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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Bolivia hat einmal mit Erfolg Truppen gegen die Abenteurer aufgeboten und dann
das ganze Gebiet mit allen obrigkeitlichen Rechten auf 99 Jahre an einen nord¬
amerikanischen Trust perpachtet. Wenn etwas im Süden verhaßt und gefürchtet
ist, so sind es die Dankeetrusts. Brasilien bestreitet nun mit verdoppeltem Nach¬
druck Bolivien das Recht, das Gebiet von Acre zu verpachten. Inzwischen ist
Galvez mit seiner Bande zur offnen Erklärung der Republik Acre übergegangen.

Kleiner sind die nordamerikanischen Eingriffe in Kolumbien. Auch dort tobt
wie in Venezuela die Revolution. Nun haben sich die Vereinigten Staaten das
große Verdienst erworben, durch Ausschiffung von Truppen in Panama und Colon
den Jsthmnsverkehr zu sichern. Kolumbien sieht das aber als eine unerlaubte Ein¬
mischung an und rächt sich, indem es erhöhte Forderungen für den Ban des
Panamakanals ausstellt. Chile liegt in einem alten Streit mit seinem nördlichen
Nachbar Pern. Es hat sich erst bereit erklärt, den panamerikanischen Kongreß zu
beschicken, nachdem ihm perbürgt worden war, daß sein Streit mit Peru nicht vor
das Schiedsgericht dieses Kongresses gezogen werden sollte. Mit unverbrüchlicher
Konsequenz hat Argentinien jegliche Annäherung an die Union zurückgewiesen.
Freundschaft und Kundschaft Europas sind ihm viel wichtiger. Venezuela allein
wendet sich jetzt an die Bereinigten Staaten, aber offenbar nur unter dem Druck
einer augenblicklichen Notlage.

Man sieht also nahezu ganz Südamerika mit Abneigung jeden Versuch, eine
Vormundschaft des Nordens zu errichte", abwehre". Europäische Bestrebungen,
es darin zu unterstützen, sind keineswegs aussichtslos. Man kann sagen, daß sich
die Verhältnisse völlig umgekehrt haben. Von Europa geht kein Versuch mehr aus,
die Unabhängigkeit Südamerikas anzutasten, vielmehr gebietet das eigue Interesse
Europas, diese mit allen Kräften zu stützen und zu kräftigen. Und dabei sind die
europäischen Interessen solidarisch. Keine Macht könnte es sich als einen Vorteil
deuten, wen" ein Teil Süd- oder Mittelamerikas unter die "Kontrolle" der Ver¬
einigte" Staaten gelangte. Denn, ob ausgesprochen oder unausgesprochen, deren
Tendenz geht immer dahin, dnrch Zölle und andre Abwehrmaßregeln die euro¬
päische Konkurrenz fern zu holten und den Markt allein in Beschlag zu nehmen.
Bleiben die süd- und die mittelamerikanischen Staaten nnabhnngig, so konkurrieren
Europa und Nordamerika uuter gleichen Bedingungen.

Allen den Republiken ist die Kundschaft Enropas um ein Vielfaches wichtiger
als die der Bereinigten Staaten, und so werde" sie n"f die Dauer diesen frei¬
willig keine Vorzugstarife einräumen. Die jetzige nordamerikanische Regierung hat
sicherlich keinerlei aggressive Absichten gegen die südlichen Republiken. Was aber
einst an ihrer Stelle in Washington regieren wird, weiß kein Mensch. Und da
ist es doch für Deutschland und England als den beiden hauptsächlichsten Ausfuhr¬
ländern, dann aber auch für Frankreich, Belgien, Spanien, Italien geboten, mit
alle" Mitteln auf den Schutz der Unabhängigkeit Süd- und Mittelamcrikns hin¬
zuwirken. Die Mouroedoktrin wird jetzt uicht von Europa bedroht, pielmehr
geradezu geschützt. Nur muß mau sie dahin interpretieren: Amerika nicht den Nord¬
amerikaner", sonder" Nordamerika den Nordamerikanern, Südamerika den Süd-
cunerikaueru.

Ihren wirksamsten Schutz müssen die südlichen Republiken in der Hebung
ihrer Staaten suchen. Wege, wie sie Präsident Castro einschlägt, müsse" gerade
ihnen z"in Verderben gereichen. Dmi Aufruhr und den, Bürgerkriege muß ein
Ende gemacht werden. Reformen im ganze" Stnatsgefüge müssen es unmöglich
mache", daß sich Präsidenten und Machthaber bereichern. Ist man dazu gelangt,
so fällt der hauptsächlichste Anreiz zur Revolution weg. Dann können Ruhe,
Ordumig, bürgerlicher n"d äußerer Frieden ihre wohlthätige Macht entfalten.
Vielleicht wäre der wirksamste Schutz, den sie sich darüber hinaus noch bereite:?
könnten, die Bildung eiues Bundes der süd- und der mittelamerikanischen Republiken.
Eine Religion, ein Kulturstand, nahezu eine einzige Sprache und eine einzige Na¬
tionalität -- das sind schon mächtige Bindemittel. Sie haben zusammen etwa


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Bolivia hat einmal mit Erfolg Truppen gegen die Abenteurer aufgeboten und dann
das ganze Gebiet mit allen obrigkeitlichen Rechten auf 99 Jahre an einen nord¬
amerikanischen Trust perpachtet. Wenn etwas im Süden verhaßt und gefürchtet
ist, so sind es die Dankeetrusts. Brasilien bestreitet nun mit verdoppeltem Nach¬
druck Bolivien das Recht, das Gebiet von Acre zu verpachten. Inzwischen ist
Galvez mit seiner Bande zur offnen Erklärung der Republik Acre übergegangen.

Kleiner sind die nordamerikanischen Eingriffe in Kolumbien. Auch dort tobt
wie in Venezuela die Revolution. Nun haben sich die Vereinigten Staaten das
große Verdienst erworben, durch Ausschiffung von Truppen in Panama und Colon
den Jsthmnsverkehr zu sichern. Kolumbien sieht das aber als eine unerlaubte Ein¬
mischung an und rächt sich, indem es erhöhte Forderungen für den Ban des
Panamakanals ausstellt. Chile liegt in einem alten Streit mit seinem nördlichen
Nachbar Pern. Es hat sich erst bereit erklärt, den panamerikanischen Kongreß zu
beschicken, nachdem ihm perbürgt worden war, daß sein Streit mit Peru nicht vor
das Schiedsgericht dieses Kongresses gezogen werden sollte. Mit unverbrüchlicher
Konsequenz hat Argentinien jegliche Annäherung an die Union zurückgewiesen.
Freundschaft und Kundschaft Europas sind ihm viel wichtiger. Venezuela allein
wendet sich jetzt an die Bereinigten Staaten, aber offenbar nur unter dem Druck
einer augenblicklichen Notlage.

Man sieht also nahezu ganz Südamerika mit Abneigung jeden Versuch, eine
Vormundschaft des Nordens zu errichte», abwehre». Europäische Bestrebungen,
es darin zu unterstützen, sind keineswegs aussichtslos. Man kann sagen, daß sich
die Verhältnisse völlig umgekehrt haben. Von Europa geht kein Versuch mehr aus,
die Unabhängigkeit Südamerikas anzutasten, vielmehr gebietet das eigue Interesse
Europas, diese mit allen Kräften zu stützen und zu kräftigen. Und dabei sind die
europäischen Interessen solidarisch. Keine Macht könnte es sich als einen Vorteil
deuten, wen» ein Teil Süd- oder Mittelamerikas unter die „Kontrolle" der Ver¬
einigte« Staaten gelangte. Denn, ob ausgesprochen oder unausgesprochen, deren
Tendenz geht immer dahin, dnrch Zölle und andre Abwehrmaßregeln die euro¬
päische Konkurrenz fern zu holten und den Markt allein in Beschlag zu nehmen.
Bleiben die süd- und die mittelamerikanischen Staaten nnabhnngig, so konkurrieren
Europa und Nordamerika uuter gleichen Bedingungen.

Allen den Republiken ist die Kundschaft Enropas um ein Vielfaches wichtiger
als die der Bereinigten Staaten, und so werde» sie n»f die Dauer diesen frei¬
willig keine Vorzugstarife einräumen. Die jetzige nordamerikanische Regierung hat
sicherlich keinerlei aggressive Absichten gegen die südlichen Republiken. Was aber
einst an ihrer Stelle in Washington regieren wird, weiß kein Mensch. Und da
ist es doch für Deutschland und England als den beiden hauptsächlichsten Ausfuhr¬
ländern, dann aber auch für Frankreich, Belgien, Spanien, Italien geboten, mit
alle» Mitteln auf den Schutz der Unabhängigkeit Süd- und Mittelamcrikns hin¬
zuwirken. Die Mouroedoktrin wird jetzt uicht von Europa bedroht, pielmehr
geradezu geschützt. Nur muß mau sie dahin interpretieren: Amerika nicht den Nord¬
amerikaner», sonder» Nordamerika den Nordamerikanern, Südamerika den Süd-
cunerikaueru.

Ihren wirksamsten Schutz müssen die südlichen Republiken in der Hebung
ihrer Staaten suchen. Wege, wie sie Präsident Castro einschlägt, müsse» gerade
ihnen z»in Verderben gereichen. Dmi Aufruhr und den, Bürgerkriege muß ein
Ende gemacht werden. Reformen im ganze» Stnatsgefüge müssen es unmöglich
mache», daß sich Präsidenten und Machthaber bereichern. Ist man dazu gelangt,
so fällt der hauptsächlichste Anreiz zur Revolution weg. Dann können Ruhe,
Ordumig, bürgerlicher n»d äußerer Frieden ihre wohlthätige Macht entfalten.
Vielleicht wäre der wirksamste Schutz, den sie sich darüber hinaus noch bereite:?
könnten, die Bildung eiues Bundes der süd- und der mittelamerikanischen Republiken.
Eine Religion, ein Kulturstand, nahezu eine einzige Sprache und eine einzige Na¬
tionalität — das sind schon mächtige Bindemittel. Sie haben zusammen etwa


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[0751] Maßgebliches und Unmaßgebliches Bolivia hat einmal mit Erfolg Truppen gegen die Abenteurer aufgeboten und dann das ganze Gebiet mit allen obrigkeitlichen Rechten auf 99 Jahre an einen nord¬ amerikanischen Trust perpachtet. Wenn etwas im Süden verhaßt und gefürchtet ist, so sind es die Dankeetrusts. Brasilien bestreitet nun mit verdoppeltem Nach¬ druck Bolivien das Recht, das Gebiet von Acre zu verpachten. Inzwischen ist Galvez mit seiner Bande zur offnen Erklärung der Republik Acre übergegangen. Kleiner sind die nordamerikanischen Eingriffe in Kolumbien. Auch dort tobt wie in Venezuela die Revolution. Nun haben sich die Vereinigten Staaten das große Verdienst erworben, durch Ausschiffung von Truppen in Panama und Colon den Jsthmnsverkehr zu sichern. Kolumbien sieht das aber als eine unerlaubte Ein¬ mischung an und rächt sich, indem es erhöhte Forderungen für den Ban des Panamakanals ausstellt. Chile liegt in einem alten Streit mit seinem nördlichen Nachbar Pern. Es hat sich erst bereit erklärt, den panamerikanischen Kongreß zu beschicken, nachdem ihm perbürgt worden war, daß sein Streit mit Peru nicht vor das Schiedsgericht dieses Kongresses gezogen werden sollte. Mit unverbrüchlicher Konsequenz hat Argentinien jegliche Annäherung an die Union zurückgewiesen. Freundschaft und Kundschaft Europas sind ihm viel wichtiger. Venezuela allein wendet sich jetzt an die Bereinigten Staaten, aber offenbar nur unter dem Druck einer augenblicklichen Notlage. Man sieht also nahezu ganz Südamerika mit Abneigung jeden Versuch, eine Vormundschaft des Nordens zu errichte», abwehre». Europäische Bestrebungen, es darin zu unterstützen, sind keineswegs aussichtslos. Man kann sagen, daß sich die Verhältnisse völlig umgekehrt haben. Von Europa geht kein Versuch mehr aus, die Unabhängigkeit Südamerikas anzutasten, vielmehr gebietet das eigue Interesse Europas, diese mit allen Kräften zu stützen und zu kräftigen. Und dabei sind die europäischen Interessen solidarisch. Keine Macht könnte es sich als einen Vorteil deuten, wen» ein Teil Süd- oder Mittelamerikas unter die „Kontrolle" der Ver¬ einigte« Staaten gelangte. Denn, ob ausgesprochen oder unausgesprochen, deren Tendenz geht immer dahin, dnrch Zölle und andre Abwehrmaßregeln die euro¬ päische Konkurrenz fern zu holten und den Markt allein in Beschlag zu nehmen. Bleiben die süd- und die mittelamerikanischen Staaten nnabhnngig, so konkurrieren Europa und Nordamerika uuter gleichen Bedingungen. Allen den Republiken ist die Kundschaft Enropas um ein Vielfaches wichtiger als die der Bereinigten Staaten, und so werde» sie n»f die Dauer diesen frei¬ willig keine Vorzugstarife einräumen. Die jetzige nordamerikanische Regierung hat sicherlich keinerlei aggressive Absichten gegen die südlichen Republiken. Was aber einst an ihrer Stelle in Washington regieren wird, weiß kein Mensch. Und da ist es doch für Deutschland und England als den beiden hauptsächlichsten Ausfuhr¬ ländern, dann aber auch für Frankreich, Belgien, Spanien, Italien geboten, mit alle» Mitteln auf den Schutz der Unabhängigkeit Süd- und Mittelamcrikns hin¬ zuwirken. Die Mouroedoktrin wird jetzt uicht von Europa bedroht, pielmehr geradezu geschützt. Nur muß mau sie dahin interpretieren: Amerika nicht den Nord¬ amerikaner», sonder» Nordamerika den Nordamerikanern, Südamerika den Süd- cunerikaueru. Ihren wirksamsten Schutz müssen die südlichen Republiken in der Hebung ihrer Staaten suchen. Wege, wie sie Präsident Castro einschlägt, müsse» gerade ihnen z»in Verderben gereichen. Dmi Aufruhr und den, Bürgerkriege muß ein Ende gemacht werden. Reformen im ganze» Stnatsgefüge müssen es unmöglich mache», daß sich Präsidenten und Machthaber bereichern. Ist man dazu gelangt, so fällt der hauptsächlichste Anreiz zur Revolution weg. Dann können Ruhe, Ordumig, bürgerlicher n»d äußerer Frieden ihre wohlthätige Macht entfalten. Vielleicht wäre der wirksamste Schutz, den sie sich darüber hinaus noch bereite:? könnten, die Bildung eiues Bundes der süd- und der mittelamerikanischen Republiken. Eine Religion, ein Kulturstand, nahezu eine einzige Sprache und eine einzige Na¬ tionalität — das sind schon mächtige Bindemittel. Sie haben zusammen etwa

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/751>, abgerufen am 01.09.2024.