er möge sich doch, da er des Griechischen mächtig sei, erkundigen,
ob hier irgendwo solche Arbeiten käuflich seien. Man brachte uns zu einem
Hause, dessen Besitzer uns, da die Ladentür schon geschlossen war, durch das
Schlafzimmer in die gute Stube führte. In der Kammer lagen zwei kleine
Inselgriechen schon in den Betten. Ihre Mutter küßte sie mit einem lieb¬
kosenden in-es'A imo. (meine Augen) und schloß sich uns dann an. Sie war
eine prachtvolle Erscheinung, groß und schlank wie das Palmreis, das Odysseus
einst auf Delos gesehen hatte, und der Hera vergleichbar durch die strahlende
Größe ihrer Augen. Durch diese leitete sie, an der Tür stehend, den ganzen
sich nun entwickelndei, Handel. Ihr Mann brachte einige herrliche Hand¬
webereien und Stickereien herbei, die sicher über hundert Jahre alt waren
und Herrn K. offenbar in die Augen stachen. Außerdem bot er einen schönen
Dolch und eine Vase mit seltsamen, silbernem Mundstück zum Verkauf an.
Das Geschäft kam aber nur sehr langsam vom Fleck. Der Mann schaute
immer nach den Augen seiner Frau und beobachtete ängstlich, ob sie die
Brauen verneinend hochzog oder bejahend senkte. Meistens tat sie das erste,
sowie sich aber Herr K. an sie direkt wandte, wehrte sie mit einem loin«
(ich bin nur die Gattin) ab. Ist dies nicht die Art der Frauen
bei allen Völkern und in allen Zeitaltern? Sie regieren, vermeiden aber
ängstlich den Schein des Regierens. 5err K. gab die Waffe schließlich ans.
weil sie allein hundert Goldfranken kosten sollte, für das Gewebe und die Vase
sollte er fünf Napoleons zahlen, wollte aber nur zwei geben. Wir waren
schon wieder auf der Straße und hatten die Abschiedsgrüße ausgetauscht, da
zog der Grieche, jedenfalls auf einen Wink seiner Gattin, Herrn K. noch einmal


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/103>, abgerufen am 27.11.2024.