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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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dann gab es nichts einzuziehn, und ans alle Fälle blieben die Güter dem
Erben erhalten.

Dem Könige mußten solche Fideikommisse unter den Umständen als ein
Mißbrauch erscheinen, und nicht minder sahen die großen Lehnsherren das
neue Verfahren mit scheelen Augen an, dn die Pflegschaft als juristische Person
niemals zu Ende kam, und ihnen so die Lehnware entging, die übliche Abgabe
beim Wechsel des Lehninhabers. Das Lwwts c"l UsW vom Jahre 1535 sollte
dem entgegentreten und die Heimlichkeit der Landnbertragnng verhindern. Aber
wieder hatte die Gesetzgebung ohne die Advokaten gerechnet, die findig genug
waren, die Absichten "des Gesetzes zu vereiteln. Die ganze Geschichte des
Bodenrechts in England ist ein Kampf zwischen der Gesetzgebung und den
Nechtsanwälten, wo kein Teil einen vollen Sieg davongetragen hat. Was
den Anwälten und den aus ihnen hervorgegangnen Richtern an dem Lwww
"l llss" mißfiel, wurde umgangen, wo es zu umgehn war, und als eine Art
Kompromiß wurde das überaus kunstvolle Verfahren in Landsacheu ausgebaut,
das für den Unkundigen oder Unvorsichtigen voller Fallen ist, aber noch heute,
obwohl etwas vereinfacht, in Blüte steht.

Einer Bindung des Landes auf unbegrenzte Zeit stand die ganze juristische
Schule entgegen, weil damit der größte Teil einer weltlichen toten Hand ver¬
fallen wäre. ' Seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ist der Grundsatz
nicht "lehr angefochten worden, daß niemand befugt ist, das Verfügungsrecht
"och nicht geborner Personen zu beschränken. Ein Fideikommiß hat sonnt
Giltigkeit bloß für die Lebensdauer der Urheber, und darüber hinaus nur bis
zur Volljährigkeit des Erben, also höchstens etwas über einundzwanzig Jahre.

Der Plan eines englischen Fideikommisses ist etwa folgender. ^ über¬
antwortet seine Güter an die Fideikommißpfleger (trustsss) und bestimmt, daß
sein Sohn ZZ ihm im Genusse folgen soll, auf L dessen ältester Sohn mit
Vorbehalt des Erbrechts der andern Söhne von L. Hier ist angenommen, daß L
schon mündig ist und sich selbst durch Unterzeichnung des Vertrags bindet. Es
ist gleichgiltig, ob 0 schon geboren ist oder nicht. Wenn nun 0 volljährig
wird, so'kann er das Fideikommiß aufheben, soweit es seine eignen Nach¬
kommen betrifft, kann aber die Rechte der Agnaten nicht beiseite setzen. Er
Wun also, da er selbst nur den Nießbrauch hat, die Güter nicht veräußern,
sondern bloß, falls er selbst einen Sohn hat, diesem die Freiheit eines Ver¬
kaufs g^ben. Da es aber die Absicht ist, die Güter in der Familie zu er¬
halten, so errichten L und L ein neues Fideikommiß, das anch 0s Sohn v
"ur den lebenslänglichen Nießbrauch giebt. In derselben Weise wird und dem
Heranwachsen jedes neuen Geschlechts verfahren. Eine landesherrliche Ge¬
nehmigung ist nicht nötig zu einem solchen Familienabkommen, und solange es
erneuert wird, siud die Güter unveräußerlich und können für Schulden labt
haftbar gemacht werdeu.

In der Hauptsache haben also die Feudalherren ihre Absicht erreicht. Die
Juristen haben die Bindung des Landes ans unbegrenzte Zeit verhindert,
doch die allgemeine Politik der Familien hält es gebunden, und bei weitem
größte Teil des ganzen englischen Bodens ist thatsächlich Fideikommiß.


dann gab es nichts einzuziehn, und ans alle Fälle blieben die Güter dem
Erben erhalten.

Dem Könige mußten solche Fideikommisse unter den Umständen als ein
Mißbrauch erscheinen, und nicht minder sahen die großen Lehnsherren das
neue Verfahren mit scheelen Augen an, dn die Pflegschaft als juristische Person
niemals zu Ende kam, und ihnen so die Lehnware entging, die übliche Abgabe
beim Wechsel des Lehninhabers. Das Lwwts c»l UsW vom Jahre 1535 sollte
dem entgegentreten und die Heimlichkeit der Landnbertragnng verhindern. Aber
wieder hatte die Gesetzgebung ohne die Advokaten gerechnet, die findig genug
waren, die Absichten "des Gesetzes zu vereiteln. Die ganze Geschichte des
Bodenrechts in England ist ein Kampf zwischen der Gesetzgebung und den
Nechtsanwälten, wo kein Teil einen vollen Sieg davongetragen hat. Was
den Anwälten und den aus ihnen hervorgegangnen Richtern an dem Lwww
»l llss« mißfiel, wurde umgangen, wo es zu umgehn war, und als eine Art
Kompromiß wurde das überaus kunstvolle Verfahren in Landsacheu ausgebaut,
das für den Unkundigen oder Unvorsichtigen voller Fallen ist, aber noch heute,
obwohl etwas vereinfacht, in Blüte steht.

Einer Bindung des Landes auf unbegrenzte Zeit stand die ganze juristische
Schule entgegen, weil damit der größte Teil einer weltlichen toten Hand ver¬
fallen wäre. ' Seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ist der Grundsatz
nicht »lehr angefochten worden, daß niemand befugt ist, das Verfügungsrecht
"och nicht geborner Personen zu beschränken. Ein Fideikommiß hat sonnt
Giltigkeit bloß für die Lebensdauer der Urheber, und darüber hinaus nur bis
zur Volljährigkeit des Erben, also höchstens etwas über einundzwanzig Jahre.

Der Plan eines englischen Fideikommisses ist etwa folgender. ^ über¬
antwortet seine Güter an die Fideikommißpfleger (trustsss) und bestimmt, daß
sein Sohn ZZ ihm im Genusse folgen soll, auf L dessen ältester Sohn mit
Vorbehalt des Erbrechts der andern Söhne von L. Hier ist angenommen, daß L
schon mündig ist und sich selbst durch Unterzeichnung des Vertrags bindet. Es
ist gleichgiltig, ob 0 schon geboren ist oder nicht. Wenn nun 0 volljährig
wird, so'kann er das Fideikommiß aufheben, soweit es seine eignen Nach¬
kommen betrifft, kann aber die Rechte der Agnaten nicht beiseite setzen. Er
Wun also, da er selbst nur den Nießbrauch hat, die Güter nicht veräußern,
sondern bloß, falls er selbst einen Sohn hat, diesem die Freiheit eines Ver¬
kaufs g^ben. Da es aber die Absicht ist, die Güter in der Familie zu er¬
halten, so errichten L und L ein neues Fideikommiß, das anch 0s Sohn v
"ur den lebenslänglichen Nießbrauch giebt. In derselben Weise wird und dem
Heranwachsen jedes neuen Geschlechts verfahren. Eine landesherrliche Ge¬
nehmigung ist nicht nötig zu einem solchen Familienabkommen, und solange es
erneuert wird, siud die Güter unveräußerlich und können für Schulden labt
haftbar gemacht werdeu.

In der Hauptsache haben also die Feudalherren ihre Absicht erreicht. Die
Juristen haben die Bindung des Landes ans unbegrenzte Zeit verhindert,
doch die allgemeine Politik der Familien hält es gebunden, und bei weitem
größte Teil des ganzen englischen Bodens ist thatsächlich Fideikommiß.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/81>, abgerufen am 01.09.2024.